Vor genau einer Woche, in der Börse-Intern vom 2. März, bin ich sehr ausführlich auf die jüngsten Preisentwicklungen eingegangen. Die gestiegenen Inflationsraten haben den Druck auf die Notenbanken erhöht, aus der lockeren Geldpolitik (weiter) auszusteigen, hieß es in der Ausgabe. Doch in einer Zwischenüberschrift war auch zu lesen: „Steigende Zinsen kommen nicht von der EZB, sondern von der Fed“. Der erste Teil dieser Aussage hat sich, wie allgemein auch erwartet, nun bewahrheitet.
EZB hält an bisheriger Geldpolitik unverändert fest
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat gestern verkündet, ihre Leitzinsen nicht anzutasten. Die Zinsen bleiben auf dem Rekordtief, das im März 2016 erreicht wurde. Der EZB-Rat geht auch weiterhin davon aus, „dass die EZB-Leitzinsen für längere Zeit und weit über den Zeithorizont des Nettoerwerbs von Vermögenswerten hinaus auf dem aktuellen oder einem niedrigeren Niveau bleiben werden“. So steht es im gestrigen Statement zum Zinsentscheid.
Und auch bei den Anleihenkäufen (Asset Purchase Program – APP) geht man weiterhin den eingeschlagenen Weg. Sie sinken, wie bereits beschlossen, ab April von 80 auf 60 Mrd. Euro pro Monat. Und sie sollen, Stand gestern, bis Ende Dezember 2017 oder erforderlichenfalls darüber hinaus fortgesetzt werden, in jedem Fall aber solange, bis der EZB-Rat eine nachhaltige Korrektur der Inflationsentwicklung erkennt.
EZB sieht keine Inflationsgefahren
Dies scheint trotz der jüngst höheren Inflationsraten aktuell noch nicht der Fall zu sein. Zumal in der Presseerklärung zwar geschrieben steht, dass eine Ausweitung des Kaufprogramms möglich ist, wenn sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verschlechtern, jedoch eine Reduzierung für den Fall, dass sich die Rahmenbedingungen verbessern, nicht erwähnt wird. Die EZB sieht die Risiken also weiterhin nur auf der Unterseite. Dies bestätigte EZB-Chef Mario Draghi auch auf der gestrigen Pressekonferenz. Dort sagte er, die Risiken für die Eurozone hätten zwar abgenommen, sie seien aber hauptsächlich noch abwärtsgerichtet.
EZB mit höheren Wachstums- und Inflationserwartungen
Da aber die Erholung der Wirtschaft an Fahrt gewinnt (siehe auch Börse-Intern vom 21. Februar), erhöhte die EZB die Prognose für das Wirtschaftswachstum leicht, für 2017 von 1,7 auf 1,8 Prozent und für 2018 von 1,6 auf 1,7 Prozent. 2019 soll das Wachstum unverändert bei 1,6 Prozent liegen.
Auch die Inflationsprognosen wurden nach oben angepasst, sogar recht deutlich. Für 2017 geht die EZB nun von einer Preissteigerung um 1,7 Prozent (zuvor 1,3 %) und für 2018 um 1,6 Prozent (zuvor 1,5 %) aus. Die Inflationsprognose für 2019 liegt dagegen unverändert bei 1,7 Prozent. Grundsätzlich bleiben die Erwartungen damit noch unter der EZB-Zielmarke von 2 Prozent, auch wenn die Inflation laut Draghi in den kommenden Monaten nahe dieser Marke liegen soll.
Der jüngste Anstieg sei aber vor allem auf die Erholung der Ölpreise zurückzuführen, so Draghi. Daher bleibe die Inflation grundsätzlich weiter gedämpft. Die Kerninflation solle mittelfristig nur schrittweise steigen. Daher werde die EZB über ein vorübergehendes Anziehen der Inflation hinwegsehen, wenn die Kerninflation schwach bleibt.
1,7 Prozent mehr Wachstum und Inflation durch die lockere Geldpolitik
Zumal Draghi betonte, dass sich die nach oben angepassten Prognosen des EZB-Stabes darauf beziehen, dass alle beschlossenen geldpolitischen Maßnahmen vollständig umgesetzt werden. Und diese seien bisher sehr erfolgreich. So befinde sich die Wirtschaftsstimmung auf dem höchsten Stand seit 2011 und seit der Wirtschaftskrise seien mehr als vier Millionen Arbeitsplätze geschaffen worden. Zudem seien die Deflationsrisiken durch die EZB-Politik weitestgehend verschwunden und die Unterschiede beim Wachstum in der Eurozone zwischen den einzelnen Ländern so gering wie noch nie seit 1997. Insgesamt schätzt die EZB die Wirkung der lockeren Geldpolitik für den Zeitraum 2016 bis 2019 auf +1,7 Prozent sowohl bei der Inflation als auch beim Wirtschaftswachstum.
EZB-Sitzung ein absolutes Non-Event
Für die Märkte war die EZB-Sitzung ein absolutes Non-Event, da die verkündete Entscheidung von den Märkten so erwartet wurden. Dazu gehören auch die angepassten Wachstums- und Inflationsprognosen. Nennenswerte Kursreaktionen blieben daher aus. Zwar kam es im DAX, Euro und am Anleihenmarkt zu stärkeren Ausschlägen, am charttechnischen Gesamtbild hat sich aber in keinem der Märkte etwas geändert.
Eine sehr spannende und zum gestrigen Thema passende Kursbewegung gab es dennoch. Dazu aber morgen mehr…
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Geldanlage
Ihr
Sven Weisenhaus