Ökonomen rechnen nicht länger mit einer Rezession. Das zumindest geht aus einer aktuellen WSJ-Umfrage unter Wall-Street-Ökonomen hervor. So heißt es darin:
"In der jüngsten vierteljährlichen Umfrage des Wall Street Journal haben Ökonomen aus Wissenschaft und Praxis die Wahrscheinlichkeit einer Rezession im kommenden Jahr von durchschnittlich 54 % im Juli auf optimistischere 48 % gesenkt. Das ist das erste Mal seit Mitte letzten Jahres, dass sie die Wahrscheinlichkeit unter 50 % sehen".
Die Fed sieht das ähnlich. Im Anschluss an die September-Sitzung des Offenmarktausschusses bekräftigte die Fed ihr "higher for longer"-Mantra und hob ihre Wirtschaftsprognosen an, die unter anderem ein "keine Rezession"-Szenario enthielten.
"Drei wichtige Faktoren nähren diesen Optimismus: eine weiter rückläufige Inflation, eine Fed, die die Zinsen nicht weiter erhöht, ein robuster Arbeitsmarkt und ein Wirtschaftswachstum, das die Erwartungen übertrifft." - WSJ
Problematisch an diesem Optimismus ist, dass er sich ausschließlich auf nachlaufende Wirtschaftsdaten stützt.
Noch wichtiger ist, dass diese nachlaufenden Daten in der Zukunft relativ stark revidiert werden können - und zwar nach unten.
Hinzu kommt, dass, wie bereits mehrfach diskutiert, der "Lag-Effekt" der geldpolitischen Straffung sich immer noch seinen Weg durch das System bahnt. Michael Lebowitz beschreibt diesen Effekt so:
“Zinsänderungen wirken sich nur auf neue Kreditnehmer aus, darunter auch auf fällig werdende Schuldtitel, für die neue Bonds emittiert werden müssen, um die Anleger bei Fälligkeit zu entschädigen. Folglich wirken sich höhere Zinssätze nicht auf diejenigen aus, die festverzinsliche Schulden haben, die noch nicht fällig sind. Der Lag-Effekt ergibt sich aus der Zeit, die vergeht, bis die Neuverschuldung genügend Druck auf die Wirtschaft ausübt, um sie zu bremsen."
Mit anderen Worten: Wenn die durchschnittliche Verzögerung zwischen der letzten Zinserhöhung und der Rezession 11 Monate beträgt und die letzte Zinserhöhung im Juli 2023 stattfand, ist das Risiko für die Zukunftserwartungen recht hoch.
Das ist der Grund, warum die Fed und die Ökonomen stets einen Schritt zu spät kommen.
Zu spät, zu wenig
In Anbetracht der Abhängigkeit von Wirtschaftsdaten, die erheblichen Revisionen unterliegen, ist es nicht weiter überraschend, dass die Fed und die Ökonomen mit ihren Prognosen häufig daneben liegen. Wir können es nur noch einmal wiederholen:
"Es gibt ein echtes Problem mit den Prognosen der Fed. Sie ist historisch gesehen die schlechteste Institution für Wirtschaftsprognosen. Wir verfolgen den Median ihrer Prognosen seit 2011, und fast nichts davon ist eingetroffen. Sowohl die Tabelle als auch die Grafik zeigen, dass die Prognosen der Fed stets zu optimistisch sind.
Wie man sieht, hat die Fed für 2022 ein Wachstum von fast 3 % prognostiziert. Diese Zahl wurde auf nur 2,2 % nach unten korrigiert und wird bis Ende des Jahres wahrscheinlich noch weiter sinken. Wie die Analysten der Wall Street mit ihren Gewinnschätzungen sind auch die Prognosen der Fed zunächst immer zu optimistisch und werden dann allmählich an die Realität angepasst".
Die Ökonomen sind nicht viel besser. Werfen wir noch einmal einen Blick auf die oben genannte WSJ-Umfrage unter Wall-Street-Ökonomen.
Diesmal aber betrachten wir die Daten, die das National Bureau Of Economic Research (NBER) für den Beginn und das Ende der letzten beiden Rezessionen ermittelt hat. (Die WSJ-Umfrage reicht nur bis 2006 zurück.)
Auch wenn diese Stichprobe relativ klein ist, zeigt sie doch sehr deutlich, dass Ökonomen in der Regel falsch liegen, wenn sie eine "weiche Landung" erwarten.
Das Problem bei der Beurteilung der Wirtschaftslage anhand aktueller Daten besteht darin, dass es sich bei diesen Zahlen nur um "beste Schätzungen" handelt.
Die Wirtschaftsdaten werden in den nächsten 12 und 36 Monaten im Zuge ihrer Erhebung und Anpassung deutlich nach unten korrigiert.
Hier ein Zitat von Fed-Chef Bernanke vom Januar 2008:
"Die Fed rechnet derzeit nicht einer Rezession."
Rückblickend datierte das NBER im Dezember 2008 den Beginn der offiziellen Rezession auf Dezember 2007.
Wenn Ben Bernanke nicht wusste, dass es eine Rezession gab, wie sollten wir es dann wissen?
Werfen wir einen Blick auf die folgenden Daten zu den realen (inflationsbereinigten) Wachstumsraten:
Jedes der oben genannten Daten zeigt die Wachstumsrate der Wirtschaft unmittelbar vor Beginn einer Rezession.
Der obigen Tabelle können Sie entnehmen, dass in 7 der letzten zehn Rezessionen das reale Wachstum des BIP bei 2 % oder darüber lag. Mit anderen Worten: Laut den Medien gab es KEINE Anzeichen für eine Rezession.
Im folgenden Monat begann sie dann jedoch.
Der nachstehende Chart stellt den S&P 500 dar und zeigt zwei Punkte. Die blauen Punkte stehen für den Beginn der Rezession.
Das gelbe Dreieck zeigt, wann das NBER den Beginn einer Rezession festgestellt hat. In 9 von 10 Fällen erreichte der S&P 500 seinen Höchststand und drehte dann nach unten, bevor die Rezession offiziell als solche anerkannt wurde.
Sehen Sie das Problem der Behauptung "keine Rezession" seitens der Ökonomen?
Das Warten auf die Daten
Während die Ökonomen des WSJ offenbar zuversichtlich sind, dass es "keine Rezession" geben wird, haben die Wirtschaftsdaten nicht mit der wirtschaftlichen Realität Schritt gehalten. Die nachstehende Tabelle zeigt den Zeitpunkt des Markthochs und das reale BIP im Vergleich zum Beginn der Rezession und dem BIP-Wachstum zu diesem Zeitpunkt.
Vor 1980 hat das NBER den Beginn und das Ende von Rezessionen nicht offiziell datiert.
Hier ein Beispiel:
- Im Juli 1956 erreichte der Markt mit 48,78 seinen Höchststand und begann dann zu fallen.
- Das Wirtschaftswachstum erhöhte sich von 0,9 % auf 3,07 % im Jahr 1957 (keine Anzeichen einer Rezession).
- Im September 1957 rutschte die Wirtschaft in eine Rezession und der Markt war bereits um fast 10 % gefallen.
- Vom Höchststand bis zum Tiefststand fiel der Markt um 17,38 %.
- Das Interessante an dieser Episode ist, dass der Markt 14 Monate im Voraus vor einer Rezession gewarnt hatte.
Wie bereits erwähnt, behaupteten die meisten Medien, Analysten und Ökonomen im Jahr 2007, dass es "keine Anzeichen für eine Rezession" gäbe.
Sie hatten Unrecht.
Heute sehen wir wieder viele der gleichen Warnsignale. Frühindikatoren, inverse Zinsstrukturkurven und die Veränderung der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes signalisieren ein erhöhtes Rezessionsrisiko.
Aus unserer Analyse lassen sich drei Lehren ziehen:
- Die Wirtschaftszahl aus einem aktuellen Bericht wird bei einer zukünftigen Revision nicht gleich bleiben.
- Viel wichtiger als die Zahl selbst sind der Trend und die Veränderungen der Daten.
- "Rekordhochs und -tiefs“ sind nicht ohne Grund Rekordwerte, denn sie markieren historische Wendepunkte in den Daten.
Wir vermuten, dass die Heerschar der WSJ-Ökonomen mit ihren Annahmen wieder einmal falsch liegt.
Leider erhalten wir die Beweise für unsere Vermutung (wieder einmal) erst, wenn es zu spät ist.