- Nach einer erstaunlichen Rallye im vergangenen Jahr hat die Tesla-Aktie an Schwung verloren.
- Die laue Reaktion der Aktie auf die imposanten Q2-Zahlen lässt darauf schließen, dass das Bull-Case allmählich an Gültigkeit verliert.
- Der Mangel an Chips und die aufkommende Konkurrenz sind mögliche Faktoren, die Tesla in diesem Jahr unter Druck setzen könnten.
In letzter Zeit haben Tesla-Aktien (NASDAQ:TSLA) offenbar an Magie verloren. Die Aktie reagiert nicht mehr auf jede ach so tolle Entwicklung und frustriert Anleger, die durch ihre Treue zum größten Elektroautohersteller der Welt ein Vermögen gemacht haben.
Das aktuellste Beispiel für den schwindenden Optimismus war die Bekanntgabe der Tesla-Quartalsergebnisse am 26. Juli. Die Aktien des Unternehmens sackten nach dem Zahlenwerk, das die Konsensschätzungen der Analysten deutlich übertraf, um mehr als 4 % ab.
Im Verlauf des Quartals, in dem der in Kalifornien ansässige Autobauer mit 201.250 Fahrzeugen einen neuen Produktionsrekord aufstellte, verdreifachte sich der Gewinn auf bereinigter Basis auf 1,45 Dollar je Aktie und stellte damit die Schätzungen der Analysten (0,97 Dollar) in den Schatten. Es war außerdem das achte profitable Quartal in Folge für Tesla.
Teslas Nettogewinn im zweiten Quartal entsprach in etwa dem der letzten vier Quartale zusammen. Das Unternehmen meldete für den Zeitraum bis zum 30. Juni einen Umsatz von rund 12 Milliarden US-Dollar, fast doppelt so viel wie im entsprechenden Vorjahreszeitraum.
Trotz dieser hohen Gewinndynamik sprang die Aktie nicht mehr so kräftig wie früher bei jeder positiven Nachricht in die Höhe. TSLA ist in den letzten fünf Tagen bis zum gestrigen Börsenschluss um weniger als 6 % gestiegen. Seit dem Rekordhoch im Januar sind die Tesla-Aktien um fast 23 % gefallen.
Was also veranlasst die Anleger dazu, einen Bogen um den Tech-Liebling zu machen, obwohl die Finanzkennzahlen des Unternehmens einen großartigen Turnaround gezeigt haben?
Unserer Meinung nach sind sowohl kurz- als auch langfristige Faktoren im Spiel, die Tesla-Enthusiasten dazu veranlassen, sich an die Seitenlinie zu begeben. Im Folgenden stellen wir drei wichtige Katalysatoren vor, die den Elektroautohersteller derzeit zu einer riskanten Wette machen und unsere Ansicht stützen, dass Tesla in diesem Umfeld kein Kauf ist:
1. Der Chip-Mangel
Die weltweiten Chip-Engpässe, die die Produktion vieler Autohersteller beeinträchtigt haben, beginnen auch Tesla in die Zange zu nehmen. Während der Telefonkonferenz zu den Geschäftsergebnissen teilte Tesla den Anlegern mit, dass das künftige Wachstumstempo des Unternehmens den anhaltenden Herausforderungen in der Lieferkette nicht entkommen kann.
So hat das Unternehmen beispielsweise Schwierigkeiten, neue Modelle auf den Markt zu bringen und Teile für alle seine Fahrzeuge zu beschaffen. Tesla musste den Verkaufsstart seines Semi-E-Trucks erneut verschieben - der bereits zwei Jahre in Verzug ist. Die ersten Lieferungen sind nun für 2022 geplant. Das Unternehmen begründete die Verzögerung mit Problemen in der Lieferkette und der begrenzten Versorgung mit Batteriezellen sowie mit dem Versuch, sich auf die Inbetriebnahme neuer Fabriken zu konzentrieren.
Die Pläne des Unternehmens für seinen ersten Pickup, der bereits in diesem Jahr an die Kunden ausgeliefert werden sollte, seien ebenfalls wegen Bauteil-Problemen beeinträchtigt worden, sagte Firmenchef Elon Musk in einer Telefonkonferenz, ohne einen neuen Termin für die erste Auslieferung zu nennen.
Wie lange die Probleme bei der Chipversorgung noch andauern werden, lässt sich derzeit nur mutmaßen. Einem aktuellen Bericht des Wall Street Journal zufolge versuchen die Chiphersteller das Angebot zu erhöhen, indem sie ihre Herstellungsverfahren ändern, freie Kapazitäten für Konkurrenten freigeben, Kundenbestellungen überprüfen, um Hamsterkäufe zu verhindern, und Produktionslinien umstellen. Die schlechte Nachricht: Es gibt keine schnellen Lösungen, da der Aufbau neuer Produktionskapazitäten in der Regel Jahre dauert.
2. Die Konkurrenz schläft nicht
Eine weitere Bedrohung für Teslas Vorherrschaft auf dem Markt für Elektrofahrzeuge geht von neuen Wettbewerbern aus. Insgesamt fünf der größten Automobilhersteller - Daimler (OTC:DDAIF), Ford (NYSE:F), General Motors (NYSE:GM), Stellantis (NYSE:STLA) und Volkswagen (OTC:VWAGY) - haben laut Bloomberg jeweils Pläne vorgelegt, in den nächsten fünf bis zehn Jahren durchschnittlich 6,5 Milliarden Dollar jährlich für die Elektrifizierung auszugeben.
Im April brachte VW (DE:VOWG) sein neues Modell Audi Q4 e-tron auf den Markt, um so mit Tesla auf dem schnell wachsenden Markt der kompakten Crossover-SUVs zu konkurrieren. Das von Audi entwickelte Elektroauto ist eines von einem ganzen Dutzend Fahrzeugen, die der deutsche Autohersteller plant, darunter der ID.4 von VW und eine Elektroversion des Porsche (DE:PSHG_p) Macan. VW will in diesem Jahr rund 600.000 rein batteriebetriebene Autos auf die Straße bringen.
Während traditionelle Autohersteller wie Volkswagen und GM ihre Anstrengungen im Bereich der Elektrofahrzeuge verstärken, buhlen auch kleinere chinesische Unternehmen wie Nio (NYSE:NIO) und Xpeng (NYSE:XPEV) um technikaffine Kunden.
Medienberichten zufolge will GM seine Elektroauto-Pläne im Laufe dieses Jahres beschleunigen. So sollen ein Hummer Pickup und ein Cadillac Lyriq Sport Utility Vehicle von den Produktionsbändern des Detroiter Autobauers rollen. Ein elektrischer Chevy Silverado Pickup ist ebenfalls in Planung.
In China ist der preisgünstige Hongguang Mini EV, den GM zusammen mit zwei Staatskonzernen herstellt, ein Riesenerfolg. Seit der Markteinführung im Juli letzten Jahres wurden mehr als eine Viertelmillion dieser Modelle verkauft. Damit hat es internationale Konkurrenten wie das Model 3 von Tesla und lokale Wettbewerber wie den Ora Black Cat von Great Wall (OTC:GWLLY) ausgestochen.
3. Die überhöhte Bewertung
Die Bewertung von Tesla hat auch unter den Top-Analysten an der Wall Street für viel Gesprächsstoff gesorgt.Diejenigen, die Tesla für eine stark überbewertete Aktie halten, argumentieren, dass das Unternehmen keinen Spielraum für Fehler hat, solange die Aktie so perfekt bepreist ist.
JPMorgan (NYSE:JPM), das Tesla mit einem Kursziel von 160 US-Dollar untergewichtet hat, sagte in einer kürzlich veröffentlichten Notiz:
"Wir tun uns weiterhin schwer, die Bewertung von TSLA zu rechtfertigen, die höher ist als die aller anderen großen Autohersteller zusammen und anscheinend ein riesiges Volumen und eine branchenführende Rentabilität für die Zukunft impliziert, was historisch beispiellos ist."
Diese pessimistischen Einschätzungen sollten jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele Analysten der Meinung sind, dass Tesla mehr als nur ein Autohersteller ist und die Aktie noch mehr Potenzial besitzt.
Nach Auffassung von Morgan Stanley-Analyst Adam Jonas sollte Tesla nicht als traditioneller Autohersteller bewertet werden. Mit der zunehmenden Vernetzung von Autos über das Internet eröffnen sich viele weitere adressierbare Märkte, und Tesla ist gut positioniert, um diese neuen Geschäftschancen zu nutzen.
Jonas sagte in einem Bloomberg-Bericht:
"Dabei vergleicht man Tesla nicht mehr mit Autofirmen, sondern eher mit Software-as-a-Service-Unternehmen."
Diese Divergenz spiegelt sich auch in der Umfrage von Investing.com unter Analysten zum Aktienkurs von Tesla wider. Von 35 Analysten bewerten 15 die Aktie mit "Buy", 12 mit "Neutral" und acht mit "Sell", wobei das 12-Monats-Kursziel bei 730,59 US-Dollar liegt.
Grafik: Investing.com
Für Anleger, die sich bei kurzfristigen Anlageentscheidungen auf technische Signale stützen, geben die gängigsten Indikatoren - gleitende Durchschnitte, Oszillatoren und Pivots - derzeit ein Kaufsignal, insbesondere nach dem starken Gewinnwachstum von Tesla.
Fazit zur Tesla-Aktie
Tesla ist in den letzten Jahren der einzige ernstzunehmende Akteur auf dem Markt für hochwertige Elektroautos geblieben, aber diese Ausgangslage ändert sich mit dem Eintritt neuer Akteure und den massiven Investitionsplänen der etablierten Autohersteller schnell. Angesichts dieser Dynamik ist die aktuelle Bewertung des Unternehmens nicht mehr zu rechtfertigen, denn diese unterstellt, dass Tesla zum größten Autoverkäufer in den USA aufsteigt, während seine Wettbewerber keinen Stich setzen können.