LONDON (dpa-AFX) - Wirtschaftliche Strukturreformen sollten in der Eurozone laut EZB-Präsident Mario Draghi die gleiche Aufmerksamkeit erhalten wie die Finanzpolitik. Es gebe gute Gründe dafür, dass die Europäische Union auch diesen Politikbereich koordinieren sollte, sagte Draghi am Mittwoch in London. Er verwies auf den Europäischen Fiskalpakt mit dem die EU die Finanzpolitik überwachen und sanktionieren kann.
Ziel von Strukturreformen sei eine höhere Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit der Länder, sagte Draghi. Dies sei keineswegs nur im Interesse des einzelnen Landes sondern im Interesse der gesamten Eurozone. In der Eurozone müsse jedes Land auf seinen eigenen Beinen stehen, da keine permanenten Geldtransfers zwischen starken und schwachen Ländern vorgesehen seien. Die Beispiele Spanien, Irland, Portugal und Griechenland zeigten, dass durch Reformen eine deutliche Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und der Leistungsbilanz erzielt werden könnte.
Durch Reformen werde der Zusammenhalt in der Währungsunion gestärkt, während ausbleibende Reformen diesen gefährdeten, sagte Draghi. Eine stärkere Rolle der EU bei Strukturreformen könnte die einzelnen Regierungen bei der Umsetzung unterstützen. Die Erfahrungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) zeigten, dass eine supranationale Institution die Debatte in den Mitgliedsändern lenken könne.
Zur Geldpolitik wiederholte Draghi seine jüngsten Aussagen. Die Notenbank sei weiter bereit, falls nötig weitere außergewöhnliche Maßnahmen zu ergreifen, um eine lang anhaltende zu niedrige Inflation zu bekämpfen. Ein ganze Reihe von Faktoren drücke derzeit auf das Preisniveau. Draghi nannte die Anpassungen in den Krisenländern, die Wechselkurse und die schwache Nachfrage. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte Anfang Juni ein Maßnahmenpaket im Kampf gegen die zu niedrige Inflation verabschiedet. Experten erwarten, dass die Notenbank zunächst die Wirkung abwarten wird, bevor sie weitere Maßnahmen ergreift.