Hat sich Gold vom ultimativen "sicheren Hafen", wie wir ihn kennen, in ein Risk-Asset verwandelt?
Diese Frage stellen sich mittlerweile einige Investoren, schließlich ist der Goldpreis am Donnerstag stark unter Druck geraten und hat dabei sogar die psychologisch bedeutende Marke von 1.800 Dollar unterschritten und das, obwohl die Coronavirus-Fälle in Kalifornien weiter in die Höhe schießen.
Typischerweise glänzt Gold, wenn die Wall Street einen lausigen Tag hat. Aber das Zusammenspiel von Risk-On und Risk-Off ist heutzutage nicht mehr so einfach, da der Dollar als sicherer Hafen agiert und somit mit Gold um die Gelder besorgter Anleger konkurrieren kann - insbesondere wenn die Spannungen zwischen den USA und China in den Vordergrund rücken. In der Sitzung am Donnerstag erholte sich der Dollar von den am Vortag erreichten Monatstiefstständen.
Goldpreis lethargisch
Während die US-Notenbank in Alarmbereitschaft ist, um eine weitere Liquiditätskrise wie in den ersten Tagen der Corona-Pandemie zu verhindern, herrscht die weitläufige Meinung, dass Gold im Falle eines erneuten Absturzes der Aktienmärkte ebenfalls kurzfristig crashen könnte - was das gelbe Metall daran hindert, deutlich über die Marke von 1.800 Dollar hinaus zu klettern. Tatsächlich rangierte Gold am Freitag knapp unter dieser runden Kursmarke.
"Gold wird als Riskasset gehandelt, dessen Preis durch einen Anstieg der Liquidität und der Geldmenge definiert ist", sagte TD Securities in einer Notiz am Donnerstag, als der COMEX-Gold-Future um fast 1% nachgab und das, obwohl dem Dow Jones seine viertägige Gewinnserie abriss.
Sofern Gold am Freitag nicht einen Teil dieser Kursverluste wieder wettmacht, droht dem gelben Metall der erste Wochenverlust seit sechs Wochen.
Neue Impulse dringend gesucht
Angesichts des gesamtwirtschaftlichen Umfelds habe das Risk-On-Umfeld unterdessen nur einen begrenzten Einfluss auf die bullishen Gold-Wetten der Anleger gehabt, sagte TD Securities. "Wir gehen davon aus, dass diese üblichen Triebkräfte das Kapital weiterhin dazu treiben werden, sich vor negativen Realrenditen bei Risiko- und Sachwerten zu schützen".
"Daher argumentieren wir, dass Vermögensverwalter nicht über den Handel mit Gold in einem Umfeld mit hoher Risikofreude besorgt sein müssen, sondern stattdessen weiterhin auf negative Schocks für die herrschenden Themen achten sollten, die die Positionierung von Gold in der Vergangenheit nach oben getrieben haben".
Analysten behaupteten, dass der Goldpreis am Donnerstag möglicherweise noch weiter gefallen wäre, wenn er nicht plötzlich als sicherer Hafen nachgefragt worden wäre.
Die USA meldeten am Mittwoch mehr als 67.000 neue Corona-Fälle. Der führende US-amerikanische Experte für Infektionskrankheiten, Dr. Anthony Fauci, sagte, dass die tägliche Zunahme der Fälle ohne entsprechende Maßnahmen bis zu 100.000 erreichen könnte.
Das Virus unterstützt Gold auch weiterhin
Mehr als 3,5 Millionen Amerikaner haben sich mit COVID-19 infiziert, und die Zahl der Todesopfer liegt inzwischen bei über 140.000. Ein neues Modell der University of Washington prognostiziert 200.000 Coronavirus-Todesfälle in den Vereinigten Staaten bis zum 1. Oktober, was weitere Zweifel an der wirtschaftlichen Wiedereröffnung nach dem Shutdown aufkommen lässt.
Mehr als 3,5 Millionen Amerikaner haben sich mit COVID-19 infiziert, und die Zahl der Todesopfer liegt inzwischen bei über 140.000. Ein neues Modell der University of Washington prognostiziert 200.000 Coronavirus-Todesfälle in den Vereinigten Staaten bis zum 1. Oktober, was weitere Zweifel an der wirtschaftlichen Wiedereröffnung nach dem Shutdown aufkommen lässt.
"Die Goldpreise bleiben in einer Spanne gefangen, weil die Unsicherheit in Bezug auf das Virus durch Fortschritte bei den Impfstoffen ausgeglichen wird und die Zentralbanken für den Rest des Sommers eine abwartende Haltung einnehmen", sagte Ed Moya, Analyst bei OANDA.
Moya glaubt jedoch, dass sich die fiskalische Reaktion der Fed und anderer globaler Zentralbanken auf die Pandemie nicht verlangsamen werde, und das sollte den Goldpreis über 1.800 Dollar halten und ihm helfen, die Rekordhochs aus dem Jahr 2011 zu knacken.
"Golds bester Freund waren die gesetzten Konjunkturimpulse, und daran wird es in nächster Zeit sicherlich nicht mangeln".
Die US-Wirtschaft schrumpfte in den ersten drei Monaten des Jahres 2020 um 5%. Dies war der stärkste Rückgang seit der Großen Rezession 2008/09. Grund dafür war, dass die meisten der 50 Bundesstaaten des Landes heruntergefahren wurden, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Obwohl die meisten Unternehmen in den vergangenen zwei Monaten wiedereröffnet haben, warnen Ökonomen immer noch vor einer Rezession im zweistelligen Prozentbereich im zweiten Quartal. Aber die Fed ist fest entschlossen, die Talfahrt abzufedern.
"Die Goldpreis-Rallye hat sich in den letzten Tagen etwas abgekühlt, aber das bedeutet nicht, dass die technische Ausgangslage weniger bullish geworden ist", sagte Christopher Vecchio, unabhängiger Analyst bei DailyFX. "Das fundamentale Argument, dass die Realrenditen niedrig bleiben werden, wenn nicht sogar im negativen Bereich, bleibt ebenfalls bestehen".
Am Ende ist es die Fed, die den Goldpreis antreibt
Vecchio erklärte, dass weder Gold noch Silber in den Jahren 2008 oder 2009 gut gelaufen seien, sondern dass der Großteil ihrer Gewinne in den Jahren 2010 und 2011 erzielt worden sei, als die Fed die Märkte mit umfangreichen geldpolitischen Maßnahmen unterstützte.
Er sagte:
"Insgesamt gesehen ist es wichtig, über den Großen Lockdown (einer der umgangssprachlichen Begriffe zur Beschreibung der gegenwärtigen wirtschaftlichen Malaise) bis hin zur Großen Rezession Überlegungen anzustellen.
"Da die US-Notenbank ihren Leitzins bis 2022 nahe bei Null hält, werden diese Faktoren das Argument der negativen Realrenditen, das die Aufwärtsbewegung bei Gold und Silber in den letzten Monaten befeuert hat, nur noch verstärken".
Moya schließt sich dieser These an:
"Gold wird wahrscheinlich weiterhin Rekordzuflüsse in ETFs verzeichnen, da sich die Sorgen um das Coronavirus weiter verschlimmern werden".
"Der Goldpreis dürfte weiter steigen, weil die US-Geschäftsaktivitäten den größten Teil der Dynamik der Wiedereröffnung verloren haben und viele Investoren erwarten, dass weitere Impulse gesetzt werden müssen, um dauerhafte Schäden am Arbeitsmarkt und damit für die Wirtschaft zu vermeiden".
Disclaimer: Barani Krishnan besitzt oder hält keine Position in den Rohstoffen oder Wertpapieren, über die er schreibt.