Berlin, 03. Sep (Reuters) - Der Ostausschuss der deutschen Wirtschaft ist trotz des Anschlags auf den Kreml-Kritiker Alexej Nawalny gegen Strafmaßnahmen gegen Russland. "Auf die Vergiftung Nawalnys mit weiteren Wirtschaftssanktionen zu reagieren, die dann wieder an der Sache völlig unbeteiligte Unternehmen und die russische Bevölkerung treffen würden, halten wir für falsch", sagte Ostausschuss-Chef Oliver Hermes am Donnerstag. "Wir dürfen nicht zulassen, dass sich dieser Vorfall zu einer dauerhaften Belastung unserer bilateralen Beziehungen entwickelt und damit auch die deutsch-russischen Wirtschaftskontakte weiter beeinträchtigt." Bundeskanzlerin Angela Merkel habe aus guten Gründen eine Vermischung des Falls etwa mit Sanktionen gegen das Gaspipeline-Projekt Nord Stream 2 abgelehnt.
Hermes ergänzte, die Hintergründe der Tat müssten gemeinsam mit Russland umfassend und transparent aufgeklärt werden. "Der Giftanschlag auf den russischen Oppositionspolitiker lässt niemanden kalt. Wir hoffen alle sehr, dass Nawalny keine bleibenden Schäden davontragen wird."
Nawalny ist Merkel zufolge mit einem chemischen Nervenkampfstoff vergiftet worden. Sie forderte die russische Regierung auf, sich zu erklären. Russland wies eine Verantwortung an einer Vergiftung Nawalnys zurück. Daher gebe es auch keine Grundlage für Sanktionen gegen Russland in diesem Fall, erklärte der das Präsidialamt in Moskau. Man habe auch noch keine Informationen über die deutschen Erkenntnisse erhalten, die für eine Vergiftung sprechen würden.
Der Vorstandsvorsitzende der deutsch-russischen Außenhandelskammer, Matthias Schepp, sagte Reuters, die Coronavirus-Krise habe im zweiten Quartal zu einem Rekordabfluss deutschen Kapitals aus Russland von mehr als einer Milliarde Euro geführt. "Die Proteste in Belarus und der Giftanschlag auf Alexej Nawalny lassen befürchten, dass sich diese Tendenz verstärkt." Die Regierung in Moskau müsse das Geschäftsklima für ausländische Investoren verbessern, um einen weiteren Kapitalabfluss zu verhindern.