Investing.com – Es ist bereits mehr als ein Jahr her, dass El Salvador das weltweit erste Land war, welches den Bitcoin als gesetzliches Zahlungsmittel einführte. Nach anfänglichen Startschwierigkeiten sah es so aus, als ob die von Präsident Bukele ergriffene Initiative ein Erfolg werden könnte. Mittlerweile scheint sich das Blatt jedoch gewendet zu haben, was nicht nur am Kurseinbruch des Bitcoins, sondern vielmehr an den Informationen liegt, die zum BTC-Programm des Landes ans Tageslicht kommen.
Der Start der von El Salvador in Auftrag gegebenen Chivo-Wallet, die als zentraler Knotenpunkt für BTC-Zahlungen dient, verlief alles andere als reibungslos. Der Entwickler der Wallet, Athena Bitcoin Global, musste eine Fremdfirma engagieren, welche damit beauftragt wurde, bestehende Fehler zu eliminieren. Die texanische Softwarefirma ROI Developers/Accruvia übernahm diese Aufgabe. Laut diesem Unternehmen versäumte es Athena Bitcoin Global eine Rechnung von über 80.000 Dollar zu begleichen, was zu einem Prozess führte.
Laut No Ficcion kamen dabei einige erschütternde Details zu tage. Das von Präsident Bukele gesetzte Ziel von 50.000 Chivo-Anmeldungen am Tag des Launches drohte zu scheitern. ROI gab vor Gericht zu Protokoll, dass der implementierte Verifizierungsdienst bereits während der ersten 150 Anmeldungen abstürzte. Die Verifizierung war jedoch unumgänglich, denn jeder neue Nutzer erhielt von der Regierung ein Bitcoin-Startguthaben im Wert von 30 Dollar.
Um die Kampagne des Präsidenten nicht zu gefährden, soll sich der Betreiber dazu entschieden haben, den KYC-Prozess zu deaktivieren. Es fand dann anscheinend keine Überprüfung mehr statt, ob die angemeldeten Nutzer tatsächlich existieren. Laut ROI wurden fiktive Profile mit Nutzerfotos von Topfpflanzen angelegt, was ausreichte, um an das 30-Dollar-Geschenk zu gelangen. Der daraus resultierende Schaden dürfte sich auf Millionen von Dollar belaufen.
Einige der Chivo-Nutzer entdeckten auch, dass sich die Wallet optimal dafür eignet, ins Day-Trading einzusteigen. Der BTC-Kurs wurde laut ROI nur einmal in der Minute aktualisiert, was die Möglichkeit von profitablen Arbitrage-Geschäften öffnete. Man musste nur den Kurs auf der Chivo-Wallet mit dem aktuellen Kurs des Datenanbieters vergleichen. So wusste man, wo der Bitcoin-Kurs der Wallet in einer Minute steht und ob es besser ist zu kaufen, oder zu verkaufen. Es soll wohl auch einen nachweisbaren Fall geben, bei dem ein Nutzer seine Wallet von 2000 Dollar auf 400.000 Dollar nach oben tradete. Die so verdienten Gelder mussten direkt aus dem Staatshaushalt bedient werden.
Dann war da noch ein Bugfix, der einen USD/BTC Wechselkurs von 1:1 ermöglichte. Die Schnäppchenjäger tätigten 3600 Transaktionen mit einem Volumen von 180.000 Dollar. Der reale Wert betrug jedoch über 10 Milliarden Dollar, „was die Regierung sofort zahlungsunfähig machte“. Noch bevor die Auszahlungen gestoppt werden konnten, sind nach Angaben von ROI 250.000 Dollar aus dem System abgeflossen.
Das Ganze endete damit, dass Athena Bitcoin Global im Dezember 2021 die Arbeiten an der Chivo-Wallet einstellte. Stattdessen wurde iFinex damit beauftragt, die Administration von Chivo zu übernehmen. Zu diesem Zeitpunkt hatte Präsident Bukele bereits verkündet, dass er eine „Bitcoin City“ errichtet und zur Umsetzung dieses Vorhabens „Vulkananleihen“ im Wert von 1 Milliarde Dollar herausgibt.
Laut No Ficcion war das der Grund, warum iFinex fortan die Chivo-Wallet betreibt. iFinex ist die Muttergesellschaft sowohl des Stablecoins Tether als auch der Kryptobörse Bitfinex. Scheinbar eine ideale Mischung, um die Bitcoin Citiy und die Vulkananleihen zu einer ähnlichen "Erfolgsgeschichte" zu machen, wie die atemberaubend hohen Anmeldezahlen zum Launch der Wallet.
Vergangenen Monat brachte Bukele eine Gesetzesvorlage ein, die dem Tether ähnliche Rechte wie dem gesetzlichen Zahlungsmittel Bitcoin einräumt. Die Vulkananleihe sollte bereits im vergangenen Frühjahr auf den Markt kommen, was jedoch wegen des Krieges in der Ukraine verschoben wurde. Nun ist diese wieder im Gespräch, auch wenn das Interesse der institutionellen Investoren aufgrund der jüngsten Marktturbulenzen gering sein dürfte.
No Ficcion rechnet damit, dass die Anleihe dennoch kein Ladenhüter wird, denn iFinex hat über den Tether ausreichend Finanzkraft, um sich für das vom Präsidenten entgegengebrachte „Vertrauen“ zu bedanken. Tether hat bis heute nicht bekannt gegeben, welche Sicherheiten den Stablecoin überhaupt stützen. Eine gute Voraussetzung, um sich verdeckt in die Vulkananleihe mit ihren 6,5 Prozent Zinsen einzukaufen und die Position in El Salvador zu stärken.
Die Umsetzung könnte unmittelbar bevorstehen, denn im Januar benötigt El Salvador 667 Millionen Dollar, um die Forderungen aus einer fälligen Anleihe zu begleichen. Das Land scheint über diese Mittel nicht zu verfügen und soll beim IWF bereits einen Antrag auf ein Rettungspaket gestellt haben, der abgelehnt wurde.
Bitcoin technische Kursmarken
Der Bitcoin verzeichnet aktuell bei einem BTC/USD Kurs von 17.322 Dollar einen Gewinn von 1,93 Prozent, während der Wochengewinn 6,93 Prozent beträgt.
Die Kryptowährung konnte sich heute aus ihrer jüngsten Range befreien, nachdem es mehrere Tage in Folge zu einem Handel rund um das 23,6 Prozent Fibo-Retracement von 16.986 Dollar kam. Die heutige Aufwärtsbewegung wird durch einen Tagesschlusskurs über dem genannten Fibo-Retracement unterstützt.
Damit ist die Tür für einen Test des 38,2 Prozent Fibo-Retracements von 17.841 Dollar geöffnet. Sollte es gelingen dieses Niveau nachhaltig zu überwinden, werden die nächsten Widerstände am 55-Tage-MA von 18.312 Dollar und dem 50 Prozent Fibo-Retracement von 18.533 Dollar zu finden sein.
Nur wenn es den Bullen nicht gelingt, die Unterstützung des 23,6 Prozent Fibo-Retracements auf Tagesschlusskursbasis zu verteidigen, muss mit einer Abwärtsbewegung in Richtung des Tiefs vom 28. November gerechnet werden, welches bei 16.013 Dollar zu finden ist.
Von Marco Oehrl
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