von Robert Zach
Investing.com - Nach dem guten Jahresstart und dem Auftreten des neuartigen Coronavirus blicken die Analysten von Capital Economics skeptisch auf die weitere Entwicklung beim Goldpreis. Hatte das Edelmetall Anfang des Jahres noch kurzzeitig bei 1.611 Dollar gestanden, droht im Laufe des Jahres ein Absturz auf 1.400 Dollar. Aktuell umkreist der globale Wertspeicher die Marke von 1.570 Dollar.
Die jüngste Rallye beim Goldpreis sei das Resultat aus dem Rückgang der Zinsen für zehnjährige US-Staatsanleihen (TIPS) unter Null, so Capital Economics am Dienstag in einem Bericht. Aber solange der Ausbruch des Coronavirus nicht zu einer großen Bedrohung mutiert, die den geldpolitischen Kurs der Fed ändert, sehen die Experten nur begrenztes Potenzial auf der Oberseite für den Goldpreis.
Der Realzins für zehnjährige US-Staatsanleihen war am Montag mit -0,02 Prozent zum ersten Mal seit September wieder unter Null gefallen. Die Gründe dafür waren die Wachstumssorgen im Zuge des Ausbruchs des Coronavirus in China, der bereits mehr als 6.000 Menschen weltweit infiziert hat. Sobald die Investoren einen flacheren Wachstumspfad erwarten, geht die Inflation zurück und dies belastet die Zinsen.
Gold profitiert in der Regel von fallenden Realzinsen. Desto geringer der Realzins, desto weniger attraktiv sind Anleihen (NASDAQ:TLT) gegenüber Gold.
Die Fed hat die Messlatte für tiefere Zinsen auf der Dezember-Sitzung jedoch extrem hochgelegt, so Capital Economics. In den Protokollen hieß es: "Die derzeitige Ausrichtung der Geldpolitik dürfte wohl für einige Zeit angemessen bleiben". Dies gelte solange es keine merklichen Veränderungen der konjunkturellen Bedingungen gebe.
Auf der Dezember-Sitzung hatte die US-Notenbank den Leitzins unverändert bei 1,50 bis 1,75 Prozent belassen. Zuvor hatte sie drei Mal hintereinander die Zinsen um jeweils einen Viertelprozentpunkt gesenkt.
Gute Konjunkturdaten und der Handelsdeal mit China dürften der Federal Reserve auch in der nächsten Zeit das Leben leichter machen. Für heute Abend rechnen die von Investing.com befragten Analysten damit, dass die geldpolitischen Entscheidungsträger in den USA den Leitzins unverändert belassen werden. Mit großem Interesse werden sich die Marktteilnehmer jedoch der Pressekonferenz von Jerome Powell zuwenden, der womöglich einige Fragen zum Coronavirus und den möglichen Auswirkungen auf die Wirtschaft beantworten muss.
"Auch wenn sich die (Coronavirus)-Epidemie verschlimmern sollte, bezweifeln wir, dass die Fed darauf reagieren wird, solange es nicht zu einem umfangreicheren und dauerhaften Rückgang der Aktienkurse zusammen mit einer erheblichen Verschlechterung der wirtschaftlichen Bedingungen kommt", sagte Capital Economics -Rohstoffanalystin Simona Gambarini in einer Notiz.
Da niemand weiß, wie stark sich der Virus noch ausbreiten wird, hält Capital Economics vorerst an seiner Prognose für die Fed-Funds-Target-Range fest. Sie wird im Gesamtjahr in einer Spanne von 1,50 bis 1,75 Prozent gesehen. Die Zehnjahresrendite dürfte der britischen Forschungsgruppe zufolge bis Jahresende von 1,6 auf 2,0 Prozent steigen. "Wenn wir Recht behalten, dann wird der Goldpreis von der US-Geldpolitik in diesem Jahr keinen weiteren Auftrieb erhalten", schreibt Gambarini in ihrer Begründung.
Wenn der Coronavirus-Ausbruch selbst die Fed nicht zu einem Kurswechsel bewegt, könnte der Goldpreis aber immer noch durch eine höhere Nachfrage nach sicheren Häfen zulegen, so Capital Economics. "Aber der Dollar würde in diesem Fall wahrscheinlich auch steigen und die Aufwärtsbewegung des Goldpreises begrenzen".
Ein stärkerer US-Dollar macht den Goldpreis für Investoren mit anderen Währungen teurer. Der US-Dollar-Index, der den Greenback gegen einen Korb aus sechs Währungen vergleicht, erreichte gestern seinen höchsten Stand seit Anfang Dezember. Seit dem das öffentliche Interesse am Coronavirus größer geworden ist, hat der US-Dollar um 0,6 Prozent aufgewertet.
Das Basisszenario von Capital Economics bleibt daher, dass der Goldpreis in den kommenden Monaten wieder nachgeben wird. "Unsere Prognose für Ende 2020 liegt bei 1.400 Dollar je Feinunze", sagte Simona Gambarini.
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