Es war so ziemlich das Letzte, womit irgendjemand am Markt gerechnet hatte, sodass, als die US-Energiebehörde EIA einen Rückgang der Ölvorräte um 10 Mio Fass ankündigte, statt einer Abnahme um 2 Mio. Fass, wie sie Analysten vorhergesagt hatten, dies ein Nackenschlag für die meisten Short-Seller war.
Gewaltige Rohölentnahmen sind in der Mitte der Sommerreisesaison in den USA nicht ungewöhnliches. Da diese am Ende der Hauptfahrsaison kam, die Daten beziehen sich auf die Woche, die am 23. August endete, stellte sich natürlich die Frage, was dahinter steckt, besonders da der Markt zur Zeit von einer schwachen Nachfrage ausgeht, aufgrund des amerikanisch-chinesischen Handelskriegs und der Möglichkeit einer globalen Rezession.
Gleichzeitig mit dem Rückgang der Vorräte sanken auch die Rohölimporte um mehr als eine Million Barrel unter die typische Menge von 6 Millionen Barrel, was die Theorie eines Nachfrageverlangsamung bestätigt. Allerdings, die Abnahme der Vorräte an Benzin und Destillaten um jeweils 2 Millionen und starke Exporte von mehr als 3 Millionen Fass laufen der Markterklärung zuwider. Einige fragten sich, ob die Raffinerien im Vorfeld von Hurrikan Dorian noch einmal mit Vollgas produzierten, da sie befürchteten, er könnte auf die Bohrinseln an der US-Golfküste zusteuern und nicht nur Florida, wo er dann aber tatsächlich endete.
Wird die kommende Entnahme ausreichend sein?
Was auch immer der Fall sein mag, jetzt ist alles Schnee von gestern. Was im Moment zählt, ist, ob die EIA diese Woche eine weitere Abnahme der Vorräte bekanntgibt - für die Woche zum 30. August. Das ist, was Analysten erwarten, da es sich um letzte Woche für US-Amerikaner war, um mit dem Auto unterwegs zu sein, die ihren Höhepunkt mit dem wegen des US-Feiertags am Montag langen Wochenende hatte. Sollte eine Nettoentnahme vorliegen, wird sie einen ähnlichen Umfang wie die letzte haben oder zumindest “hinreichend“ sein - d.h. ein paar Millionen Fass oder mehr, wie prognostiziert?
Die Ölentnahmen fallen mit Beginn des Septembers für gewöhnlich dünn aus. Aber es gibt eine Möglichkeit, sodass sie noch eine weile hoch ausfallen. So meldete die EIA in der vorletzten Augustwoche 2018 eine Ölentnahme von 5,8 Millionen Fass. In den folgenden vier Wochen gingen die US-Lagerbestände weiter zurück und nahmen um insgesamt 14,2 Millionen Fass ab.
Im Jahr 2017 hörten die Ölentnahmen in der letzten Augustwoche abrupt auf, bevor in drei aufeinanderfolgenden Wochen die Lager um fast 15 Millionen Barrel Rohöl aufgestockt wurden. Aber fast alles davon wurde in den folgenden vier Wochen aufgebraucht, als die Vorräte ohne Pause zurückgingen.
Noch wichtiger, kann eine Rallye die auf der jüngsten Ölentnahme gebaut ist, Bestand haben?
Aber die vielleicht noch wichtigere Frage, die man sich stellen sollte, ist: Welche Hilfe wird eine weitere große Entnahme für die Rohölpreise bringen?
Wenn die Preisentwicklung seit dem letzten EIA-Datensatz ein Anhaltspunkt ist, lautet die Antwort "sehr wenig".
Rohöl der Sorte West Texas Intermediate beendete den Handel am 26. August rund 1% billiger zu 53,64 USD das Fass, einen Tag bevor das American Petroleum Institute die Händler davor warnte, dass die EIA eine Entnahme von 11 Mio. Fass ankündigen könnte.
Nach dem API-Bulletin und der Bestätigung des größten Teils dieser Zahl durch die EIA stieg WTI an jedem der drei folgenden Tage um etwa 2%. Dann, mit dem bevorstehenden Wochenende im Anmarsch, sank er um fast 3%, als China die Trump-Administration mit Vergeltungszöllen überraschte, nachdem die USA ihrerseits neue Zölle verhängt hatten. Die Rohölpreise rutschten am Montag und Dienstag aufgrund von Rezessionsängsten weiter ab.
Zu Handelsende am Dienstag stand der Preis WTI vor dem nächsten Bulletin der API auf 53,84 USD - nur 20 Cent höher als vor einer Woche.
Dies beweist, ist, dass der Handelskrieg und die Rezession die beiden Faktoren sind, die den Markt bestimmen - und selbst die größte US-Ölentnahme würde im Strudel der bärischen Stimmung untergehen, die den Ölmarkt zur Zeit durchzieht.
Und es sind nicht nur Nachfragesorgen, die den Schwung aus den Ölpreisen nehmen.
Die OPEC und Russland kommen dem Markt ebenfalls nicht zu Hilfe
Die Überproduktion durch die OPEC sowie die Nichteinhaltung der Produktionssenkungen durch Russland, die es dem Kartell versprochen hatte, haben die Stimmung weiter verschlechtert.
Eine Reuters-Umfrage der vergangenen Woche ergab, dass die OPEC im August zum ersten Mal im Jahr 2019 mehr Öl gefördert hat. Der Ölproduzentenklub hat im vergangenen Monat 29,61 Mio. Fass am Tag aus dem Boden geholt, ein Anstieg um 80.000 Fass am Tag gegenüber Juli.
Russlands Ölminister Alexander Novak seinerseits gab am Freitag zu, dass Moskau die vereinbarten Produktionskürzungen nicht einhält, was die Rallye in der vergangenen Woche eine Vollbremsung machen ließ.
Sollten aus irgendeinem Grund die Preise von WTI oder des globalen Rohöl-Benchmarks Brent unter 50 US-Dollar pro Barrel fallen, dann kann man mit Sicherheit davon ausgehen, dass Saudi-Arabien und die vereinten Kräfte der OPEC alles daran setzen werden, den Markt zu “rebalancieren”, wie das Königreich vor ein paar Wochen angedeutet hat. Ungeachtet des Ausrutschers im August hat das Kartell versprochen, 1,2 Millionen Fass am Tag vom Markt fernzuhalten, auch wenn Saudi-Arabien selbst oft mehr getan hat.
Während Rohöl aufgrund noch stärkerer saudischer Kürzungen teurer werden könnte, geht die Wahrscheinlichkeit eher dahin, dass der Handelskrieg und die Rezessionsängste mehr Einfluss über den Markt haben werden. Was wir vielleicht bekommen werden, sind mehr Preisschwankungen, wie die der letzten Wochen, die den Volatilitätshändlern so gefallen haben.