Mit einer Inflationsrate von mittlerweile über 80% ist die Türkei eines der Länder, die am meisten unter Preisanstiegen leiden. Laut einigen Statistiken führt sie sogar die diesjährige Liste mit dieser Zahl an. Das sind aber nur Detailfragen, denn in dem Land führt dieser Zustand zu einem wirtschaftlichen Chaos, weswegen nun auch ein gesellschaftliches Chaos drohen könnte. Kaum ein Gehalt kann mit den steigenden Preisen mithalten und selbst Ausländer haben, trotz schwacher türkischer Lira, Schwierigkeiten über die Runden zu kommen. Während überall auf der Welt aber die Zinsen als Antwort auf die Inflation steigen, sinken sie in der Türkei. Was steckt dahinter?
Zweistellige Inflationszahlen sind dieses Jahr in so gut wie allen Wirtschaften anzutreffen. Somit muss man sagen, dass das, was vorher „normal“ war, nicht mehr gilt. Aber einem Anstieg von über 80% hält keine Wirtschaft lange Stand. Die Türkei ist bereits in den letzten Jahren ans Ende der G20-Liste gerutscht und die aktuelle Lage dürfte nicht dazu beitragen, dass sich das westasiatische Land schnell erholen kann. Die Zentralbank geht dabei auch einen recht ungewöhnlichen Weg, denn der Leitzins, welcher letztes Jahr noch bei 19% stand, wurde letzte Woche nochmals um 100 Basispunkte auf 13% gesenkt. Nicht, dass diese Zinssätze irgendwie niedrig wären, aber die großen Sprünge in die entgegengesetzte Richtung lässt Ökonomen die eine oder andere Augenbraue heben.
Normalerweise heben Zentralbanken die Zinsen an, um den Preis des Geldes zu erhöhen. Dadurch, dass die Beleihungskosten von Kapital steigen, sinkt die Nachfrage und somit das Geld im Umlauf. Das macht jede Einheit des Geldes wertvoller und somit kaufkräftiger. In der Türkei geht man aber anders an das Problem heran. Da es dort bereits ein großes Handelsdefizit gibt, fürchtet man, dass noch höhere Zinsen zukünftig zu Entwicklungsproblemen führen könnten. Wenn nämlich das Geld teurer ist und Unternehmer weniger Geld leihen, um zu investieren, so können sich die Geschäftsfelder nicht so gut entwickeln. Im mehrstelligen Millionenbereich machen bereits Dezimalveränderungen im Zinssatz auf die gesamte Laufzeit gerechnet Unmengen an Mehrkosten aus.
Wenn man in einem Handelsdefizit die Zinsen erhöht, senkt man so zwar die Preise wieder, aber die Investitionen gehen zurück, sowie die Exportkraft, weil die Preise nicht mehr wettbewerbsfähig bleiben. Diesen letzten Punkt verstärkt man zudem noch, da durch höhere Zinsen Anreize für ausländische Investoren entstehen, ihr Geld in das Land zu schicken, wodurch wiederum die Währung gestärkt wird. Starke Währungen sind jedoch generell eher kontraproduktiv für Exporte, da sie höhere Preise für ausländische Abnehmer bedeuten.
Auch wenn die Herangehensweise in der Türkei ungewöhnlich ist, kann sie Früchte tragen. Wenn die Investitionen gewinnbringend kanalisiert werden können und sich die Exportlage bessert, kann sich das Land trotz aktueller Schwäche künftig stark positionieren und dabei sogar die schwächelnde Währung wieder aufbauen. Geht der Plan aber nicht auf, sprich wenn die Geldmenge einfach ohne Ziel erweitert wird, dürfte man sich über die aktuellen 80% Inflation und ₺18 pro Euro noch freuen. Wichtig ist also, dass die Produktionsseite stark in den Fokus rückt und auch das Thema Innovation angetrieben wird. Hier hat die Türkei vor allem im E-Commerce-Bereich und in der Rüstungsindustrie großes Potenzial. Dazu aber an anderer Stelle mehr!
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