(neu: Seehofer, Landtagsdebatte)
MÜNCHEN/STUTTGART (dpa-AFX) - Bayern und Baden-Württemberg fordern gemeinsam Korrekturen an den Eckpunkten des Bundes zur Energiewende. Das geht aus einem Positionspapier hervor, das die beiden Landesregierungen am Dienstag in München und Stuttgart vorstellten.
Unter anderem wollen die Südländer erreichen, dass auch Windkraftanlagen an etwas ungünstigeren Standorten weiter rentabel betrieben werden können. Zudem fordern Bayern und Baden-Württemberg bessere Fördermöglichkeiten für Kraftwerke, die die Grundlastversorgung sichern sollen. Zugleich wehren sie sich gegen Einschnitte bei der Förderung von Biogas-Anlagen. Das Potenzial der Bioenergie zur Stabilisierung des Energiesystems müsse 'kosteneffizient weiter erschlossen werden', sagte Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) laut Staatskanzlei.
Seehofer und sein Stuttgarter Amtskollege Winfried Kretschmann (Grüne) betonten, dass man den Bund bei den anstehenden Reformen unterstütze. Es sei aber legitim, dass die beiden Länder ihre gemeinsamen Interessen formulierten. Kretschmann sagte in Stuttgart, er habe sich mit Seehofer entlang von Sachfragen verständigt. 'Der Kern ist der, dass Baden-Württemberg und Bayern den höchsten Atomstromanteil haben.' Bei der Abschaltung der Atomkraftwerke entstehe im Süden eine Versorgungslücke. 'Das betrifft unsere beiden Länder', sagte Kretschmann. 'Es geht hier nicht um irgendeinen parteipolitischen Firlefanz. Es geht um die Sache.'
In dem Positionspapier heißt es, nach der Abschaltung von Atomkraftwerken auf Stromlieferungen aus anderen Teilen Deutschlands oder dem Ausland zu setzen, sei unverantwortbar. So würden die nötigen Stromleitungen nicht rechtzeitig fertig. Die Landesregierungen sprechen sich deshalb dafür aus, bis zum Sommer über die Einführung eines sogenannten Kapazitätsmechanismus' zu entscheiden. Dabei sollen den Energieversorgern Investitionsanreize beispielsweise für den Bau von Gaskraftwerken gegeben werden, die bei Bedarf zugeschaltet werden können, um Schwankungen in der Stromversorgung auszugleichen.
Die beiden Landesregierungen sind zudem für die Einrichtung einer festen Energieministerkonferenz, in der sich die Fachminister von Bund und Ländern regelmäßig austauschen.
An diesem Donnerstag will sich Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) mit den Landesministern in Berlin treffen. Hintergrund ist, dass es auch aus anderen Bundesländern teilweise scharfe Kritik an der geplanten Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) gibt.
Am Rande einer Landtagssitzung in München wies Seehofer jegliche Vorwürfe und Spekulationen zurück, die Energiewende in Bayern komme nicht voran. Der Freistaat liege bei der Geschwindigkeit des Ausbaus erneuerbarer Energien vor allen anderen Ländern. Eine Debatte, in der sich die Opposition mit massiver Kritik und vielen Fragen zu Wort meldete, bezeichnete Seehofer als 'Gespensterdiskussion'. Und mit Blick auf kritische Medienberichte sagte er: 'Wir wissen's jedenfalls besser als alle Medien in Bayern.' Die bayerische Bevölkerung sei mit der Energiewende 'hoch zufrieden'.
Der Grünen-Energieexperte Martin Stümpfig warnte, die Energiewende stehe auf der Kippe. 'Die Bürger packen an bei der Energiewende, und Sie lassen sie hängen', sagte er zu Seehofer. Erneuerbare Energien seien kein Preistreiber: 'Ich kann diese Lügen nicht mehr hören.' Natascha Kohnen (SPD) war Seehofer und seiner Regierung Planlosigkeit vor. Jede weitere Woche bedeute einen weiteren Schritt ins Energieabseits. Thorsten Glauber (Freie Wähler) warf Seehofer eine sprunghafte und unzuverlässige Energiepolitik vor. So werde ihm das 'Jahrhundertprojekt' Energiewende nicht gelingen./ctt/DP/he