Berlin (Reuters) - Die unklaren Machtverhältnisse in Großbritannien haben große Sorgen in der deutschen Wirtschaft ausgelöst, die eng mit der britischen Ökonomie verbunden ist.
Mit der Parlamentswahl steige die Unsicherheit in der deutschen Wirtschaft, beklagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) Martin Wansleben am Freitag: "Der Fahrplan für die Brexit-Verhandlungen ist nun Makulatur."
Auch Außenhandelspräsident Anton Börner rechnet mit neuen Unwägbarkeiten rund um den Brexit. "Das ist überhaupt kein Grund zur Schadenfreude, denn das ist eine schlechte Nachricht für Brüssel", kommentierte er den voraussichtlichen Verlust der absoluten Mehrheit für die Konservativen von Regierungschefin Theresa May. Mit dem Wahlausgang verlängere sich die Unsicherheit über die Modalitäten des EU-Austritt des Landes und verkomplizierten sich die ohnehin schwierigen Verhandlungen. Börner hält es für möglich, dass von britischer Seite nun eine noch härtere Gangart in den Brexit-Verhandlungen verfolgt wird. Insgesamt sei das Wahlergebnis schlecht für Großbritannien und die EU, und das in einem ohnehin durch Unsicherheiten gekennzeichneten weltpolitischen Umfeld.
Großbritannien ist für Deutschland der drittgrößte Exportmarkt. Der anstehende Austritt des Landes aus der EU hatte aber schon in den letzten Monaten für eine Eintrübung des Warenaustausches zwischen beiden Ländern gesorgt. Nach einem Minus von knapp zehn Prozent im letzten Quartal 2016 sind im ersten Quartal 2017 die deutschen Ausfuhren nach Großbritannien um weitere knapp drei Prozent zurückgegangen - während zugleich die Ausfuhren in die EU um fast sieben Prozent zulegten.
DIHK-Hauptgeschäftsführer Wansleben plädierte ungeachtet des britischen Wahlergebnisses dafür, die Themen-Schwerpunkte für die Brexit-Verhandlungen nicht zu ändern. Die Zukunft der EU-Bürger im Vereinigten Königreich müssten einer der ersten Punkte in den Gesprächen bleiben. "Unsere deutschen Unternehmen brauchen eine schnelle Einigung auf den künftigen Status der in Deutschland lebenden Briten und der in UK lebenden EU-Bürger", erklärte Wansleben. Denn deutsche Unternehmen beschäftigen in dem Land 400.000 Mitarbeiter auch aus vielen Mitgliedsländern der EU. Außerdem haben die deutschen Unternehmen ein großes Interesse daran, dass Großbritannien als wichtiger Handelspartner erhalten bleibt.