- Letzte Woche setzten die USA den Iran wieder unter Wirtschaftssanktionen
- Folgesanktionen gegen europäische Firmen, die im Iran Geschäfte tätigen, könnten Milliarden kosten
- Ausnahmen oder ein Gesetz der EU könnte die Folgen abschwächen
- Ein Erfolg der USA, den Iran zu einer Neuverhandlung zu bewegen, könnte die Sanktionen hinfällig machen
Die Investoren analysieren weiter die Auswirkungen der Entscheidung von US-Präsident Donald Trump aus der letzten Woche, die USA aus dem Nuklearabkommen mit dem Iran aussteigen zu lassen. Dieses hatten in 2015 zu einer Aufhebung der Sanktionen gegen das Land im Nahen Osten geführt, im Gegenzug hatte der Iran seine Entwicklung von Nuklearwaffen aufgegeben. Es sind nicht nur die Ölmärkte, die betroffen sein werden. Auch dürfte der Schritt des Präsidenten Auswirkungen auf europäische Firmen haben, in der Form von "Folgesanktionen", die die Vereinigten Staaten gegen sie einsetzen wollen, sollten sie weiter in dem Land Geschäfte machen.
Durch Aufkündigung des Deals mit dem Iran hat Trump effektiv die Wirtschaftssanktionen gegen den Iran wieder aufleben lassen. Dies tat er in der Form eines Nationalen Sicherheitsmemorandums des Präsidenten (National Security Presidential Memorandum), das am 8. Mai erlassen wurde und in dem er anwies “die Teilhabe der Vereinigten Staaten am Gemeinsamen Aktionsplan (Joint Comprehensive Plan of Action, JCPOA) zu beenden und zusätzliche Maßnahmen gegen den schädlichen Einfluss des Irans zu unternehmen und dem Iran alle Wege zu einer Nuklearwaffe zu verschließen.”
Allerdings, das Ende des JCPOA wird auch auf nicht-iranische Firmen, die in der Region Geschäfte machen, durchschlagen, wie in einem Report des wissenschaftlichen Dienstes des US-Kongress (Congressional Research Service) deutlich wird:
“Die Aktion setzt eine Wiederaufnahme der unilateralen Wirtschaftssanktion in Gang, was US-Unternehmen betrifft und auch Folgesanktionen einschließt, die Geschäftsverbindungen mit anderen Ländern, die mit dem Iran handeln oder dort investieren, zum Ziel haben.”
Mit der deutlichen Ausnahme des US-Flugzeugherstellers Boeing (NYSE:BA), der einen Deal zur Lieferung von 80 Flugzeugen mit einem Listenpreis von 19 Mrd USD IranAir unterzeichnet hat und 30 weitere Flugzeuge an die iranische Aseman Airlines im Wert von 3 Mrd USD nach Listenpreisen liefern wollte, waren es vorrangig europäische Firmen, die in den Iran gingen, um von dem Abkommen von 2015 zu profitieren.
Boeing hat schon versprochen der Vorgabe der US-Administration zu folgen. Vorstandschef Dennis Mullenburg hat schon im April angedeutet, dass der Flugzeugbauer nicht mehr so abhängig wie früher vom Iran-Geschäft ist, dank aggressiver Verkaufsanstrengungen für die laufende Generation des 777-300ER, dem Flugzeugtypen, um den es in den Vereinbarungen ging.
Folgen für Europa
“Die US-Sanktionen gegen den Iran betreffen kaum US-Unternehmen, sondern sind in erster Linie gegen europäische gerichtet." stellt der Vizechef des European Council on Foreign Relations Carl Bildt fest..
Trotz der großen Anzahl von europäischen Unternehmen, die in der Region in 2015 Verträge abschlossen, bleibt der Gesamteffekt der neuerlichen Folgesanktionen unklar. Abhängig von der Branche haben europäische Firmen 90 bis 180 Tage—d.h. bis zum 9. August oder 4. November—ihre Verträge aufzukündigen oder sich direkten Sanktionen aus den USA auszusetzen. Alle amerikanischen Dependancen dieser Unternehmen würden damit die US-Gesetze verletzen und Strafgeldern entgegensehen, während Unternehmensteile, die außerhalb der USA sind, von jeglichem Handel mit den USA ausgeschlossen wären, in einer Politik des “with us or against us”.
Die Liste möglicherweise betroffener Firmen aus Europa ist lang, mit Verträgen über Milliarden Euros auf dem Spiel. Der Handel zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Iran erreichte letztes Jahr 3,4 Mrd Euro (4,1 Mrd USD), so der Außenhandelsverband BGA, was das Nachrichtenmagazin Der Spiegel veranlasste, das Thema (unten) auf das Titelbild seiner jüngsten Ausgabe zu setzen, die die Geschichte unter der Überschrift "Die Demütigung" illustrierte.
Beispiele von Unternehmen im Kreuzfeuer sind: Die europäischen Energiegiganten Total (PA:TOTF) und Royal Dutch Shell (LON:RDSb), die beide laufende Verträge mit dem Iran haben; die Autobauer Renault SA (PA:RENA) und PSA Peugeot Citroen (PA:PEUP), die in dem Land Fahrzeuge herstellen, wie auch Volkswagen (DE:VOWG), das erst im letzten Jahr Exporte in das nahöstliche Land aufnahm.
Allerdings, die am meisten diskutierte Bedrohung europäischer Unternehmen betrifft den Kontrakt von Airbus (PA:AIR) zur Lieferung von 100 Flugzeugen an die staatliche Fluggesellschaft IranAir, in einem Deal der nach Listenpreisen 19 Mrd USD wert ist. Ein kleinerer Vertrag über 20 Flugzeuge ist ebenfalls unterzeichnet, mit dem französisch-italienischen Hersteller von Propellerflugzeugen ATR.
Ausnahmen und Gesetzgebung hängen immer noch in der Luft
Dennoch, bisher ist nichts in Stein gehauen. Zum jetzigen Zeitpunkt haben europäische Firmen die Option Sondergenehmigungen der USA zu beantragen, um weiterhin in dem Land Geschäfte treiben zu können, auch wenn Vertreter der amerikanischen Seite noch nicht klargemacht haben, ob diese bewilligt würden oder nicht. Total bekam eine Sondererlaubnis, damals in den 90ern und sein CEO hat im April angedeutet, er werde versuchen wieder eine Ausnahmebewilligung zu erhalten.
Hinzu kommt, in ähnlichen Situationen hat die Europäische Union in der Vergangenheit gedroht, Vergeltungsmaßnahmen einzuleiten, als die USA in 1996 versuchten, Unternehmen mit Geschäften in Kuba zu sanktionieren. Damals schreckten die Vereinigten Staaten zurück.
Der EU-Botschafter in den USA hat auch nahegelegt, dass Europa eine "blockierende Regulierung" beginnen könnte, eine Maßnahme, die es allen europäischen Unternehmen verbieten würde, die US-Sanktionen umzusetzen und Gerichtsentscheidungen zur Umsetzung amerikanischer Strafgelder die Anerkennung verweigern würde. Die Regierungschefs der europäischen Staaten sollen den Erwartungen nach, am 17. Mai auf ihrem Gipfel in Sofia die endgültige Entscheidung dazu fällen.
Neuverhandlungen könnten die Sanktionen schnell beenden
Am vergangenen Sonntag sagte der nationale Sicherheitsberater des Weißen Hauses John Bolton, “es ist möglich”, dass Folgesanktionen gegen europäische Firmen erlassen werden, als Ergebnis des Rückzugs der Vereinigten Staaten vom Nuklearabkommen mit dem Iran. Bolton sagte CNN, er glaube einige Verbündete in Europa könnten letztlich wie die Vereinigten Staaten aus der Vereinbarung aussteigen, auch wenn mögliche Sanktion gegen Unternehmen von "dem Verhalten anderer Regierungen" abhinge.
US-Außenminister Mike Pompeo sagte dem Nachrichtensender Fox News am Sonntag, er habe weiter Hoffnung, dass Washington und seine Verbündeten einen neuen Nukleardeal mit dem Iran zustande bekommen werden. US-Finanzminister Steven Mnuchin hat schon jetzt angedeutet, dass der Rückzug vom Abkommen als Schritt angelegt ist, um den Iran zurück an den Verhandlungstisch zu bewegen. “Diese Sanktionen werden alle großen Industriezweige (im Iran) treffen. Sie sind sehr starke Sanktionen” sagte Mnuchin letzte Woche.
Und tatsächlich geht es in dem Überblick der Sanktionsumsetzung vom US-Finanzministerium besonders um die weitreichende Natur der Sanktionen, die weit über die schon erwähnten Unternehmen im Automobilbau, der Luftfahrt und der Ölindustrie hinausgehen. Neben Sanktionen aufGold, Edelmetalle, Dollartransaktionen, iranische Staatsanleihen und die Landeswährung, werden die Sanktionen auch Aluminium und Stahl, Kohle, Software zur Integration von industriellen Prozessen, Hafenbetreiber, Reedereien, Schiffbau, Finanztransaktionen, (Rück)Versicherungen und den gesamten Energiesektor umfassen.
“Sie funktionierten das letzte Mal. Deswegen kam der Iran an den Verhandlungstisch.” fügte Mnuchin in einer klaren Absichtserklärung der US-Administration hinzu.
Bis die endgültigen Details in trockenen Tüchern sind, bleiben die Folgen für europäische Firmen unklar, sowohl im Hinblick auf welche Unternehmen Ausnahmegenehmigungen bekommen und wie die EU reagieren wird, wenn ihre Unternehmen keine solche erhalten.
Gestern berichtete das Wall Street Journal, dass mehrere "...europäische Firmen mit dem Abzug von Investitionen und der Aufgabe von Projekten im Iran begonnen haben" wie Total, das deutsche Energieunternehmen Wintershall, dessen Konzernmutter BASF (BO:BASF) stark in den USA engagiert ist und Maersk (CO:MAERSKb), die dänische Reederei, die angekündigt hat, sie werde "keine Aufträge für die Verschiffung iranischen Öls mehr annehmen". Torm (CO:TRMDa), eine weitere dänische Ölreederei nimmt ebenfalls keine Neuaufträge mehr herein.
Andere europäische Firmen, wie Daimler (DE:DAIGn), Siemens (DE:SIEGn), die österreichische Oberbank (VIE:OBER) und die britische Serica Energy (LON:SQZ) haben gesagt, es sei zu früh, um die Folgen zu kennen. Jede von ihnen analysiert immer noch das von Unsicherheit geprägte Umfeld, bevor sie sie Entscheidungen trifft.
Idealerweise könnte Trumps Verhandlungstaktik den Iran zurück an den Verhandlungstisch bringen, eine neue Vereinbarung ausgearbeitet werden und Sanktionen nur vorübergehend wären. Während das unwahrscheinlich scheint, gibt es immer noch Hoffnung für europäische Unternehmen, einen Weg zur Minimierung der Milliarden an Euros an Schäden zu finden, die ihnen von dieser jüngsten politischen Entwicklung eingebrockt wurden.