Das Jadar-Projekt in Serbien rückt ohnehin schon näher: Übernimmt Rio Tinto (LON:RIO) jetzt auch noch Arcadium Lithium, könnte der drittgrößte Lithiumproduzent der Welt entstehen. Diese Fokussierung setzt angesichts der chinesischen Dumpingpolitik Vertrauen in eine westliche Preisgestaltung voraus – sei es nun durch Zölle, eine Preisprämie oder Subventionen.
Rio Tinto bestätigte am Montag Gespräche mit Arcadium Lithium bzgl. einer möglichen Übernahme. Auch, wenn bislang alles auf einer unverbindlichen Ebene stattfindet: Durch den Deal könnte Rio Tinto zum drittgrößten Lithiumproduzenten nach Albemarle (NYSE:ALB) und SQM werden.
Arcadium gewinnt Lithium in Argentinien und Australien
Das Portfolio von Arcadium ist einschlägig. Das Unternehmen gewinnt Lithium in Argentinien und Australien und betreibt Downstream-Konvertierungsanlagen in den USA, China, Japan und Großbritannien.
Eine Ausweitung der Produktion ist geplant: Dazu betreibt Arcadium mehrere laufende Entwicklungsprojekte in Argentinien (Greenfield und Brownfield) und Kanada (Greenfield). Zu den Kunden des im irischen Shannon ansässigen Unternehmens gehören unter anderem Tesla (NASDAQ:TSLA), BMW (ETR:BMWG) und General Motors (NYSE:GM).
Der Vorstoß von Rio Tinto kommt wenige Monate, nachdem im Juli die Chancen auf die Realisierung des Jadar-Projektes in Serbien deutlich gestiegen waren. Damals erhielt der Rohstoffriese die zuvor entzogene Lizenz für das 2,4 Mrd. USD teure Projekt infolge eines Urteils des Obersten Gerichts wieder zurück.
Mit einer geplanten Produktion von 58.000 Tonnen raffiniertem Lithiumcarbonat in Batteriequalität pro Jahr wird Jadar als größte europäische Lithiummine gehandelt. Der Betrieb könnte ausreichend Lithium liefern, um eine Million Elektrofahrzeuge anzutreiben und 90 Prozent des derzeitigen Lithiumbedarfs Europas zu decken.
Ein weiteres Lithiumprojekt in Rio Tintos Portfolio ist Rincon in Argentinien mit Reserven von fast zwei Millionen Tonnen Lithiumcarbonatäquivalent – ausreichend für eine 40-jährige Minenlebensdauer. Rio Tinto plant für Rincon den Bau einer Anlage zur Herstellung von Lithiumcarbonat in Batteriequalität mit einer Jahreskapazität von 3.000 Tonnen.
Rio Tinto setzt auf westliche Abnehmer – zahlen diese auch genug?
Mit Rincon, Jadar und – sollte der Deal tatsächlich zustande kommen – den Assets von Arcadium setzt Rio Tinto klar auf eine Belieferung westlicher Märkte. Damit setzt das Unternehmen auch darauf, dass Rohstofflieferungen unter Ausklammerung des geopolitischen Rivalen China honoriert werden – und zwar durch einen Preisaufschlag für "westliches" Lithium.
Ein solcher Aufschlag kann prinzipiell am Markt verbindlich vereinbart, durch Einfuhrzölle oder Mindestpreise erzwungen oder durch Subventionen gewährleistet werden.
Ohne solche Maßnahmen sehen sich westliche Lithiumproduzenten einem kaum beherrschbaren Preisdruck aus China gegenüber.
Die Aussichten auf solche Preisaufschläge wachsen. Jose Fernandez, Staatssekretär für Wirtschaftswachstum, Energie und Umwelt im US-Außenministerium, äußerte sich am Montag äußerst kritisch gegenüber den chinesischen Lithiumpolitik.
Die Volksrepublik überschwemme den Weltmarkt mit dem Batteriemetall regelrecht und verursache einen "räuberischen" Preisverfall. Das Ziel Pekings: Konkurrierende Projekte über Dumpingpreise ins Abseits drängen. China betreibe "Kampfpreise" und senke diese, bis die Konkurrenz verschwinde.
"Gezielte Reaktion Chinas auf den IRA"
"Dies ist eine gezielte Reaktion der Volksrepublik China auf das, was wir mit dem Inflation Reduction Act zu erreichen versuchen", fügte Fernandez hinzu. Die Dumpingpolitik konterkariere damit westliche Bemühungen um den Aufbau diversifizierter Lieferketten.
Die Preise für Lithium sind im vergangenen Jahr um mehr als 80 % gefallen – was auf die Überproduktion in China sowie einen Rückgang der Nachfrage nach Elektrofahrzeugen zurückgeht. Die Konsequenz: Projekte werden zurückgestellt, Investitionen verschoben. China produziert etwa zwei Drittel der weltweiten Lithiumchemie.
Diese Politik Pekings lässt sich auch bei anderen Rohstoffen beobachten. So wurde die Gesamtfördermenge an Seltenen Erden in den vergangenen Jahren drastisch erhöht. 2017 waren noch gut 100.000 Tonnen abgebaut worden, 2024 werden es 270.000 Tonnen sein. 2022 lag der Marktanteil Chinas bei der Produktion bei 70 %, der Anteil bei der Weiterverarbeitung bei 85 %.
Auch der Nickelmarkt wird durch Peking beeinflusst, da chinesische Unternehmen stark in Indonesien vertreten sind. Das südostasiatische Land fährt die Produktion seit Jahren hoch und produziert mittlerweile mehr als die Hälfte des weltweiten Angebots.
Die Folgen sind unübersehbar: Westliche Produzenten legen Projekte still wie zuletzt etwa BHP (ASX:BHP) das Nickelgeschäft in Australien.
Steht ein Nachschlag auf bestehende Zölle an?
Dass die bisherigen Einfuhrzölle ausreichen, lässt sich bezweifeln. Washington hatte bereits im Mai Zölle auf chinesische Einfuhren erhöht. Der Zollsatz für Lithium-Ionen-Batterien für Elektrofahrzeuge wurde von 7,5 % auf 25 % erhöht, der Zollsatz für Lithium-Ionen-Batterien für andere Zwecke als Elektrofahrzeuge steigt 2026 von 7,5 % auf 25 %. Der Zollsatz für Batterieteile wurde von 7,5 % auf 25 % erhöht.
Der Zollsatz für Naturgraphit und Permanentmagnete (in denen Seltene Erden enthalten sind) wird 2026 von null auf 25 % steigen – und ebenso für bestimmte andere kritische Mineralien.
Angesichts der bereits beschlossenen Zölle erscheinen die Äußerungen von Fernandez als möglicher Hinweis auf weitere Maßnahmen – ohne die sich absehbar keine Wettbewerbsfähigkeit herstellen lässt.
Wie groß die Differenz zwischen den aktuellen Weltmarktpreisen und den durch Produzenten benötigten Preisen ist, lässt ein Blick auf das Thacker Pass-Lithiumprojekt von Lithium Americas (NYSE:LAC) erahnen – das möglicherweise wichtigste in Nordamerika mit einer günstigen geologischen Ausgangslage.
Die Machbarkeitsstudie des Projekts taxiert die Betriebskosten pro Tonne Lithiumcarbonat auf 6.743 USD. Bei einem angenommenen Lithiumpreis von 24.000 USD pro Tonne könnte Lithium Americas die veranschlagten Kapitalkosten in weniger als 3,5 Jahren verdienen – ein im Bergbau passabler Wert. Das Problem: In Shanghai kostet eine Tonne derzeit weniger als 9.700 USD.
Die Bereitschaft zu höheren Preisen könnte allerdings bei den Abnehmern vorhanden sein. Bereits im Mai hatte Terence Cryan von Westwater Resources (einem US-amerikanischen Naturgraphitproduzenten) diese Bereitschaft seitens der eigenen Kunden vermeldet und auf einen Abnahmevertrag mit dem südkoreanischen EV-Hersteller SK On über die Belieferung dessen US-amerikanischer Werke verwiesen.
"Wir sind nicht in dieses Geschäft eingestiegen, um mit den Chinesen preislich zu konkurrieren", stellte Cryan klar. Stattdessen gehe es um den Aufbau einer heimischen Industrie für einen kritischen Rohstoff. Dies dürfte auch für Lithium und Co. gelten.