- von David Shepardson und Sijia Jiang
Peking/Washington (Reuters) - Der eskalierende Handelsstreit der größten Volkswirtschaften USA und China schürt die Sorge vor einem Einbruch der Weltkonjunktur.
Die von US-Präsident Donald Trump angedrohten Zollerhöhungen für Produkte aus China traten am Freitag in Kraft. Die Führung in Peking kündigte umgehend Gegenmaßnahmen an, ohne allerdings Details zu nennen. "Es gibt keine größere Gefahr für das Weltwirtschaftswachstum", warnte der französische Finanzminister Bruno Le Maire angesichts der Zuspitzung in dem seit Monaten schwelenden Konflikt. Trotz der Spannungen lassen die USA und China den Verhandlungsfaden nicht abreißen. Die jüngste Gesprächsrunde in Washington sollte im Tagesverlauf fortgesetzt werden. "Es gibt absolut keinen Grund zur Eile", twitterte Trump und dämpfte Hoffnungen für eine rasche Einigung.
Die USA hoben um 06.00 Uhr europäischer Zeit (MESZ) am Morgen die Einfuhrgebühr für bestimmte chinesische Produkte von zehn auf 25 Prozent an. Betroffen sind Waren aus 5700 Kategorien im Volumen von 200 Milliarden Dollar. "Zölle werden unserem Land weit mehr Reichtum bringen als selbst ein phänomenales Geschäft nach der traditionellen Art", so Trump. Chinas Handelsministerium erklärte, es "bedauert zutiefst" diesen Schritt, der Gegenmaßnahmen notwendig mache. Zeitgleich suchen beide Länder eine Lösung für den Konflikt. Seit Donnerstag spricht eine chinesische Delegation in den USA mit amerikanischen Unterhändlern. "Wir werden weiter mit China verhandeln in der Hoffnung, dass sie nicht noch einmal versuchen, den Deal erneut anzutasten", schrieb Trump auf Twitter und schob hinterher: "Die Gespräche mit China werden auf sehr angenehme Weise fortgesetzt."
Für etwas Luft in den Verhandlungen dürfte die Tatsache sorgen, dass die bereits von China aus gestartete Seefracht von den neuen Zöllen ausgenommen ist - sofern sie vor dem 1. Juni in den USA ankommt. "Dieser Aufschub könnte ein Zeitfenster öffnen, in dem die USA und China weiterverhandeln können", schrieb die Investmentbank Goldman Sachs (NYSE:GS) in einer Analyse. Dass die Gespräche überhaupt weiter liefen, sei ein "positives Zeichen".
"AUCH US-WIRTSCHAFT DROHT UNGEMACH"
Wirtschaftsexperten befürchten durch den Zollstreit einen Rückgang des Welthandels. Auf die Frage nach der gravierendsten Folge der höheren Zölle antworten sie vorwiegend "weniger Handel", wie eine Umfrage des Ifo-Instituts unter 1130 Volkswirten weltweit ergab. "Tatsächlich haben die wechselseitigen Maßnahmen bereits deutliche Spuren hinterlassen, über internationale Wertschöpfungsketten auch in Drittländern", sagte Commerzbank-Ökonom Bernd Weidensteiner. Knapp ein Fünftel der chinesischen Exporte würden in die Vereinigten Staaten gehen, während umgekehrt sieben Prozent der US-Ausfuhren in den Vereinigten Staaten landen.
"Gießt Donald Trump weiteres Öl ins Feuer, droht auch Ungemach für die US-Wirtschaft", warnte der Chefvolkswirt der Liechtensteiner VP Bank, Thomas Gitzel. Im Hinblick auf die im kommenden Jahr stattfindenden Präsidentschaftswahlen wären dies denkbar ungünstige Voraussetzungen für eine Wiederwahl Trumps. "Eine merkliche Wirtschaftsabkühlung oder gar eine Rezession würde wohl das Ende der Amtszeit von Donald Trump bedeuten", sagte Gitzel. "Gerade aber der stark auf sich fokussierte US-Präsident dürfte dies verhindern zu versuchen."
Zuletzt hat Trump Hoffnungen geweckt, indem er eine Einigung noch diese Woche als möglich bezeichnete. Er habe einen "schönen Brief" von Chinas Präsident Xi Jinping erhalten, sagte Trump am Donnerstag. Darin habe dieser geschrieben, beide sollten zusammenarbeiten und sehen, ob man ein Ergebnis erreichen könne. Zudem hatte Trump erklärt, er werde wahrscheinlich mit Xi telefonieren.
Seit Juli 2018 überziehen sich die beiden größten Wirtschaftsmächte der Welt gegenseitig mit Zöllen, was bereits die globale Konjunktur bremst. Vor Anhängern in Florida hatte Trump China am Mittwoch vorgeworfen, amerikanische Jobs zu stehlen. Das könnten die Vereinigten Staaten nicht hinnehmen. Trump stört sich unter anderem am riesigen Defizit seines Landes im Handel mit China. Er wirft der Volksrepublik unfaire Handelspraktiken und Beschränkungen für ausländische Unternehmen sowie Diebstahl geistigen Eigentums vor. Die USA fordern zudem - ebenso wie die EU - eine Lockerung der chinesischen Restriktionen für ausländische Firmen und einen gleichberechtigten Marktzugang.
Umgekehrt sieht sich aber auch die Volksrepublik benachteiligt. So darf der Telekomkonzern China Mobil nicht in den USA aktiv werden, was die zuständige Federal Communications Commission mit Sicherheitsbedenken begründete. Das Außenministerium in Peking forderte die USA auf, markwirtschaftliche Prinzipien zu respektieren und keinen "unzumutbaren Druck" aufzubauen.