Wann haben Sie das letzte Mal einen Beitrag über China gelesen, in dem China für irgendetwas gelobt wurde? Wahrscheinlich noch nie. Klar, politisch und sozial wird man da wenig finden, aber auch im wirtschaftlichen Kontext kommt da nicht ein lobendes Wort in den Umlauf. Vielmehr erörtern die meisten Unternehmen, wie sich China entwickeln wird und wie man sich unabhängig von China machen kann. Dabei hat der CEO von Bosch, Stefan Hartung, die wahrscheinlich gesündeste Einstellung zur asiatischen Volksrepublik: Weniger auf die Risiken des Chinageschäfts schauen und die Wettbewerbsfähigkeit in Europa steigern.
Letzte Woche antworte Hartung auf die Frage der Risikominimierung des Chinageschäfts mit einer Gegenfrage bezüglich der jüngsten Bemühungen um den europäischen Binnenmarkt. Hier sei in der nahen Vergangenheit wenig auf europäischer Ebene passiert. Er fügte hinzu, dass es in einigen Konstellationen günstiger für Unternehmen sei, im europäischen Ausland zu agieren als in der EU selbst. Hier müsse man anpacken und nicht ständig über die Flucht europäischer Unternehmen nach China grübeln. Seine Aussagen kommen in einer Zeit, in der immer mehr europäische Staaten Bedenken über die massive Abhängigkeit regionaler Unternehmen vom chinesischen Markt äußern. Gerade Bosch investierte noch zu Beginn dieses Jahres 1 Milliarde Euro in die chinesische Wirtschaft, da diese als Absatzmarkt der Zukunft gewertet wird. Mit der rapiden Industrialisierung, dem Kundenvolumen und der hohen Kaufkraft im Binnenmarkt ist China aus den Einnahmequellen globaler Unternehmen nicht mehr wegzudenken. Fast 50% des Umsatzes von Volkswagen (ETR:VOWG) kommt beispielsweise aus China, weshalb der Wolfsburger Weltkonzern erst letzte Woche beim chinesischen Innovations-Startup Xpeng (NYSE:XPEV) einstieg. Auch Bosch ist auf das nicht-europäische Ausland angewiesen – letztes Jahr kam auch hier etwa die Hälfte der 88.2€ Milliarden aus nicht-europäischen Staaten.
Es sei wichtig, dass sich Europa darauf konzentriert, mit den verfügbaren Mitteln zu arbeiten und die regionalen Konditionen zu verbessern. Und damit hat er auch absolut recht. In einer zunehmend wettbewerbsorientierten globalen Wirtschaft muss sich Europa mehr auf den Binnenhandel und die Entwicklung des bestehenden und schon sehr fortgeschrittenen Humankapitals konzentrieren. Einst als dritte Welt bezeichnet, steigen viele Wirtschaftsregionen in ihren Bedürfnispyramiden auf und passen ihren wirtschaftlichen Output an diese Bedürfnisse an. Nicht ohne Grund ziehen nun auch Indien, China, Saudi-Arabien, Brasilien und die Türkei in vielen technologisierten Bereichen nach und bieten damit auch Absatzmärkte für internationale Unternehmen. Zwar kommen diese Regionen in Sachen Qualität nicht immer an die europäischen Standards heran, bieten aber deutlich bessere Preise. Deshalb ist die europäische Narrative falsch, europäische Unternehmen, die sehr aktiv im Ausland sind, zu ächten. Wenn man aber schaut, dass Europa eine tiefere wirtschaftliche Integration erlebt, kann aus der bestehenden Situation mehr gemacht werden. Man kann seine Diversifizierung praktisch vor der eigenen Haustür vorantreiben. Sich einfach ohne tragbare Alternative von China unabhängig zu machen, würde zu einem weiteren Schlag für die europäische Wirtschaft führen.
In einem gestrigen Interview gab der italienische Verteidigungsminister zu verstehen, dass man der chinesischen Road and Belt Initiative niemals hätte beitreten sollen. Man hätte sich mit dieser Entscheidung unnötigerweise an China gebunden, ohne wirklich infrastrukturelle Vorteile im angestrebten Maß zu erreichen. Klar kommen solche pauschalen Aussagen bei einer zunehmend nationalorientierten europäischen Bevölkerung gut an. Aber auf der anderen Seite wird nicht auf Alternativen eingegangen. Das seit Jahren schleppend laufende TEN-T Projekt der Europäischen Kommission wird weder umfassend besprochen noch beworben. Das pan-europäische Infrastrukturprojekt soll den Kontinent umfassend verbinden und somit den Binnenmarkt einem geeinten Wirtschaftsraum näherbringen. Hierfür wurden aber gerade einmal magere 300€ Millionen eingeplant, was hinter den geplanten $1.1 Billionen der Nordamerikaner und den bislang ausgegebenen $240 Milliarden der Chinesen einfach zu wenig ist.
Stefan Hartung hat recht. Es bringt nichts, die Unternehmen für ihre Aktivitäten und den angestrebten Umsatz in China zu rügen, ohne den regionalen Markt zu stärken. Möchte man die europäische Wirtschaft weiterhin an der Spitze der Welt sehen, darf man sich nicht auf seinen Lorbeeren ausruhen. Der Kontinent hat immenses Humankapital und auch eine gewisse interne Solidarität. Jetzt muss man es Unternehmen durch geringere Hürden und Subventionen weiter schmackhaft machen, hier zu produzieren und zu vertreiben.
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