Obwohl der Goldpreis auf sehr starke 20 Monate zurückblicken kann, dümpelt Silber mit Preisen um 15 US-Dollar aktuell nicht mal 10% über dem großen Tiefpunkt vom Dezember 2015. Dieser Tiefpunkt bedeutete eigentlich eine Trendwende für den gesamten Edelmetallsektor. Zahlreiche Minenaktien haben die damaligen Tiefs nicht mehr wiedergesehen und Gold stand zuletzt in der Spitze knapp 700 US-Dollar höher!
Silber hingegen ist meilenweit von seinem Allzeithoch um 50 US-Dollar entfernt und spielt seit Jahren eher Deflation und Überkapazität. Einer der Hauptgründe für den schwachen Preisverlauf war dabei die Tatsache, dass Silber als Beiprodukt der Kupfer-, Zink-, Blei- und Goldproduktion in großen Mengen quasi nebenbei gefördert wurde. Die großen Rohstoffproduzenten scherten sich beim Silber nicht viel um den zu erzielenden Preis.
Neueste Zahlen deuten nun aber daraufhin, dass gerade die Silberproduktion am stärksten von der Corona Krise betroffen sein könnte. So sind laut einem Bericht von GlobalData vor allem die beiden größten Silber produzierenden Länder Mexiko und Peru von dem durch COVID-19 erzwungen Stillstand betroffen. Die mexikanische Regierung hat die vorübergehende Schließung der Minen bis zum 30. Mai verlängert. Mit der Stilllegung sind 65,8% der jährlichen weltweiten Silberproduktion zumindest vorübergehend nicht am Markt vorhanden. Unternehmen wie First Majestic, Hochschild, Hecla und Endeavour Silver (TSX:EDR) sind davon betroffen.
Ob und wie schnell die Weltwirtschaft in den kommenden Monaten wieder anzieht, ist bislang nicht absehbar. Möglicherweise könnten daher im 3. und 4.Quartal die schlechten wirtschaftlichen Aussichten für weitere Minen-Stilllegungen in der Rohstoffbranche sorgen. Da alleine 55% des Silber-Angebots als Nebenprodukt des Kupfer-, Zink und Bleibergbaus anfallen und das meiste Silber im Gegensatz zu Gold in den letzten Jahrzehnten verbraucht wurde, könnte Silber deutlich knapper werden.
Tageschart Silber in US Dollar – Konsolidierung dürfte zunächst weitergehen
Tatsächlich ist Silber seit unserer Analyse vom 9.April 2020 seitwärts durch den Chart gelaufen und hat sich mit 14,51 US-Dollar auf der Unterseite und 15,85 US-Dollar auf der Oberseite recht gut an die vermutete Handelsspanne gehalten. Diese mehrwöchige Konsolidierung hat erfreulicherweise für eine Bereinigung der überkauften Lage auf dem Tageschart gesorgt, ohne dass ein deutlicher Preisverfall nötig wurde. Vielmehr liefert der Stochastik Oszillator bereits ein neues, wenn auch zaghaftes Kaufsignal. Letztlich scheinen die Silbernotierungen unterhalb der fallenden 50-Tagelinie (15,03 US-Dollar) einfach nur Kraft gesammelt zu haben. Ein Anstieg über diesen gleitenden Durchschnitt könnte daher für einen Befreiungsschlag sorgen und zumindest eine Rally bis zur 200-Tagelinie (16,91 US-Dollar) einleiten.
Möglicherweise benötigen die Silbernotierungen aber noch etwas mehr Zeit. Die Bollinger Bänder haben sich bereits schön zusammengezogen und laufen jetzt parallel. Damit wäre ein sogenannter Bollinger Band Squeeze zu erwarten, bei dem die Volatilität zunächst weiter fällt und die Notierungen in einem engen Band seitwärts laufen. An einem gewissen Punkt hat sich dann soviel Druck aufgebaut, dass es zu einer explosiven Entladung kommt. So wie sich die Lage beim Silber derzeit präsentiert, dürfte diese Bewegung dann in ein paar Wochen nach oben erfolgen.
Insgesamt machen sowohl der Tages- als auch der Wochenchart beim Silber im Vergleich zum Gold eine wesentlich bessere Figur. Eine nochmalige Kurschwäche ist angesichts der saisonal ungünstigen Phase bis in den Sommer hinein nicht auszuschließen. Das „Corona-Crash Tief“ bei 11,61 US-Dollar dürfte aber nur unterboten werden, wenn es an den Finanzmärkten zu einer ernsthaften deflationären Phase kommen sollte. Dank der weltweiten Gelddruckorgien sieht es danach eher nicht aus. Vielmehr sollte langfristig Inflationsdruck aufkommen, welcher in den kommenden Jahren insbesondere dem im Vergleich zum Gold deutlich zurückgebliebenen Silberpreis Flügel verleihen sollte.
Lage am Terminmarkt verbessert sich weiter
Während Silber in den letzten Wochen seitwärts lief, hat sich die Lage am Terminmarkt weiter verbessert. Mittlerweile beträgt die kumulierte Shortposition der professionellen Händler (Marktmacher und Bullion Banks) nur noch 36.857 leerverkaufte Kontrakte. Das entspricht einem Rückgang von gut 10% seit Anfang April, während sich der Preis kaum verändert hat. Noch liegt bei dieser Positionierung kein starkes antizyklisches Kaufsignal vor, eine Bedrohung geht vom Terminmarkt damit aber nicht mehr aus. Vielmehr ist der Silbermarkt hier dem Goldmarkt mittlerweile einen sehr großen Schritt voraus.
Saisonalität liefert in den kommenden zwei Monaten eine gute Kaufchance
Saisonal betrachtet sind die nächsten zwei Monate für den Silberpreis typischerweise noch etwas holprig bzw. schwierig. Gleichzeitig findet der Silbermarkt häufig zwischen Mai und Juli ein wichtiges Jahrestief. Insofern eignet sich in den kommenden Wochen eigentlich jede Preisschwäche für Zukäufe. Alternativ läuft man sonst den steigenden Kursen hinterher, sobald sich der Zug im Sommer wieder in Bewegung setzt.
Kauflimit unterhalb von 14,00 Euro weiterhin aktiv
Das Anfang März genannte Kauflimit unterhalb von 14 Euro hat erneut gegriffen und bietet weiterhin die Chance zu relativ günstigen Einstiegskursen. Wir gehen langfristig von deutlich höheren Silberkursen aus und sehen beim Silber aktuell das beste Chance/Risiko-Verhältnis unter den Edelmetallen. Wichtig ist allerdings, dass Anleger hier einen wirklich langen Zeithorizont mitbringen.
Bitte erwarten Sie bei den Edelmetallen grundsätzlich keine fulminanten Kursgewinne, sondern machen Sie sich nochmals klar, dass es sich bei den Edelmetallen um eine Versicherung gegen dramatische Verwerfungen an den Finanzmärkten handelt! Gerade wegen dem laufenden Crash an den Aktienmärkten und den dadurch bereits absehbaren Geldmengen-Ausweitungen führt an den Edelmetallen als Stabilisator und ruhendem Anker kein Weg vorbei.
Wer noch überhaupt kein Gold und Silber besitzt, sollte zumindest fünf Prozent seines Gesamtvermögens so schnell wie möglich in die Edelmetalle tauschen. Dabei kommt es jetzt nicht auf den besten Preis an, sondern nur auf die Tatsache, dass man es in den eigenen Händen hält.
Autor: Florian Grummes, Technischer Analyst