Analysten rechnen damit, dass der Preis für seetransportiertes Eisenerz im ersten Halbjahr 2024 auf bis zu 150 US-Dollar pro Tonne steigen wird. Aktuell liegt der Preis bei gut 130 USD und damit fast 30 % höher als ein Jahr zuvor. Von den 232,5 USD im Mai 2021 ist der Preis allerdings noch weit entfernt.
Die Ursachenforschung führt nach China. "Die Preisstabilität wird aufgrund der positiven Stimmung über die Hoffnungen auf Konjunkturimpulse auf dem chinesischen Festland, sinkender Hafenbestände und einer starken Nachfrage aus den Nicht-Immobiliensektoren des Landes, einschließlich Maschinen, Schifffahrt, Autos und Infrastruktur, anhalten", kommentierte BMI Research kürzlich.
China könnte in diesem Jahr so viel Eisenerz importieren wie noch nie – möglich ist aber auch, dass 2023 nur das zweitstärkste Jahr nach 2020 wird. Auch außerhalb Chinas wird der Rohstoff nachgefragt: "Außerhalb Chinas wird erwartet, dass sich die Eisenerznachfrage im Jahr 2024 verbessert, was auf die robuste Nachfrage in Indien und eine gewisse Erholung des in den letzten zwei Jahren in Europa verlorenen Bodens zurückzuführen ist", sagte David Cachot von Wood Mackenzie.
China fürchtet steigende Eisenerzpreise
Wenn es um Eisenerz geht, steht China jedoch im Mittelpunkt des Geschehens. Die Volksrepublik ist der Hauptverursacher der steigenden Eisenerzpreise – und der Hauptleidtragende. Die jüngsten Preisanstiege sind maßgeblich auf Pekings Maßnahmen zur Wiederbelebung des angeschlagenen Immobilienmarktes zurückzuführen. Der Immobilienmarkt ist für die Stahlnachfrage von entscheidender Bedeutung.
China ist abhängig von Eisenerzimporten aus dem Ausland – und muss damit eine hohe Rechnung für die steigenden Weltmarktpreise zahlen. Rund 70 % des Bedarfs wurden im vergangenen Jahr durch Lieferungen aus Australien gedeckt. Peking hatte zwar in der Vergangenheit öfter eine höhere heimische Produktion und eine Diversifizierung der Importe angekündigt. Bislang bleibt es aber bei der Abhängigkeit von Down Under.
Für die chinesische Stahlindustrie kommt der jüngste Anstieg der Eisenerzpreise zur Unzeit. Die Branche kämpft mit der nach wie vor schwelenden Krise am Immobilienmarkt und dadurch bedingt schwacher Nachfrage. Auch steigende Kosten belasten derzeit stark.
Chen Leiming, Generalsekretär der China National Association of Metals, brachte die Gemengelage im Rahmen einer Branchenveranstaltung in der letzten Woche auf den Punkt: "Die Stahlnachfrage ist zurückgegangen, die Preisschwankungen haben zugenommen und die Gewinnmargen der Unternehmen sind gesunken. Der von der Immobilienbranche betroffene Baustahlmarkt befindet sich in einem Abschwung, der Lieferkettenunternehmen vor große Herausforderungen gestellt hat".
Auch wenn die chinesische Wirtschaft in diesem Jahr um etwa 5 % und im kommenden Jahr um etwa 4 % wachsen soll, ist das Reich der Mitte ökonomisch nicht mehr so unverwundbar wie in der Vergangenheit. Insbesondere geben die Staatshaushalte die früher üblichen, hohen Infrastrukturinvestitionen nicht mehr her – schon gar nicht, wenn diese Investitionen durch hohe Eisenerzpreise noch deutlich teurer werden.
Peking will mit Interventionen den Eisenerzpreis drücken – vergebens
Die Politik in Peking reagiert, wie sie immer reagiert: In der vergangenen Woche gab es eine Reihe von Interventionen chinesischer Regulierungsbehörden, um angeblich illegale Aktivitäten auf dem Eisenerzmarkt zu unterbinden.
So warnte die Nationale Entwicklungs- und Reformkommission (NDRC), letzte Woche, dass sie die Aufsicht über den Spot- und Terminhandel verschärfen und die Aktivitäten genau überwachen werde. Die Behörde sprach von preistreibenden "illegalen Aktivitäten" und untersucht offenbar auch die Rolle von Terminhändlern bei der jüngsten Kursrallye.
Neu ist diese Vorgehensweise nicht: Bergbaumanager berichten, dass chinesische Regulierungsbehörden fast jedes Mal, wenn es zu einem starken Preisanstieg kommt, Händler und Führungskräfte von Stahlwerken zu einem Gespräch einladen. Den Eisenerzpreis scheint dies jedoch nicht zu beunruhigen.
Nicht nur Staaten, sondern auch Unternehmen versuchen, ein Stück weit unabhängig von den schwankenden Eisenerzpreisen zu werden. Nippon Steel versucht, den Selbstversorgungsgrad bei Eisenerz von aktuell 20 % auf rund 40 % zu erhöhen.
Executive Vice President Takahiro Mori erläuterte, mit dem Schritt sollte der Einfluss der Rohstoffpreise auf die Marktprodukte des Unternehmens reduziert werden. Aktuell bezieht das Unternehmen 20 % seiner 50 Millionen Tonnen Eisenerzimporte aus eigenen Beteiligungen.