"(Markt-)Prognosen sind schwierig, insbesondere wenn sie die Zukunft betreffen." - Niels Bohr
Okay, ich habe mir ein wenig die Freiheit genommen, mein Thema poetisch zu formulieren. Der Punkt ist hier, dass gute Vorhersagen über die Zukunft der Märkte, so gut sie auch gemeint sein mögen, bestenfalls schwierig und schlimmstenfalls unmöglich sind. Wenn wir die Zukunft genau prognostizieren könnten, würden Wahrsager alle Lotterien gewinnen, Hellseher wären reicher als Elon Musk, und Portfoliomanager würden den Index stets und ständig schlagen.
Allerdings können wir analysieren, was in der Vergangenheit geschehen ist, das Rauschen der Gegenwart durchdringen und mögliche Ergebnisse der Zukunft extrahieren. Das größte Problem der Wall Street, sowohl heute als auch in der Vergangenheit, ist die konsequente Missachtung von unerwarteten und zufälligen Ereignissen, die unweigerlich eintreten.
Wir haben in den letzten Jahren einiges erlebt, von Handelskriegen über den Brexit bis hin zur Fed-Politik und einer globalen Pandemie. Doch bevor jedes dieser Ereignisse zu einem Marktabschwung führte, fanden die Analysten der Wall Street 1001 Gründe, dass das nicht passieren würde.
So haben wir zum Beispiel am 7. Dezember 2021 einen Artikel veröffentlicht, der sich mit den Prognosen für das Jahr 2022 befasst.
"Es gibt eine Sache, auf die man sich bei Goldman Sachs (NYSE:GS) verlassen kann: Sie sind permanent 'bullish.' Da sich der Markt häufiger positiv als negativ entwickelt, liegt man damit natürlich nicht immer falsch, wenn man sein Geld mit dem Verkauf von Produkten an gierige Investoren verdient.
Hier möchte ich darauf hinweisen, dass Goldman Sachs genau dann falsch lag, als es am wichtigsten war - insbesondere in den Jahren 2000 und 2008.
David Kostin, Chief Equity Strategist bei Goldman, prognostizierte, dass der S&P 500 bis Ende 2022 um 9 % auf 5100 steigen wird, ganz im Einklang mit der stets optimistischen Hausmeinung.
Wie er anmerkt, entspricht das "einer voraussichtliche Gesamtrendite von 10 % einschließlich Dividenden."
Das Problem hierbei ist natürlich, dass der S&P 500 das Jahr NICHT bei 5100 Punkten beendet hat.
Nicht nur Goldman Sachs, sondern auch die überwiegende Mehrheit der Wall Street-Analysten geben immer wieder optimistische und unrichtige Prognosen ab. Solche Fehleinschätzungen sind am deutlichsten bei den Erwartungen über die zukünftigen Unternehmenserträge zu beobachten.
Ed Yardeni verfolgt die historischen Prognosen für das EPS und die Veränderungen in den einzelnen Jahren. Die Erwartungen der Analysten liegen im Durchschnitt etwa 30 % daneben.
Trotz zunehmender Anzeichen für eine Rezession sind die Analysten wieder extrem optimistisch, was das Gewinnwachstum bis ins Jahr 2024 hinein betrifft. Dafür wäre allerdings ein wesentlich stärkeres Wirtschaftswachstum erforderlich.
Es stellt sich also die Frage, wie viel Vertrauen wir in die Schätzungen der Wall Street setzen sollten, wenn es um unser investiertes Geld geht
Auch Prognosen haben ein Verfallsdatum
In den späten 90er Jahren gab es eine Studie über die Genauigkeit von "Prognosen". Für die Studie wurden Prognosen verschiedener Berufsgruppen untersucht, darunter Hellseher und Meteorologen. Die Studie kam zu zwei Schlussfolgerungen.
- "Meteorologen" sind die Gruppe mit den genauesten Vorhersagen für die Zukunft
- Die Prognosen waren nur für 3 Tage gut
Der wichtigste Punkt ist, dass sobald die Vorhersagen mehr als 3 Tage in die Zukunft reichen, die Genauigkeit nicht besser ist als bei einem Münzwurf.
Ein Vierteljahrhundert später analysierte der "Economist" Computermodelle und ihre Genauigkeit bei der Wettervorhersage. Überraschenderweise hat sich die Genauigkeit trotz des massiven Steigerung der Computeranalysefähigkeiten, der vermehrten Datenerfassung und der verbesserten Modelle nicht verbessert.
Damals wie heute liegt die Genauigkeit von Wettervorhersagen für 3 Tage bei etwa 100 Prozent. Nach 10 Tagen ist die Genauigkeit nicht besser als ein Münzwurf.
Das ist der springende Punkt: Bei der Analyse von Wettermustern gibt es eine riesige Menge an beobachtbaren Daten - von Erdtemperaturen über Hoch- und Tiefdruckgebiete, Luftfeuchtigkeit und Luftqualität bis hin zu zahlreichen Datenpunkten.
Diese mithilfe von Dopplerradar, Radiosonden, Wettersatelliten, Bojen und anderen Instrumenten gesammelten Daten werden in die Supercomputer der nationale Wetterdienste eingespeist, wo die numerischen Vorhersagemodelle dann ihre Arbeit aufnehmen.
Trotz all dieser Daten ist die Genauigkeit der Prognosen nur drei bis zehn Tage lang gut.
Angesichts der Tatsache, dass die Märkte von einem breiten Spektrum äußerst variabler Faktoren beeinflusst werden - von der Wirtschaft über Geopolitik, Geldpolitik, Zinssätze und finanzielle Ereignisse bis hin zur menschlichen Psyche - stellt sich die Frage, wie genau Prognosen über die nächsten 12 Monate sein können.
Wie viel Gewicht sollten wir als Anleger einer Prognose beimessen, die sich über mehr als eine Woche erstreckt?
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Kurzfristig ist alles, was für die Anleger wirklich zählt, die kurzfristige Marktpsychologie. Diese Psychologie lässt sich leicht aus der technischen Analyse der Marktpreisdaten ablesen. Deshalb erörtern wir mit Ihnen jede Woche die technischen Unterstützungs- und Widerstandsniveaus und den allgemeinen Markttrend - optimistisch oder pessimistisch.
Langfristig, d. h. über die kommenden 10 Jahre, werden die Fundamentaldaten und die Bewertungen die Rendite Ihrer Investitionen bestimmen.
Vor diesem Hintergrund besteht meine Aufgabe als Portfoliomanager darin, die Marktrisiken, die wir sehen, zu steuern. Eine "einseitige" Wette auf ein mögliches Ergebnis birgt ein überdurchschnittliches Risiko, sich zu irren. Das würde sich möglicherweise auf das Kundenkapital auswirken und die finanziellen Ergebnisse schädigen.
Daher entscheiden wir uns beim Risikomanagement am Markt so, dass wir uns gegen Risiken absichern und potenzielle Problempositionen reduzieren. In Anbetracht der derzeitigen Marktstruktur bleiben uns also derzeit drei Möglichkeiten:
- Nichts tun - Wenn die Märkte korrigieren, verlieren wir Kapital und Zeit, während wir darauf warten, dass sich das Portfolio erholt.
- Gewinne mitnehmen - Gewinne mitnehmen, Barmittel aufstocken und das Aktienengagement vor einer Korrektur zurückfahren trägt dazu bei, den Schaden eines Rücksetzers zu begrenzen. Wenn wir uns irren, können wir Positionen immer noch zurückkaufen, neue hinzufügen oder die Portfoliobestände je nach Bedarf anpassen.
- Absicherung - Wir haben uns auch für eine Absicherung entschieden, indem wir eine Position in das Portfolio aufgenommen haben, die die "inverse" Entwicklung des Marktes darstellt. Auf diese Weise können wir bei unseren bestehenden Positionen bleiben. Durch "Short-Positionen gegen das Portfolio" reduzieren wir effektiv unser Aktienrisiko (und den damit verbundenen Kapitalverlust) während einer Marktkorrektur.
Wie bereits erwähnt, haben wir in der Vergangenheit auch Kombinationen aus den Strategien 2 und 3 verwendet. Wenn wir nichts tun, sind wir einem unerwarteten "Volatilitätsschock" auf dem Markt oder der Umkehrung der Bullenpsychologie übermäßig ausgesetzt.
Wir sind überzeugt, dass wir Risiken steuern oder ignorieren können.
Das einzige Problem mit dem "Ignorieren von Risiken" ist, dass das meist nicht lange gut geht.
Investitionsrichtlinien
Wenn es um Investitionen geht, neigen wir dazu, unsere Fehler zu wiederholen, indem wir die Vergangenheit vergessen. Daher lohnt es sich, die Investitionsrichtlinien zu wiederholen, damit wir uns wieder auf das konzentrieren, was wirklich wichtig ist.
- Investieren ist kein Wettbewerb. Es gibt keine Auszeichnungen, wenn wir gewinnen, dafür aber harte Strafen, wenn wir falsch liegen.
- Emotionen haben bei Investitionen nichts zu suchen. Es ist grundsätzlich besser, das Gegenteil von dem zu tun, was man "fühlt"
- Die EINZIGEN Investitionen, die Sie "kaufen und halten" können , sind diejenigen, die Ihnen einen Einkommensstrom und Kapitalrückfluss bieten.
- Marktbewertungen sind sehr schlechte Indikatoren für das Markt-Timing.
- Langfristige Anlageentscheidungen werden von Fundamentaldaten und ökonomischen Faktoren bestimmt - kurzfristiges Handeln ist von "Gier und Angst" bestimmt.
- "Market Timing" ist eine unmögliche Wissenschaft - das Steuern von Risiken hingegen ist sowohl logisch als auch möglich.
- Bei Investitionen geht es um Disziplin und Geduld. Ohne diese beiden Faktoren bringen Sie Ihre Anlageziele in Gefahr.
- Die täglichen Kommentare in den Medien sind wertlos - schalten Sie den Fernseher aus und sparen Sie sich Ihr geistiges Kapital.
- Investieren ist nicht anders als Glücksspiel - bei beiden geht es um "Vermutungen" über zukünftige Ergebnisse auf der Grundlage von Wahrscheinlichkeiten. Der Gewinner ist derjenige, der weiß, wann er "aussteigen" und wann er alles "auf eine Karte" setzen muss.
- Keine Anlagestrategie funktioniert immer. Die Kunst besteht darin, den Unterschied zwischen einer schlechten Anlagestrategie und einer, die vorübergehend nicht funktioniert, zu erkennen.
Wie der große Benjamin Graham (NYSE:GHC) sagte: "Das Hauptproblem des Anlegers – und sogar sein schlimmster Feind – ist wahrscheinlich er selbst."