Im türkischen Schwarzen Meer fahren Gasunternehmen die Produktion dynamisch hoch. Gleichzeitig schließt Ankara reihenweise LNG-Lieferverträge ab. Das Land will so einen Gasüberschuss erzielen und zu einem Faktor in der europäischen Energieversorgung werden.
Der dort tätige Gasproduzent Trillion Energy meldete für August einen Umsatzrekord: Knapp 1,1 Mio. USD wurden erlöst. In einem an der Börse mit 13,5 Millionen EUR bewerteten Unternehmen bleibt das Durchbrechen solcher "magischen Grenzen" als Meilenstein oft lang in Erinnerung. Der Großteil des Umsatzes entfiel auf das SASB Gasfeld, ein kleinerer Teil auch ein Ölfeld.
Trillion Energy betreibt das Gasfeld SASB im türkischen Teil des Schwarzen Meeres. CEO Arthur Halleran ist zuversichtlich, dass das Ende der Fahnenstange dort noch nicht erreicht ist: "Der Bruttoumsatz von Trillion im August von 1,46 Millionen USD veranschaulicht das zukünftige Potenzial zur Steigerung des monatlichen Umsatzes, sobald wir mit mehr als nur zwei Gasquellen produzieren".
Trillion Energy will Gasproduktion bei SASB weiter steigern
Mehr und ergiebigere Quellen sollen das Gas sprudeln lassen. Das Gasfeld ist über Meerespipelines mit dem türkischen Erdgasnetz verbunden, verkauft wird über einen Take-or-Pay-Vertrag. Über die Abnahme der Produktion müsste sich Trillion Energy angesichts der europäischen Energiekrise aber auch ohne einen solchen Vertrag nicht sorgen.
Rasantes Wachstum bei Gasproduzenten im Schwarzen Meer: Trillion Energy ist in diesen Tagen kein Einzelfall. Neben Trillion und dem Partner TPAO (der 49 % des SASB Gasfeldes besitzt) sind auch Arar Petrol, Park Place Energy Limited, Thrace Basin Natural Gas Corporation Turkey, Petrogas, Atli Makina, Marsa Turkey BV und Transatlantic Petroleum in der Region aktiv.
Abgesehen von beträchtlichen Gasfunden im Schwarzen Meer in den letzten zehn Jahren gibt es dafür einen weiteren Grund: Die Politik. Die Bemühungen der Türkei um eine neue Rolle in der europäischen Energieversorgung sind nicht zu übersehen.
Türkei strebt neue Rolle auf Energiemärkten an
Am 02. September informierten das türkische Staatsunternehmen Boru Hatları ile Petrol Taşıma AŞ (BOTAŞ) und Shell (ETR:R6C0) über den Abschluss eines langfristigen Liefervertrages. Ab 2027 wird Shell jährlich bis zu 4 Milliarden Kubikmeter Flüssigerdgas (LNG) aus seinem US-amerikanischen und globalen Portfolio liefern.
"Durch den Vertrag kann BOTAŞ seinen Zugang zu Flüssigerdgas erweitern und seine umfangreiche Terminal- und Pipeline-Infrastruktur nutzen, um der Türkei bei der Diversifizierung ihrer Gasressourcen zu helfen und zu einem wichtigen regionalen Gashandelsplatz zu werden", hieß es in der Mitteilung des Staatsunternehmens.
Am 18. September gaben TotalEnergies (EPA:TTEF) und BOTAŞ einen langfristigen Liefervertrag für LNG bekannt. Ab 2027 sollen ca. 1,6 Milliarden Kubikmeter Flüssigerdgas pro Jahr an den Bosporus fließen. Der Abschluss sei, so das Staatsunternehmen, wichtig für die langfristigen Versorgungspläne sowie für "strategische Ziele". Es gehe um die "Vision der Türkei, ein Energiezentrum zu werden".
Bei beiden Vertragsabschlüssen wurde auch hervorgehoben, dass BOTAŞ "neue Fähigkeiten im Bereich des LNG-Transports per Schiff" erwerbe.
Türkei schließt Verträge mit Shell, TotalEnergies und Exxon
Bereits im Mai hatte BOTAŞ ein Kooperationsabkommen mit ExxonMobil (NYSE:XOM) abgeschlossen. Irgendwann soll dies in den jährlichen Import von 2,5 Mio. Tonnen LNG pro Jahr münden.
Der Minister für Energie und natürliche Ressourcen Alparslan Bayraktar kommentierte damals: "Wir werden weiterhin zur Energieversorgungssicherheit sowohl unseres Landes als auch unserer Region beitragen."
Lange war das Land stark von Gasimporten aus Russland und dem Iran abhängig. Doch die Schwarzmeerproduktion und der verstärkte Gasimport verringern diese Abhängigkeiten – und schaffen einen Gasüberschuss, den Ankara nach Europa verkaufen will. Insbesondere die bislang stark von russischen Lieferungen abhängigen Balkanländer kommen als Abnehmer in Betracht. Pipelines existieren bereits.
In den kommenden beiden Jahren enden Erdgaslieferverträge der Türkei mit Russland und dem Iran. Es ist wahrscheinlich, dass Folgeverträge abgeschlossen werden – Ankara verfügt durch die neuen Vereinbarungen aber über eine bessere Verhandlungsposition.
"Drehscheibe für Gaslieferungen"
Professorin Brenda Shaffer, Energieexpertin an der US Naval Postgraduate School, skizzierte die türkischen Pläne gegenüber Reuters: "Die Türkei verfolgt mit ihrer Gasimportoffensive zwei Ziele: Erstens will sie die Importmengen aus Russland und dem Iran senken. Zweitens hofft die Türkei, sich als Drehscheibe für Gaslieferungen zu positionieren, da die europäischen Abnehmer nicht genügend langfristige Gasverträge unterzeichnet haben".
Bayraktar betonte gegenüber Bloomberg, der Vertrag mit Shell enthalte auch eine Option für Weiterlieferungen des Gases an europäische Terminals außerhalb der Türkei. Eine solche Vereinbarung soll es auch mit TotalEnergies geben. "Wir können die europäischen Märkte beliefern, insbesondere die Märkte in Südosteuropa, die Gas benötigen", kündigt Bayraktar an.
Das importierte Gas würde ohne die Schwarzmeerproduktion nicht für das strategische Ziel einer Drehscheibe reichen. Doch vor der türkischen Küste lagern beträchtliche Vorkommen, die Produktion steigt deutlich.
Sakarya und SASB: Gasproduktion im Schwarzen Meer auf Hochtouren
Das größte Gasfeld der Region ist das 2020 entdeckte Sakarya, das im April 2023 die Produktion aufnahm und dessen Gasreserven auf 700 Mrd. Kubikmeter geschätzt werden.
Sakarya ist maßgeblich für den Anstieg der türkischen Gasproduktion verantwortlich. Laut dem jährlichen Erdgasbericht der türkischen Regulierungsbehörde für den Energiemarkt (EMRA) stieg die gesamte Erdgasproduktion des Landes im vergangenen Jahr im Vergleich zum Vorjahr um 112,55 Prozent auf 807,28 Millionen Kubikmeter.
Doch auch SASB (die Abkürzung steht für South Akcakoca Sub-Basin) spielt eine Rolle. Trillion Energy jedenfalls plant einen deutlichen Ausbau der Produktion und sieht angesichts der Produktionsrekorde eine "wachsende Position" auf dem europäischen Energiemarkt heranreifen.
Das Offshore-Team arbeitet mit Hochdruck an der Erweiterung der Kapazität. Weniger als eine Woche nach der offiziellen Verkündung des Produktionsrekords konnte bereits der nächste Meilenstein vermeldet werden: Die Akcakoca-3-Quelle ging in Produktion.
Knapp zwei Monate nach einer Bohrung erreichte der Bohrlochdruck Anfang September die notwendigen Werte. Die anfänglichen Produktionsdurchflussraten betrugen 4,28 MMcf/d und stiegen auf 4,66 MMcf/d – eine "starke Leistung" wie Halleran betonte.
Geschwindkeitsleitungen und Druktests für mehr Gas
Fast zeitgleich wurde ein Drucktest bei Alapli-2 durchgeführt, der erfolgreich verlief. In einem günstigen Marktumfeld ("Unser Gaspreis beträgt 10,94 US-Dollar/mcf, während der Spotpreis für Henry Hub Gas 1,91 US-Dollar beträgt", betont der CEO) amortisieren sich Investitionen schnell. Anfang Juli hatte Trillion Energy ein Perforationsprogramm begonnen, das sich durch die Erhöhung der Produktion bereits nach 35 Tagen amortisierte.
Halleran jedenfalls gründet seinen Optimismus auf äußerst greifbare operative Fortschritte: Geschwindigkeitsleitungen (sogenannte Velocity Strings, VC) sollen die Durchflussraten erhöhen.
"Die Installation der Strings in allen 6 Quellen wird die Gasproduktion bei SASB erheblich steigern. Die 10 Altquellen bei SASB haben zwischen 2007 und 2021 mit 2 3/8 Zoll Produktionsrohren insgesamt 42,19 Bcf Gas produziert, etwa 4,2 Bcf/Quelle. Dasselbe können wir für unsere Quellen erwarten, sobald wir die 2 3/8 Zoll installiert haben. Selbst mit den 4 ½ Zoll Produktionsrohren haben wir aus unseren Quellen 2022/23 2,71 Bcf Gas produziert".