GENF (dpa-AFX) - In einem Klima von Hass und Misstrauen haben die Friedensverhandlungen zwischen den syrischen Bürgerkriegsparteien begonnen. Bereits am Freitag kam es zu Chaos und Streit. Bei den monatelang vorbereiteten Friedensgesprächen soll eine politische Lösung für ein Ende des Blutvergießens in Syrien gefunden werden. Dort tobt seit fast drei Jahren ein Bürgerkrieg; mehr als 130 000 Menschen kamen ums Leben, Millionen wurden in die Flucht getrieben.
Die Opposition hatte am Morgen gefordert, die Regierungsdelegation solle schriftlich erklären, dass sie die sogenannte Genf-1-Vereinbarung als Grundlage der Verhandlungen akzeptiere. Diese sieht unter anderem einen Waffenstillstand und die Bildung einer Übergangsregierung vor.
Der syrische Außenminister Walid al-Muallim drohte bei einem Treffen der Regierungsdelegation mit dem UN-Vermittler Lakhdar Brahimi mit Abreise. Er sagte nach Angaben aus Regimekreisen, seine Delegation werde schon an diesem Samstag wieder abreisen, falls bis dahin keine 'funktionierenden Arbeitstreffen' zustande kommen sollten. Eine UN-Sprecherin sagte, Brahimi werde am Nachmittag auch die Delegation der Opposition treffen.
Am Vorabend hatte es noch geheißen, die Konfliktparteien wollten zu Beginn gemeinsam mit Brahimi in einem Saal sitzen und erst später zu indirekten Gesprächen übergehen. Vize-Außenminister Faisal al-Mekdad sagte vor der Presse in Genf: 'Ich höre Gerüchte, dass die andere Seite nicht dazu bereit ist.'
Abdulhamid Darwisch, ein Mitglied der Delegation der Opposition, wies diese Darstellung zurück. 'Wir haben nicht abgelehnt, gemeinsam in einem Raum zu sitzen', sagte er der Nachrichtenagentur dpa. Dass die Regierungsdelegation jetzt schon mit Abreise drohe, sei ein Beweis dafür, 'dass sie im Gegensatz zu uns nicht ernsthaft verhandeln wollen'.
Die Verhandlungsposition der Regierung blieb in Genf ebenso schwammig wie vorher schon bei der internationalen Auftaktkonferenz für die Friedensgespräche in Montreux. Al-Mekdad erklärte, seine Delegation sei bereit, die Genf-1-Vereinbarung anzuerkennen. Dagegen sagte Buthaina Schaaban, eine Beraterin von Präsident Baschar al-Assad: 'Wir sind nach Genf gekommen, um gegen den Terrorismus zu kämpfen und sonst nichts.' Das syrische Regime bezeichnet grundsätzlich alle Revolutionäre und Rebellen als Terroristen.
Ein US-Regierungsbeamter betonte: 'Die Genfer Gespräche wurden nicht abgesagt. Vermittler Brahimi hat das ursprünglich für den Morgen geplante Treffen mit beiden Delegationen verschoben, um noch mehr Zeit für Vorbereitungen zu haben.' Viele Beobachter bezweifeln, dass sich die Konfliktparteien in Genf auf eine politische Lösung einigen können.
Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn sagte im Inforadio des RBB: 'Es ist schon erstaunlich, glaube ich, dass überhaupt Montreux stattfand und dass heute Genf-2 stattfinden wird.' Es gehe nun zuerst darum, dass die Parteien am Tisch bleiben und sich möglicherweise in einem ersten Schritt auf lokale Waffenruhen, den Austausch von Gefangenen und den Zugang für internationale Hilfe verständigen.
Der Politologe Markus Kaim mahnte zu Geduld. Es sei zu optimistisch zu erwarten, dass die Gespräche in wenigen Monaten zu einer Übergangsregierung führen könnten, sagte der Leiter der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik in der Stiftung Wissenschaft und Politik im Deutschlandradio Kultur. Es sei schwer vorstellbar, dass die Konfliktparteien sich nach den Gräueltaten des Krieges gegenüber säßen und von ihren Maximalforderungen sofort abrückten./tll/DP/kja