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Börse Frankfurt-News: Das Ende der Geldschwemme? (Hüfners Wochenkommentar)

Veröffentlicht am 11.01.2013, 13:52
Aktualisiert 11.01.2013, 13:56
FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 10. Januar 2013. Martin Hüfner analysiert die Liquiditätssituation in der Eurozone und überlegt mögliche Folgen des Geldmengenrückgangs für Anleger.

Statistiken zur Liquiditätsentwicklung sind normaler­weise nur etwas für Spezialisten. Wer, außer den Zen­tralbanken, interessiert sich schon für die Veränderung der Geldmenge in den verschiedenen Abgrenzungen? Im Augenblick ist das freilich anders. Die Aktienmärkte leben derzeit nicht von Fundamentalfaktoren wie Kon­junktur und Unternehmensgewinne. Ihr Anstieg beruht im Wesentlichen auf der Liquidität. Es ist also wichtig, sich die entsprechenden Daten anzuschauen, um früh­zeitig zu erkennen, wenn sich etwas ändert.

Liquidität geht zurück

Tatsächlich tut sich hier im Augenblick etwas Bemer­kenswertes. Die Grafik zeigt die Entwicklung der Basis­geldmenge in Europa (Bargeld plus Einlagen der Kredit­institute bei der EZB). Das Basisgeld ist vor einem Jahr als Folge der geldpolitischen Krisenbekämpfung dras­tisch angestiegen. Allein im Dezember 2011 und im März 2012 hat die EZB den Banken zusätzlich rund 1.000 Milliarden Euro über zwei langfristige Repo-Geschäfte zur Verfügung gestellt (die sogenannten LTROs = Long-term Refinancing Operations). Seit Juli 2012 geht das Basisgeld aber wieder zurück. Zunächst hielt ich diese Abnahme für ein normales 'Atmen' der Statistik. Ende des Jahres lag die Basisgeldmenge nun aber schon 120 Milliarden unter dem vorherigen Höchststand. Da muss man anfangen, genauer hinzuschauen.

Ausschlaggebend für die Entwicklung der letzten Mona­te war, dass die Notenbank ihre laufenden kürzerfristi­gen Repogeschäfte heruntergefahren hat. Das war frei­lich nicht Ausdruck einer neuen geldpolitischen Strate­gie. Schon gar war es keine monetäre Restriktion. Es zeigte lediglich, dass die Banken kein zusätzliches Geld von der Zentralbank brauchen. Liquidität ist nach wie vor in Hülle und Fülle vorhanden und wäre mehr gebraucht worden, hätte es die EZB zur Verfügung gestellt. Bis jetzt müssen wir uns keine Sorgen machen.

In den nächsten Wochen und Monaten wird sich das Bild aber ändern. Es ist zu vermuten, dass sich der Rück­gang des Zentralbankgeldes dann deutlich verstär­ken wird. Die Gelder, die die Banken im Rahmen des LTRO aufgenommen haben, dürfen nämlich nach einem Jahr vorzeitig zurückgezahlt werden. Es ist zu vermuten, dass die Banken von dieser Möglichkeit im ersten und zweiten Quartal 2013 reichlich Gebrauch machen wer­den.

Derzeit halten sie insgesamt über 700 Milliarden Euro auf den Konten bei der EZB. Davon werden gut 100 Milliarden Euro als Mindestreserve gebraucht. Der Rest sind Über­schussreserven, über die disponiert werden kann. Sie kosten die Banken viel Geld. Denn sie müssen für die EZB-Kredite 0,75 Prozent zahlen, bekommen auf ihren EZB-Konten aber keinen Zins. Es würde mich nicht wundern, wenn sie die EZB-Konten daher räumen und damit die Kredite zurückzahlen würden. Das Basisgeld ginge ent­sprechend zurück. Die Commerzbank hat bereits ange­kündigt, dass sie im ersten Quartal 10 Milliarden Euro an die EZB zurückgeben wird.

Auf den ersten Blick sieht es ganz gefährlich aus, wenn die Basisgeldmenge stärker zurückgeht. Es könnte der Beginn einer geldpolitischen Restriktion sein (so wie das in den USA im Augenblick im Zusammenhang mit einem Ende der QE-Programme diskutiert wird). Das wäre aber eine falsche Interpretation. Gesamtwirtschaftlich gese­hen ist dies kein Rückgang, sondern eine Umschichtung von Liquidität. Liquidität sind ja nicht nur Einlagen, die zinslos (und damit unproduktiv) bei der Zentralbank he­rumliegen. Es ist vielmehr die Fähigkeit, jederzeit billig Geld aufnehmen zu können, wenn sich rentable Anlage­möglichkeiten ergeben. Daran wird sich aber so wie es im Augenblick aussieht nichts ändern.

Man kann in der Entwicklung sogar etwas Positives se­hen. Sie ist ein Zeichen, dass die Märkte wieder funktio­nieren. Die Banken vertrauen sich untereinander. Wenn sie Geld benötigen, gehen sie nicht als Erstes zur Zen­tralbank sondern an den Geldmarkt. Dort ist das Geld sogar noch billiger zu haben. Die Zinsen für unbesicher­tes 3-Monats-Geld liegen derzeit bei 0,20 Prozent verglichen mit den 0,75 Prozent bei der EZB. Durch die Rückzahlung von Krediten der EZB entfällt im Übrigen auch ein Klotz am Bein der Ertragsrechnung der Banken (überschlägig ge­rechnet bei der gegenwärtigen Zinskonstellation ein Be­trag von ca. 4 Milliarden Euro p. a.).

Für den Anleger

Das sagt der Volkswirt: Der Anleger muss freilich vor­sichtig sein. Wenn es zu einem verstärkten Rückgang der Basisgeldmenge kommt (und dies auch in der Öf­fentlichkeit diskutiert wird), wird es als Erstes Unsicher­heit geben. Niemand weiß im ersten Augenblick, was das bedeutet, vor allem wie die Notenbank darauf rea­giert. Für Analysten wird es schwieriger, die Liquiditäts­entwicklung zu verfolgen. Unsicherheit ist immer Gift für die Märkte.

Wenn die Banken den Geldmarkt stärker in Anspruch nehmen, werden zudem die Zinsen dort steigen. Das hätte unter anderem negative Auswirkungen auf den Markt für Festverzinsliche, vor allem bei kürzeren Lauf­zeiten.

Bei Aktien dürfte ein Rückgang des Basisgeldes nach ei­ner Übergangsperiode keinen größeren negativen Ein­fluss haben. Die liquiditätsgetriebene Entwicklung bleibt erhalten, solange EZB-Kredite unbegrenzt erhältlich und die Zinsen so niedrig sind. Das aber wird noch einige Zeit der Fall sein. Was entfällt, ist der Druck auf die Ban­ken, mit den bei der Zentralbank liegenden zinslosen Einlagen 'auf Teufel komm raus' Geld zu verdienen. In Zukunft wird nur noch investiert, wenn sich realistische Chancen auf Kursgewinne ergeben. Das tut der Stabili­tät des Marktes gut. Positiv ist die Entwicklung für Bank­aktien. Hier wird sich zumindest von dieser Seite die Er­tragsrechnung verbessern.

Anmerkungen oder Anregungen? Martin Hüfner freut sich auf den Dialog mit Ihnen: redaktion@deutsche-boerse.com.

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© 10. Januar 2012 /Martin Hüfner

Dr. Martin W. Hüfner ist Chief Economist bei Assenagon Asset Management S.A. Er war viele Jahre Chefvolkswirt beziehungsweise Senior Economist bei der HypoVereinsbank und der Deutschen Bank. In Brüssel leitete er den renommierten Wirtschafts- und Währungsausschuss der Chefvolkswirte der Europäischen Bankenvereinigung. Hüfner schreibt für große internationale Zeitungen wie die Neue Züricher Zeitung oder die Schweizer Finanz und Wirtschaft sowie für große Zeitungen in Deutschland. Er ist Autor mehrerer Bücher, u. a. 'Europa Die Macht von Morgen' und 'Comeback für Deutschland'.

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