Mitte September sah es so aus, als könnte der Anleihemarkt nach einer Reihe von Verlusten in den Jahren 2021 und 2023 endlich einen Aufschwung erleben. Doch seitdem hat der Markt an Schwung verloren. Selbst wenn der Markt sein kleines Plus seit Jahresbeginn halten sollte, könnten festverzinsliche Wertpapiere vor dem Hintergrund sich ändernder Inflationserwartungen vor neue Herausforderungen gestellt werden.
Bis Redaktionsschluss am Freitag (8. November) zeigten eine Reihe von Primärmarkt-ETFs für 2024 positive Zahlen. Besonders Junk-Bonds stachen hervor und erzielten eine Gesamtrendite von über 8 %, während die Investment-Grade-Benchmark (BND) lediglich bei 2,4 % lag – etwa die Hälfte des Zuwachses, den sie Mitte September noch verzeichnete.
Der Grund für die Unsicherheit am Anleihemarkt ist das Reflationsrisiko. Die Stimmung hat sich durch eine Kombination aus robusten Wirtschaftsdaten und der Sorge, dass ein Wahlsieg von Donald Trump die Inflation befeuern könnte, verschlechtert. Trumps politische Pläne – wie höhere Zölle, Steuersenkungen und die mögliche Abschiebung von Millionen Migranten – dürften den Preisdruck verstärken. Die Frage ist nur, wie stark und wie langanhaltend dieser Effekt sein wird, je nachdem, wie weit die Trump-Administration ihre Ziele umsetzt.
Man muss allerdings anmerken, dass der Trend zu nachlassender Inflation laut dem US Consumer Inflation Pulse Index von CapitalSpectator.com schon vor der Wahl erste Anzeichen von Abschwächung zeigte. Dieser Index, der die kurzfristige Inflationsentwicklung anhand der 32 Komponenten des Verbraucherpreisindex misst (höhere Werte zeigen stärkeren Inflationsdruck), stieg deutlich zwischen Mai und August und ließ dann im September wieder nach.
Zurzeit ist es besonders schwierig, die zukünftige Entwicklung abzuschätzen, da Details einer möglichen radikalen Änderung der US-Wirtschaftspolitik ab 2025 noch unklar sind. Infolgedessen verlangt der Markt eine höhere Risikoprämie: Die Rendite der 10-jährigen US-Staatsanleihen stieg bis Freitag um 70 Basispunkte auf 4,31 %. Auch wenn dies im Vergleich zur Spanne des Jahres ein mittleres Niveau darstellt, zeigt der Anleihemarkt deutlich seine Besorgnis über das, was in 2025 auf uns zukommen könnte. Es gibt bislang kaum Anzeichen dafür, dass die jüngste Erholung der Renditen ihren Höhepunkt erreicht hat.
Diese Woche werden die neuesten Inflationsdaten der Verbraucherseite seit Oktober besonders im Fokus stehen, um ein klareres Bild zu bekommen. Die Konsensprognose deutet auf einen Anstieg des 1-Jahres-Trends im Gesamtindex von 2,4 % auf 2,6 % hin, während der Kerninflationsindex stabil bei 3,3 % bleiben dürfte. Beide Werte liegen nach wie vor deutlich über dem Inflationsziel der Fed, das bei 2 % liegt und vorerst unerreichbar scheint.
Letztlich wird die Entwicklung der Inflation stark davon abhängen, wie sich die neue Regierungspolitik von Trump auswirkt. Das bedeutet, dass bis weit ins Jahr 2025 Unsicherheit herrschen wird.
Angesichts dieser Ungewissheit steht der Anleihemarkt vor der Herausforderung, das erneute Risiko steigender Inflation angemessen einzupreisen.
„Wir erwarten nicht nur einen kurzfristigen Inflationsanstieg aufgrund der Trump-Politik, sondern ein strukturell längeres Phänomen,“ warnte ein Mitglied der Geschäftsführung von RBC BlueBay Asset Management.