von Robert Zach
Investing.com - Noch bewegt sich der Goldpreis weiterhin seitwärts und konnte die Marke von 1.900 Dollar in den vergangenen Tagen verteidigen. Allerdings dürfte das Vertrauen der Gold-Investoren in einem Umfeld hoher Neuinfektionszahlen und fallender Aktienmärkte schon bald einer Nagelprobe unterzogen werden.
Aktuell gestaltet sich das Bild mit Blick auf die Corona-Krise ähnlich wie Ende Februar. Zum damaligen Zeitpunkt nahm die Zahl der Neuinfektionen erst so richtig Fahrt auf. Die Aktienmärkte begannen am 19. Februar ihre Talfahrt, während der Goldpreis zunächst weiter nach oben ging. Als sich jedoch die Verluste an der Wall Street am 25. Februar beschleunigten, drehte auch der Preis für die Unze Gold scharf gen Süden. Binnen weniger Tage ging es für das Edelmetall um mehr als 5 Prozent nach unten, gefolgt von einer Gegenreaktion im gleichen Ausmaße.
Anfang März setzten dann erneut massive Verkäufe an den Aktienmärkten ein, auf die der Goldpreis mit Abschlägen in Höhe von 15 Prozent reagierte. Erst als die Zentralbanken auf der ganzen Welt mit gigantischen Liquiditätsprogrammen und Zinssenkungen zur Rettung eilten, stabilisierten sich sowohl der Aktien- als auch der Goldmarkt wieder. Für den Goldpreis ging es in der Folge um mehr als 42 Prozent nach oben. Mit 2073 Dollar markierte er Anfang August ein neues Rekordhoch.
Grund für den simultanen Crash der Aktien- und Goldmärkte im Februar/März war wohl, dass in Zeiten erhöhter Börsenturbulenzen in der Regel immer Cash der König ist, und nicht Gold, das gerne als sichere Anlage in einer Krise betitelt wird.
Angesichts der hohen Dynamik des Marktcrashes im März mussten jedoch Investoren an anderen Märkten Nachschussforderungen nachkommen, weshalb Positionen in Gold aufgelöst werden mussten, um so genannte Margin Calls (zum Beispiel in Aktienpositionen) zu verhindern, weil die Sicherheitsleistung der offenen Positionen bei ihren Brokern nicht ausreichte.
In der Folge erhöhte sich der Druck auf Gold, denn die Investoren schossen lieber Kapital nach, als ihre offenen Aktienpositionen mit Verlust zu schließen. Daher wurden womöglich zunächst die Rohstoffpositionen wie in Gold und in Silber geschlossen, die bereits im Vorfeld der Corona-Krise gute Renditen gebracht hatten.
Ob wir jetzt ein ähnliches Szenario sehen werden, wie im März, weiß niemand, aber die Möglichkeit besteht, dass Gold in den kommenden Tagen, zumindest auf kurze Sicht, erheblich unter Druck geraten könnte, falls sich die Corona-Krise zuspitzt und Investoren wegen wachsender Verluste ihrer offenen Aktienpositionen Margin Calls ihrer Broker erhalten sollten.
Sollte den Gold-Bullen die Verteidigung der Glättung der letzten 100 Tage (akt. bei 1900,45 Dollar), die seit Ende September als Richtschnur für das Edelmetall, nicht gelingen, droht zunächst eine Fortsetzung der Korrektur in Richtung 1852 bis 1848 Dollar. Gefährlich für die Bullen wird es erst bei Kursen unterhalb von 1835 Dollar, denn dann bestünde Abwärtsspielraum auf die Unterstützung bei 1796 bis 1769 Dollar, die sich sowohl aus den 2012er Hochs als auch aus dem diesjährigen Ausbruchsniveau speist. Die 200-Tage-Linie bei 1767,79 Dollar gilt dabei als letzte Bastion der Bullen.
Wird die o.g. kurzfristige Schlüsselmarke (1900 Dollar) dagegen verteidigt, wäre zunächst mit einem Wiederanstieg an den Widerstand bei 1935 Dollar zu rechnen, der im Falle eines Ausbruchs als Katalysator für eine Rallye auf 1985 Dollar dienen könnte. An dieser Stelle könnte erneut eine Konsolidierung einsetzen, bevor Gold im kommenden Jahr dann nach oben ausbricht, sofern sich die fundamentalen Gegebenheiten (ultralaxe Geldpolitik, expansive Fiskalpolitik, niedrige Realzinsen (NYSE:TIP), hohe Investorennachfrage und ein schwächerer US-Dollar) nicht grundlegend ändern.
Kurzfristig sollten sich Gold-Investoren also auf stärkere Schwankungen in die ein oder andere Richtung einstellen, wobei die Gefahren auf der Unterseite im derzeitigen Umfeld überwiegen. Langfristig bleibt Gold allerdings in einem Umfeld rekordtiefer Realzinsen eine gute Wahl, weshalb eine ausgeprägtere Schwäche als Kaufgelegenheit angesehen werden könnte.
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