Seit Jahren dominieren die USA den globalen Rüstungsmarkt, wobei amerikanische Rüstungsriesen wie Lockheed Martin (NYSE:LMT) und RTX Corp (vormals Raytheon (NYSE:RTX)) den Ton angeben. Doch nun scheint Europa, insbesondere seine Waffenhersteller, eine vielversprechende Anlagechance für strategisch denkende Investoren zu bieten.
Ein aktueller, lang erwarteter Bericht von Mario Draghi, dem ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten und früheren Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), macht unmissverständlich klar: Europa muss seine Verteidigungsausgaben deutlich steigern. Der Bericht fordert eine Erhöhung der nationalen Verteidigungsbudgets, eine verstärkte Fokussierung auf Forschung und Entwicklung (F&E) im Verteidigungsbereich und eine Verringerung der Abhängigkeit Europas von US-amerikanischem Militärgerät.
Diese Empfehlungen stehen im Einklang mit den Äußerungen des polnischen Premierministers Donald Tusk, der im März betonte, dass Europa sich in einer "Vorkriegszeit" befinde und dringend in seine Verteidigung investieren müsse.
Für die europäischen Waffenhersteller könnte dies eine lukrative Entwicklung sein – und für Investoren wie Sie bietet sich eine interessante Gelegenheit, von dieser Entwicklung zu profitieren.
Der europäische Verteidigungssektor muss mehr in Forschung und Entwicklung investieren
Draghis Bericht ist ein Weckruf für Europas politische Führung. Obwohl Europa der zweitgrößte Militärausgeber weltweit ist, erzählt dies nicht die ganze Geschichte. Jahrzehntelang haben europäische Länder ihre Verteidigungsbudgets vernachlässigt und waren sowohl bei Technologie als auch bei Ausrüstung stark von den USA abhängig.
In den zwölf Monaten bis Juni 2023 wurden laut Draghis Bericht 78 % der 75 Milliarden Euro (83 Milliarden US-Dollar), die europäische Länder für Verteidigung ausgaben, außerhalb des Kontinents verwendet, wobei 63 % in die Taschen von US-Herstellern flossen. Diese starke Abhängigkeit von ausländischen – vor allem amerikanischen – Waffen hat Europa in einer prekären Lage zurückgelassen.
Draghi unterstreicht diese Schwäche und fordert eine grundlegende Neuausrichtung. Insbesondere die Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F&E) im Verteidigungsbereich sind in Europa alarmierend niedrig: Im Jahr 2022 flossen lediglich 10,7 Milliarden Euro (11,8 Milliarden US-Dollar) in diesen Bereich, was etwa 4,5 % der gesamten Verteidigungsausgaben ausmacht. Im Vergleich dazu geben die USA 140 Milliarden US-Dollar – oder 16 % ihrer Verteidigungsausgaben – für F&E aus. Europa wird seine Abhängigkeit von den USA nur reduzieren können, wenn es in dieser Hinsicht deutlich aufholt, besonders angesichts der anhaltenden Spannungen mit Russland.
Europas Aufrüstung als Investitionschance
Der Russland-Ukraine-Konflikt hat die europäischen Regierungen gezwungen, ihre Verteidigungskapazitäten rasch zu erweitern, und Draghis Bericht hebt die Dringlichkeit dieser Entwicklung hervor. Europa kann es sich nicht länger leisten, bei der Sicherstellung seiner Verteidigungsfähigkeit auf die USA angewiesen zu sein. Angesichts Russlands Ankündigung, seine Armee auf 1,5 Millionen aktive Soldaten zu vergrößern, ist klar, dass Europa seine Verteidigungsstrategie eigenständig ausbauen muss.
Aber jetzt kommt der Knackpunkt: Obwohl die Nachfrage nach militärischer Ausrüstung sprunghaft ansteigt, sind die europäischen Waffenhersteller nicht ausreichend ausgelastet. Draghis Aufruf zum Handeln könnte der Katalysator sein, der ihre Potenziale endlich freisetzt. Deutschland beispielsweise hat seine Waffenexporte in der ersten Hälfte des Jahres 2024 bereits um 30 % erhöht, und Unternehmen wie Rheinmetall (OTC:RNMBY) melden Rekordaufträge. Der Vorstandsvorsitzende von Rheinmetall, Armin Papperger, sagte kürzlich: "Ein solches Wachstum haben wir noch nie erlebt."
Das Düsseldorfer Unternehmen profitiert von den steigenden Verteidigungsausgaben in der Europäischen Union (EU) und der Nordatlantikvertrags-Organisation (NATO) sowie von bedeutenden Aufträgen aus der Ukraine. Die strategische Weitsicht von Rheinmetall - frühzeitige Investitionen in die Wehrtechnik, beginnend im Jahr 2014 mit dem Einmarsch Russlands auf der Krim - hat sich ausgezahlt.
Mit einem erwarteten jährlichen Umsatzwachstum von 2 Milliarden Euro (2,2 Milliarden US-Dollar) in den kommenden Jahren ist Rheinmetall meines Erachtens ein solider Kandidat für alle, die von der Wiederaufrüstung Europas profitieren wollen. (Deutschland hat diese Woche angekündigt, dass es die Waffenexporte nach Israel vorübergehend aussetzen wird, während es sich mit "juristischen Problemen" befasst, berichtet Reuters).
Dann ist da noch Thales (OTC:THLLY), einer der größten französischen Rüstungskonzerne. Aufgrund steigender Militärbudgets verzeichnete das Unternehmen im Jahr 2024 Rekordaufträge. Die Gewinnmarge vor Zinsen und Steuern (EBIT) erreichte in der ersten Jahreshälfte ein neues Rekordhoch von 11,5 %.
Thales hat vor kurzem drei Aufträge im Wert von jeweils über 500 Millionen Euro (556 Millionen US-Dollar) erhalten und ist damit einer der am besten positionierten Rüstungswerte Europas. Wir glauben, dass die Mischung aus fortschrittlicher Verteidigungstechnologie und einem breit gefächerten Portfolio das Unternehmen zu einer potenziell attraktiven Option für Anleger macht, die sowohl Wachstum als auch Stabilität suchen.
Verstärkter Kapitalfluss in den Verteidigungssektor
Noch überzeugender ist der Zustrom von privatem Beteiligungs- und Risikokapital in den Verteidigungssektor. Bis zum 1. September 2024 wurden nach Angaben von S&P Global in 25 Finanzierungsrunden fast 2,6 Milliarden US-Dollar investiert, was die Gesamtsumme des Jahres 2023 übertrifft.
Dieser Kapitalfluss steht im Kontrast zu den allgemeinen Rückgängen der Risikokapitalfinanzierung in anderen Branchen in diesem Jahr. Es ist offensichtlich, dass die Verteidigung immer mehr in den Fokus von Investoren rückt, und dieser Trend wird sich angesichts der steigenden Militärausgaben Europas weiter verstärken.
Die US-Präsidentschaftswahl als Joker
Ein Joker in dieser Gleichung sind die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen in den USA. Die Analysten von Alpine Macro gehen davon aus, dass ein Sieg von Donald Trump zu einer Verringerung der globalen geopolitischen Risiken führen könnte. Im Falle seiner Wiederwahl könnte der ehemalige Präsident die Ukraine dazu drängen, ein Friedensabkommen mit Russland auszuhandeln, was den Konflikt deeskalieren und die Verteidigungsaussichten Europas stabilisieren könnte.
Eine Präsidentschaft von Kamala Harris hingegen könnte die Spannungen verschärfen, da ihre Unerfahrenheit möglicherweise Länder wie Russland und China ermutigen würde, die Entschlossenheit der US-Regierung auf die Probe zu stellen, so Alpine Macro.
Obwohl die USA mehr für ihr Militär ausgeben als die nächsten neun Länder zusammen, erwägen sie, wie auch Europa, eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben, um den neuen geopolitischen Herausforderungen zu begegnen. Jane Harman, Vorsitzende der Nationalen Verteidigungsstrategie (NDS), empfahl in dieser Woche vor dem Kongress, dass die USA "zu den Ausgaben für die Landesverteidigung im Verhältnis zurückkehren sollten, wie wir es im Kalten Krieg getan haben".
Das wäre eine dramatisch Entwicklung. Die USA geben derzeit 3,7 % ihres BIP für die Landesverteidigung aus, ein deutlicher Rückgang gegenüber den 15 bis 16 %, die sie auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges in den frühen 1950er Jahren ausgaben.
Unabhängig von den Entwicklungen in den USA wird Europa seine Verteidigungsausgaben erhöhen müssen, um sich unabhängiger von den USA zu machen.
Der Draghi-Bericht sollte den Anlegern als Weckruf dienen. Die europäischen Staaten werden sich der Tatsache bewusst, dass sie ihre eigenen Verteidigungskapazitäten ausbauen müssen, und Rüstungshersteller wie Rheinmetall, Thales und andere sind bereit, davon zu profitieren. Der Krieg in der Ukraine scheint kein Ende zu nehmen und die geopolitischen Risiken bleiben hoch. Für Anleger bietet sich also somit eine weiterhin attraktive Gelegenheit, europäische Verteidigungsaktien in ihre Portfolios aufzunehmen.
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Die Bestände können sich täglich ändern. Die Bestände werden zum jeweils letzten Quartalsende angegeben. Zum 30.06.24 wurden keine der besprochenen Anlagen in einem von U.S. Global Investors verwalteten Konten gehalten.