- Der Absatzbericht für das dritte Quartal sieht durchaus imposant aus, denn GM hat gleich in mehreren Kategorien Marktanteile hinzugewonnen
- Die Strategie im Segment der E-Fahrzeuge ist vielversprechend, allerdings haben die Konkurrenzunternehmen hier noch die Nase vorn
- Der Schwerpunkt auf hochpreisige Fahrzeuge bedeutet, dass sich die Gesamtwirtschaft stabilisieren muss, damit sich die GM-Aktie von ihren Tiefstständen erholen kann
Es ist eigentlich recht einfach, einen Bullenfall für General Motors (NYSE:GM) im Moment zu erkennen. Auf der Grundlage der Wall Street-Schätzungen wird die GM-Aktie zum 5-fachen der diesjährigen Gewinne gehandelt. Und die Performance des Autobauers sorgt auch weiterhin für Begeisterung, wie aus den Verkaufszahlen für das dritte Quartal hervorgeht. Längerfristig könnte die Umstellung auf elektrische und autonome Fahrzeuge weiteres Potenzial bieten.
Aber so einfach ist die Geschichte dann doch nicht. Die Zahlen von GM für 2021 und 2022 erklären zumindest teilweise, warum die Aktie mit einem so niedrigen Multiplikator bewertet werden sollte. Langfristig gesehen ist das Wachstum von E-Fahrzeugen und autonomen Fahrzeugen nicht unbedingt additiv. Auch lässt die Geschichte des Unternehmens und der Branche kurzfristige Risiken für die Erträge und die Aktie erkennen.
Auf diesen Niveaus scheinen diese Risiken bis zu einem gewissen Grad bereits in den Kursen enthalten zu sein. Unter langfristigen Gesichtspunkten sieht die GM-Aktie attraktiv aus. Das Unternehmen wird jedoch externe Hilfe benötigen, damit die optimistische Rechnung aufgeht.
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Das Problem mit den 5-fachen des Gewinns
Der Umsatzbericht für das dritte Quartal liefert den Grund, warum man GM-Aktien halten sollte - und gleichzeitig den Grund, warum man sich von diesem Investment fernhalten sollte.
Der Autohersteller konnte das Quartal mit zweifelsohne beeindruckenden Zahlen abschließen. Der Gesamtabsatz stieg im Vergleich zum Vorjahresquartal um 24 %. Nach eigenen Angaben gelang dem Unternehmen mit der Eroberung der Marktführerschaft bei Luxus-SUVs, Full-Size-Pickups und Luxus-SUVs ein Hattrick.
Auch die E-Fahrzeug-Strategie des Unternehmens zahlt sich aufgrund der "beispiellosen Kundennachfrage" nach der Bolt-Serie aus. GM will die Produktion auf mehr als 70.000 Fahrzeuge im Jahr 2023 steigern.
Im Hinblick auf die historische Entwicklung ist das eindeutig eine gute Nachricht. Die Risiken liegen eher in der Zukunft.
Die Absatzstärke von GM ist eindeutig an seine teuersten - und profitabelsten - Fahrzeuge gebunden. Diese Fahrzeuge sind derzeit relativ problemlos zu verkaufen. Die Arbeitslosigkeit ist weiterhin niedrig. Die Inflation ist sicherlich ein Problem, aber weniger für die Gruppe der einkommensstärkeren Kunden, die den Absatz von Pickups und SUVs der Oberklasse ankurbeln.
Bislang hat sich die US-Wirtschaft recht gut gehalten. In einem solchen Szenario überrascht es nicht, dass sich die Umsätze von GM in ähnlicher Weise entwickelt haben. Das offensichtliche Risiko besteht darin, dass sich die wirtschaftliche Entwicklung und auch der Absatz angesichts der Zinserhöhungen der Fed und des makroökonomischen Drucks in Übersee abschwächen werden.
Diese Faktoren sind natürlich immer Risiken für ein zyklisches Geschäft wie die Automobilindustrie. Angesichts der besonderen Stärke von GM in den hochpreisigen Kategorien und der Beinahe-Einstellung der Produktion von Limousinen und Coupés im unteren Preissegment durch die US-Automobilhersteller sind die Risiken jedoch noch ausgeprägter als sonst. Der Markt geht eindeutig davon aus, dass die Gewinne von GM aufgrund des Konjunkturzyklus sinken werden, und weist ihnen deshalb einen so niedrigen Multiplikator zu.
Die EV/AV-Frage
Das ist das kurzfristige Risiko. Die längerfristige Befürchtung für GM und auch den Konkurrenten Ford (NYSE:F) ist, dass die Umstellung auf elektrische und autonome Fahrzeuge die Gewinne allmählich erodieren wird.
In Bezug auf die Kategorie der E-Fahrzeuge ist es wichtig, eine Tatsache im Auge zu behalten: Durch E-Fahrzeuge wird der Markt nicht größer. Die Gesamtzahl der von den Verbrauchern benötigten Neufahrzeuge ändert sich nicht wirklich, egal, ob sie elektrisch oder mit einem Verbrennungsmotor betrieben werden. Grob geschätzt bedeutet jeder Verkauf eines E-Fahrzeugs für die Hersteller den Verkauf eines Modells mit Verbrennungsmotor weniger.
Das Bild stellt sich für GM zugegebenermaßen etwas anders dar, da die Bolt-Modelle und die Bolt E-UVs Segmente ansprechen sollen, in denen die Verbrennungsmotor-Modelle des Unternehmens einen geringen Marktanteil haben. Allerdings betrifft die für 2023 prognostizierte Produktion dieser Fahrzeuge weniger als 4 % der gesamten Fahrzeugproduktion in diesem Jahr. Währenddessen greifen der Marktführer Tesla (NASDAQ:TSLA) und andere Neueinsteiger wie Rivian Automotive (NASDAQ:RIVN) und Lucid Inc (NASDAQ:LCID) die profitableren Märkte von GM an.
Bei den autonomen Fahrzeuge sieht es noch schlechter aus. Theoretisch könnten autonome Fahrzeuge die Gesamtnachfrage deutlich senken. In einer Welt, in der man bei Bedarf einfach ein mobiles Fahrzeug per App bucht, sinkt die Notwendigkeit, ein eigenes Auto zu besitzen. (Das ist natürlich der Grund, warum Uber (NYSE:UBER) so viele Milliarden in autonomes Fahren investiert hat.) Sollte die Cruise-Sparte von GM nicht erfolgreich sein, könnten autonome Fahrzeuge die Umsätze und Gewinne des Unternehmens erheblich schmälern.
Die zwei Seiten der gleichen Medaille
Zumindest sollten die Anleger die Risiken der GM-Aktien verstehen. Ein KGV von 5 allein reicht nicht aus, um GM blind zu kaufen. Dazu gibt es zu viele kurz- und auch langfristige Risiken.
Gleichwohl bieten sich auch Chancen. Das Unternehmen setzt seine Strategie erfolgreich um. Es erobert Marktanteile. Die Bewertung ist angemessen, selbst wenn die Gewinne in einem schwierigeren makroökonomischen Umfeld schrumpfen sollten.
Die Reaktion der Wall Street auf den Umsatzbericht für das 3. Quartal zeigt beide Seiten der sprichwörtlichen Medaille aus Sicht der Analysten. Morgan Stanley (NYSE:MS) hat das Kursziel für GM mit der Begründung, dass GM irgendwann eine Gewinnwarnung aussprechen wird, auf 30 USD gesenkt. Die Citigroup (NYSE:C) beließ ihr Kursziel dagegen bei 78 USD. Sie sieht das Potenzial für höhere Lagerbestände und damit höhere Absätze.
Sollte sich die Konjunktur stabilisieren, dürfte dieser Bestandsaufbau das Gewinnwachstum ankurbeln und den Aktienkurs von GM beflügeln. Wenn das nicht der Fall ist, könnte sich das schnell negativ auf den Kurs auswirken. Schließlich ist es erst 13 Jahre her, dass General Motors inmitten einer Finanzkrise Konkurs anmeldete. Eine Wiederholung dieser Entwicklung ist außerordentlich unwahrscheinlich, geringere Gewinne und ein niedrigerer Aktienkurs sind es aber nicht.
Offenlegung: Vince Martin besitzt eine Short-Position auf Tesla-Aktien. Er hält keine weiteren Positionen in den hier besprochenen Wertpapieren.