Evergrande (HK:3333), ein hoch verschuldetes chinesisches Bauunternehmen, dem die Zahlungsunfähigkeit droht, ließ die Anleger am Montag die Flucht ergreifen. Sie trennten sich von risikobehafteten Papieren und flüchteten in sichere Staatsanleihen.
Die Rendite für 10-jährige US-Staatsanleihen fiel zu Wochenbeginn um fast 6 Basispunkte auf etwa 1,312%. Zuvor war sie in der vergangenen Woche kräftig gestiegen, nachdem der Verbraucherpreisindex eine Abkühlung der Inflation signalisiert hatte und die Einzelhandelsumsätze im August stärker als erwartet ausgefallen waren.
Man sprach von einem "Lehman Moment" für China - in Anspielung an den Zusammenbruch von Lehman Brothers im September 2008 -, falls Peking sich an seine Zusage hält, Evergrande, dessen Verbindlichkeiten auf 300 Milliarden Dollar geschätzt werden, nicht zu retten. Ein Zahlungsausfall könnte nicht nur die chinesische Wirtschaft destabilisieren, sondern auch Folgen für die ganze Welt haben.
In Europa sank die Rendite der 10-jährigen Bundesanleihe am Montag ebenfalls und ging auf minus 0,3240% zurück, nachdem sie in der vergangenen Woche aufgrund von Inflationssorgen in der Eurozone auf über minus 0,2750% gestiegen war.
Ein Bericht, wonach der Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank, Philip Lane, einigen Analysten gesagt haben soll, dass die Inflation das 2 %-Ziel der EZB früher als erwartet erreichen und zu Zinserhöhungen im Jahr 2023, also ein Jahr früher als erwartet, führen könnte, verunsicherte die Anleger und ließ die Renditen für Staatsanleihen in der letzten Woche steigen. Die EZB bezeichnete den Bericht als ungenau, aber der Schaden war bereits angerichtet.
Frankreichs 10-jährige Anleiherendite ging am Montag auf unter 0,2% zurück, nach einem Anstieg auf über 0,5% in der vergangenen Woche. Paris liefert sich derzeit einen diplomatischen Schlagabtausch mit Washington, weil die USA angekündigt haben, Australien beim Bau von Atom-U-Booten zu unterstützen, womit Frankreichs milliardenschwerer Deal zur Lieferung konventioneller U-Boote platzen würde.
Die Auseinandersetzung mit den Franzosen ist nur eines von vielen Themen, mit denen das Weiße Haus zu kämpfen hat, das noch immer unter dem verpfuschten Afghanistan-Abzug leidet, während die innenpolitische Agenda von Präsident Joe Biden auf Gegenwind aus dem Kongress stößt. Darüber hinaus hat der plötzliche Zustrom haitianischer Einwanderer nach Texas die schwierige Grenzsituation verschärft und Washington gezwungen, mit der Abschiebung dieser Einwanderer zu beginnen.
Finanzministerin Janet Yellen warnte davor, dass ein Scheitern des Kongresses bei der Anhebung oder Aussetzung der Schuldenobergrenze, die am 31. Juli wieder in Kraft trat, nachdem sie während der Pandemie ausgesetzt worden war, eine Zahlungsunfähigkeit der USA bedeuten und "eine historische Finanzkrise auslösen" könnte. Die US-Öffentlichkeit kennt diese Spielereien bereits, aber dieses Mal wird das Problem durch die Entschlossenheit der Demokraten verschärft, ein 3,5 Billionen Dollar schweres Ausgabengesetz gegen den Widerstand der Republikaner durchzusetzen.
Die Problematik um die Schuldenobergrenze sorgt für zusätzliche Unsicherheit bei den Anlegern, zumal der politische Ausschuss der Fed in dieser Woche zusammenkommt und voraussichtlich einige Hinweise auf seine Pläne zur Reduzierung seiner Anleihekäufe geben wird. Die Wirtschaftsprognosen der Mitglieder des Offenmarktausschusses der Fed dürften zudem höhere Inflationserwartungen und eine kürzere Zeitspanne bis zur ersten Zinserhöhung erkennen lassen.
Der Aktienindex S&P 500 fiel am Montag zeitweise um mehr als 100 Punkte auf fast 4.300 Punkte, bevor er sich im Nachmittagshandel wieder etwas erholte.
Grundsätzlich sollte die Aussicht auf eine Reduzierung der Anleihekäufe durch die Fed zu schwächeren Treasury-Kursen und höheren Renditen führen, aber die Unsicherheit über die Schuldenobergrenze und die Staatsausgaben stützen die Kurse. Wenn man dann noch die Möglichkeit eines massiven Zahlungsausfalls Chinas hinzunimmt, ergibt sich daraus die richtige Mischung für sinkende Renditen.