von Clement Thibault
Am Sonnabend erschien in der Washington Post ein Meinungsbeitrag mit dem Titel Das Internet braucht neue Regeln. Starten wir in diesen vier Bereichen. Die wirkliche Überraschung, angesichts des Themas, war allerdings der Autor des Artikels, Facebooks CEO Mark Zuckerberg.
Wenn der CEO einer der fünf größten Technologiefirmen der Welt eine wie es auf den ersten Blick scheint, konträre Meinung zu seinem Sektor äußert, dann sollten Investoren dem Vorgang Aufmerksamkeit schenken. Und wenn der Unternehmenschef offen den Staat auffordert, genau das Unternehmen zu regulieren, das er gegründet und aufgebaut hat, dann verschwendet man bestimmt nicht seine Zeit, wenn man versucht zu verstehen, was die volle Agenda im Hintergrund ist.
Facebook (NASDAQ:FB), dessen Aktie von Juli 2018 bis Ende Dezember um 43,5% fiel, wurde in den vergangenen Jahren von einer Vielzahl von Skandalen geplagt. Während der US-Wahlen in 2016 war es beschuldigt worden, es zuzulassen, dass russische Bots die Plattform mit Propaganda und Falschnachrichten überfluten.
Anfang März 2018 begann der Skandal um Cambridge Analytica Kreise zu ziehen, nachdem ans Tageslicht gekommen war, dass es der Beratungsfirma gestattet worden war, die Daten von Millionen von Facebook-Nutzern für politische Zwecke abzuschöpfen. Und erst im vergangenen Monat, als es so aussah, als würden die Facebook-Anteile, die seit Jahresbeginn 2019 um 28,9% gestiegen sind, sich endlich erholen, nutzte ein Amokläufer in Neuseeland die Plattform um sein Massaker in einer Moschee live per Videoübertragung zu verbreiten.
Facebook nimmt Regulierung vorweg
Es ist also kein Zufall, dass der Beitrag vom Wochenende mit den gegenwärtigen Forderungen von Demokraten zusammenfällt, die großen Technologiekonzerne aufzubrechen und zu regulieren. Aus mehr als einem Grund.
Erstens ist der Meinungsbeitrag ein Versöhnungsangebot, das auf Regulierer und private Bürger abzielt, die seit Jahren über Facebooks Handel verstört und verärgert sind. Zweitens, indem es zeigt, dass es die Notwendigkeit für Regulierungen versteht, setzt sich Facebook an die Spitze der Entwicklung, womit es von den kommenden Regulierungen profitieren kann, während es gleichzeitig sicherstellt, dass die Konkurrenten diejenigen sind, die den meisten Schaden erleiden. Und hier kommt, wie das geht.
In seinem Beitrag ruft Zuckerberg zu neuen Regulierungen in vier Bereichen auf: schädliche Inhalte, Integrität von Wahlen, Privatheit, und Datenübertragbarkeit.
1. Schädliche Inhalte. Derzeit ist kaum definiert, was das bedeutet. Was den einen empört mag für andere unwichtig sein. Einige glauben, dass alles außer Gewaltaufrufen zu tolerieren ist. Es handelt sich also nicht um ein staatliches Problem, sondern es geht eher um gesellschaftliche Normen. Und weder Facebook noch die Regulierer sind in der Lage einen universell 'richtigen' Ansatz zu formulieren. Zuckerberg sagt, er wolle, dass der Staat Unternehmen zwingt, Systeme zur 'Inhaltskontrolle' einzusetzen.
Und natürlich ist es reiner Zufall, dass Facebook schon solche Systeme benutzt. Mitte 2017 heuerte das Unternehmen über 3.000 Moderatoren an, um Hassreden zu zensieren, was Facebook Millionen an zusätzlichen Gehältern kostet. Die Verhängung ähnlicher Standard gegen die Konkurrenz, etabliert und neu, wird die Profite der größeren Fische mindern und die kleineren komplett aus dem Geschäft drängen.
2. Wahlintegrität. Als die sozialen Medien zentraler für die Leute geworden sind, wenn sie Information suchen, hat dies enorm an Bedeutung gewonnen. Es ist ein weiteres Beispiel, wo Zuckerberg zu Regulierungen aufruft, die Facebook schon ziemlich gut umgesetzt hat. Das Netzwerk enthüllt schon jetzt wer seine Anzeigenkunden sind und kontrolliert deren Inhalte. Der Aufruf ist lediglich ein weiterer Versuch neue Maßnahmen—und die einhergehenden Kosten—den Konkurrenten aufzuerlegen.
3. Datenschutzregeln. Das ausgerechnet Facebook sich dafür stark macht, ist schon fast komisch, angesichts dessen, wie es in der Vergangenheit mit den Nutzerdaten umgegangen ist. Jetzt fordert Zuckerberg zusätzliche Kontrollen ähnlich der europäischen Datenschutzregeln (General Data Protection Regulation, GDPR), die den Nutzer ermöglicht festzulegen, wie mit ihren Daten umgegangen werden soll. "Es wäre gut für das Internet, wenn weitere Länder Regeln wie GDPR einführten," sagte Zuckerberg, aber natürlich wäre es in erster Linie gut für Facebook, da GDPR kostspielig umzusetzen ist und schon jetzt Google (NASDAQ:GOOGL) und Facebook geholfen hat, ihre Führungsposition in der Werbetechnologie auszubauen. Während GDPR Facebooks Werbereichweite um rund 7% schrumpfen ließ, haben die Top 50 Firmen des Sektors nach der Umsetzung der Regeln im Durchschnitt 20% ihrer Reichweite verloren.
4. Dataportabilität. Das ist die Fähigkeit Daten von einem Dienst zu einem anderen zu übertragen. Sollte der Vorschlag umgesetzt werden, dann wären Diensteanbieter gezwungen, die Daten miteinander auszutauschen, wenn ein Nutzer dies will. In diesem Fall versucht Zuckerberg offen ein Datenformat zum Standard zu machen, das Facebook schon jetzt benutzt, was den Rest des Sektors zwingen würde, sich dem anzugleichen, statt Facebook zu einem anderen Format zu zwingen. Hinzu kommt, dass Facebooks massive Reichweite und Dominanz in der gezielten Werbung nur noch stärker würde, wenn mehr Daten aus anderen Quellen hinzukommen und auch seine Fähigkeit diese zu Geld zu machen zunehmen würde.
Um fair zu sein, alles was Zuckerberg in seinem Meinungsbeitrag erwähnt, hat das Potential die sozialen Netzwerke zu verbessern und ihren Einfluss auf die Gesellschaft, aber es würde bestimmt nicht Facebooks Geschäftsmodell schaden, dass diese neuen Regeln es dem Unternehmen auch erlauben, einige Wettbewerber aus dem Weg zu räumen und seine schon jetzt dominante Position zu stärken und seine Wettbewerbsposition noch unangreifbarer zu machen. Zuckerberg hatte diese Agenda schon im letzten April vor dem US-Kongress enthüllt, als er sagte: "Häufig führt Regulierung zu Regeln, die ein Unternehmen, das größer ist, das unsere Ressourcen wie wir besitzt, einfach umsetzen kann, aber es könnte schwieriger für ein kleineres Startup sein."
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