Von Peter Nurse
Investing.com -- Die Ölpreise sind am Dienstag auf den höchsten Stand seit zwei Monaten gestiegen. Beflügelt wurden die Preise durch die Meldung, dass die Länder der Europäischen Union einem partiellen und schrittweisen Embargo für russisches Öl zugestimmt haben, was das weltweite Ölangebot weiter verknappt.
Bis 15.00 Uhr MEZ kostete ein Fass der US-Sorte WTI mit 119,16 Dollar 1,7 % mehr als am Vortag, der Brent-Kontrakt verteuerte sich um 1,8 % auf 119,73 Dollar. Beide Kontrakte waren zuvor auf den höchsten Stand seit dem 9. März gestiegen.
Die in den USA gehandelten Gasoline RBOB Futures erhöhten sich um 2,2 % auf 4,0141 Dollar je Gallone.
Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union einigten sich in den frühen Morgenstunden des Dienstags auf ein Ölembargo gegen Russland. Als Konzession an Ungarn wurden Pipeline-Lieferungen von der Vereinbarung ausgeschlossen.
Mit dem Abkommen sollen bis Ende des Jahres 90 % der russischen Rohölimporte in die EU reduziert werden. Auf diese Weise sollen die Einnahmen Moskaus zur Finanzierung des Ukraine-Kriegs verringert werden.
"Es ist unwahrscheinlich, dass dies bereits der finale Deal ist, denn die EU wird darauf hinarbeiten, die Abhängigkeit Ungarns und anderer mittel- und osteuropäischer Länder von russischem Öl längerfristig zu verringern", so die Analysten der ING (AS:INGA) in einer Notiz.
Diese Entwicklungen sorgen für eine weitere Verknappung auf den Ölmärkten, so dass es in Europa in diesem Sommer zu Kraftstoffengpässen kommen könnte, so der Leiter der Internationalen Energieagentur, Fatih Birol.
"Wenn die Hauptferienzeit in Europa und den USA beginnt, wird die Kraftstoffnachfrage steigen. Dann könnte es zu Engpässen kommen: zum Beispiel bei Diesel, Benzin oder Kerosin, vor allem in Europa", so Birol im deutschen Magazin "Spiegel".
Unterstützt wurden die Rohölpreise auch durch die Meldung, dass Shanghai, Chinas Handelszentrum und größte Stadt, die Aufhebung der COVID-19-Lockdowns bekannt gegeben hat und die Bevölkerung ab Mittwoch ihre Wohnungen verlassen und Auto fahren darf.
China ist der größte Rohölimporteur der Welt, und die Mobilitätsbeschränkungen in mehreren Großstädten haben das Wirtschaftswachstum des Landes drastisch gebremst und die Nachfrage nach Öl verringert.
Die chinesischen Rohölimporte gingen im Zeitraum von Januar bis April im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 4,8 % auf 170,89 Millionen Tonnen bzw. rund 10,4 Millionen Barrel pro Tag zurück.
Auf der Produktionsseite wird die Organisation der erdölexportierenden Länder und ihre Verbündeten, die sogenannte OPEC+, am Donnerstag zusammenkommen. Es gilt als ausgemacht, dass sie sich an ihre frühere Vereinbarung hält und die Produktion im Juli um bescheidene 432.000 Barrel pro Tag erhöht.
Die westlichen Länder, die in der Regel Öl importieren, fordern zur Senkung der steigenden Preise eine schnellere Erhöhung der Fördermenge, doch ihre Forderungen wurden bisher weitgehend ignoriert.