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Mitte Oktober gab es ein kleines Jubiläum: Am 13.10. jährte sich zum zweiten Mal der Tag, an dem die aktuelle Rally begann.
Zur Erinnerung: Am 13. Oktober 2022 markierte der S&P 500 sein Tief in der kräftigen Korrektur, die Anfang Januar 2021 begonnen hatte und in der er mehr als 20 % verlor. (Damit ist das formale Kriterium für einen Bärenmarkt erfüllt, aber aufgrund der relativ kurzen Dauer spreche ich lieber von einer Korrektur.)
Inzwischen hat er wieder neue Hochs erreicht und mehr als 68 % zugelegt. Damit läuft – je nach Betrachtungsweise – der alte oder ein neuer Bullenmarkt.
Meist verschwenden die Anleger keinen Gedanken an das, was war. Wozu auch? Die Börse handelt die Zukunft – was schert uns da die Vergangenheit? Zudem sind wir heute in einer völlig anderen Situation: Die Kurse steigen, erreichen neue Hochs. Da hilft es doch niemandem, sich mit den Sorgen von damals zu beschäftigen!
Ja und nein. Weil die Börse zukunftsorientiert ist, werfen die Börsianer nur selten einen Blick zurück. Aber diese „Geschichtsvergessenheit“ ist fatal, weil die gleichen Fehler immer wieder gemacht werden. Hinzu kommt, dass das Investmentgeschäft ein sehr schnelllebiges ist:
Die personelle Fluktuation ist hoch, immer neue Generationen von Analysten, Tradern und Fondsmanagern drängen nach – die alle die Erfahrungen der „Alten“ nochmals neu und selbst sammeln müssen. Und bevor sie diese Erfahrungen sinnvoll nutzen können, sind sie meist schon wieder weg.
Das erklärt, warum „Börsen-Dinosaurier“, wie Sir John Templeton, André Kostolany, Warren Buffett oder Jens Erhardt stets gefragte Gesprächspartner waren bzw. sind: Sie haben zumindest ihre persönlichen Erfahrungen zu Rezessionen, Inflation, diversen Blasen, Marktturbulenzen und Crashs, auf die sie zurückgreifen können.
Es ist daher kein Wunder, dass bekannt Börsenbonmots von diesen und anderen Altmeistern der Börse stammen. Diese Weisheiten sind sozusagen das Destillat ihrer Börsenerfahrung. Zum Beispiel Sir Templetons Ausspruch „Bullenmärkte werden im Pessimismus geboren, wachsen an Zweifeln, reifen im Optimismus und sterben in der Euphorie.“
Diese einfache Aufzählung enthält – mehr oder weniger direkt – gleich eine ganze Reihe von bekannten Börsenregeln:
- Antizyklisch denken! In der Panik wird der Keim für den nächsten Anstieg gelegt, und wenn alle nur eine rosarote Zukunft erwarten, ist das Hoch nicht weit.
- Die Märkte gehen also den Weg des größten Schmerzes.
- Die Kurse steigen an der Mauer der Angst / Zweifel – eine weitere bekannte Börsenweisheit.
- Bullenmärkte können sehr lange dauern und sterben nicht an Altersschwäche. (Reifeprozesse sind mitunter sehr langwierig; denken Sie an Käse oder Wein.)
- Und auch Übertreibungen können sehr lange dauern – schließlich sind Aktienkäufer notorische Optimisten und lassen sich nur schwer von ihren Überzeugungen abbringen.
Und es ist stets sinnvoll – vor allem in einem scheinbar unverwüstlichen Bullenmarkt –, die eigenen Überzeugungen zu hinterfragen: Welche Gefahren drohen, welche Chancen winken? Ist das, was der Markt aktuell „spielt“, plausibel oder irrational? Was ist, wenn es anders kommt, als „der Markt“ zurzeit annimmt? Welche Widersprüche offenbaren sich? Und so weiter…
Allerdings darf man bei solchen Gedankenspielen auch nicht ins andere Extrem verfallen und alles grau in grau oder gar nur schwarz sehen. Hier gilt die Warnung des Nicht-Börsianers Wilhelm Busch: „Wer durch des Argwohns Brille schaut, sieht Raupen selbst im Sauerkraut.“ Es ist sehr leicht, jederzeit in jeder Börsensuppe ein Haar zu finden, aber wer solche „Analysen“ allzu ernst nimmt, investiert nie – schließlich drohen scheinbar stets große Gefahren – und vermeintlich der nächste Crash.
Nun denken Sie vielleicht: Der Ewert hat gut reden! Warum hat er uns nicht vor 2 Jahren den Einstieg empfohlen, wenn alles so klar war? Na ja, klar ist an der Börse nie etwas. Weder für mich noch für die oben genannten Profis. Man muss die eigenen Einschätzungen stets überprüfen und an die jeweilige Lage anpassen.
Und das mache ich für die Leserinnen und Leser meines Geldanlage-Briefes regelmäßig. In der Oktoberausgabe 2022 titelte ich: „Die Zeit für Antizykliker kommt!“. Am Aktienmarkt gab es damals zwar noch keine konkreten Hinweise auf eine Trendwende, aber bei Gold machte ich Aufwärtspotenzial aus. Und tatsächlich war das damalige Tief von Ende September der Beginn der Gold-Hausse, die bis heute anhält!
Eine weitere Idee von damals waren Biotech-Aktien (ETR:NBTK). Diese begannen zwar damals einen Aufwärtstrend, aber dieser hielt nur kurzzeitig. Daher sind wir bald wieder ausgestiegen. Dennoch reduzierte ich im Musterdepot des Geldanlage-Briefs ab Oktober 2022 die Cashquote von 22 % auf 2 % im Dezember 2023 – sodass wir die jüngste Rally nahezu voll investiert mitnehmen konnten. Folgerichtig – und vor allem dank unserer LURO-Aktien – erreichte das Musterdepot in den vergangenen Wochen immer wieder neue Allzeithochs! Und meine aktuelle Sicht auf die Börse habe ich hier vor zwei Wochen vorgestellt.So können auch Sie diesen Erfahrungsschatz nutzen!
Aber ein Grund zum Feiern sind sowohl der jüngste „Bullenmarkt-Geburtstag“ als auch neue Hochs nur bedingt. Schließlich zählt die Vergangenheit an der Börse wenig – aber als persönlicher Erfahrungsschatz für die nächsten Trades und Investment sehr viel!
Mit besten Grüßen
Ihr Torsten Ewert
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