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Börse Frankfurt-News: 'Die Angst der Notenbanken vor höheren Zinsen' (Hüfner)

Veröffentlicht am 19.03.2014, 15:30

FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 19. März. Martin Hüfner war in der vorigen Woche bei der Konferenz der ECB-Watchers in Frankfurt und hatte hatte den Eindruck, dass in der Diskussion etwas schief läuft.

Wenn die Konjunktur in den Industrieländern jetzt an Fahrt gewinnt, werden die Notenbanken auch über Zinserhöhungen reden müssen. Ihre Angst davor ist nicht gerechtfertigt. Für die Volkswirtschaften ist es besser, wenn die Zinsen frühzeitig, dafür aber langsam und maßvoll angehoben werden.

Ich möchte mal wider den Stachel in der Geldpolitik lö­cken. Passt das, was die Europäische Zentralbank der­zeit tut, zur Konjunktur? Normalerweise folgen die No­ten­banken dem Auf und Ab der Wirtschaft. Wenn sich das Wachstum verlangsamt, senken sie die Zinsen. Wenn es wieder nach oben geht, dann erhöhen sie sie. In den vergangenen Jahren hatten sie die Zinsen welt­weit dras­tisch herunter genommen.

Jetzt erholt sich die Konjunktur. An sich müssten die Zentralbanken nun darüber nachdenken, die Zinsen wieder anzuheben. Die Grafik zeigt wie die Leitzinsen ent­sprechend der gesamtwirtschaftlichen Erholung

nach oben gehen müssten (siehe gestrichelte Linie in der Grafik).

Damit tun sich die Notenbanken aber außerordentlich schwer. Sie haben sich sogar ein eigenes Instrumentari­um geschaffen, mit dem sie allen Spekulationen über höhere Zinsen entgegen treten. Das ist die 'Forward Guidance'. Es ist das Versprechen, die Zinsen noch für einen längeren Zeitraum niedrig zu halten. Die Europä­ische Zentralbank hält sich sogar die Option offen, ihre Sätze nicht doch noch einmal zu senken oder andere Lockerungsmaßnahmen zu ergreifen.

Es sind zwei Gründe, die die Notenbanken für ihre Hal­tung anführen. Zum einen fürchten sie, dass die Kon­junktur noch nicht ausreichend gefestigt und die Eurokri­se noch nicht überwunden ist. Zum anderen weist vor allem die EZB darauf hin, dass sie nicht auf die gesamt­wirtschaftliche Entwicklung zu achten hat, sondern auf die Erhöhung der Preise. Von dort geht derzeit aber kei­ne Gefahr aus.

Beides ist aus meiner Sicht nicht stichhaltig.

Was die Konjunktur betrifft, so ist sie so stabil wie selten. Sie beruht nicht nur auf zyklischen Faktoren oder auf staatlichen Nachfrage-Impulsen. Sie ist vielmehr das Er­gebnis struktureller Anpassungen und Korrekturen nach der großen Krise. Die Wirtschaft ist heute gesünder als damals. Sicher kann man über das Ausmaß der Erho­lung streiten. Ich kenne jedoch keine Prognose, die da­ran zweifelt, dass es in den USA und in Europa 2014/15 deutlich nach oben geht. Nur im Falle eines großen Crashs in China oder einer drastischen Verschärfung der weltpolitischen Lage weit über das bisher erkenn­bare Maß hinaus, wäre die Konjunktur gefährdet.

Die Notenbanken müssen zudem Rechnung tragen, dass sie durch ein Festhalten an der ultralockeren Geld­politik die Risiken der Weltwirtschaft nicht verringern sondern eher noch vergrößern. Das Sparen der privaten Haushalte wird entmutigt. Dadurch stehen nicht genü­gend langfristige Mittel für Investitionen zur Verfü­gung. Die Stabilität von Banken und Versicherungen lei­det. Es gibt Blasen an den Kapital- und Immobilienmärk­ten.

Hinzu kommt, dass die Zentralbanken bei Leitzinsen von nahe Null zahnlose Tiger sind. Sie haben keine Instru­mente, um bei einem erneuten Absturz der Wirtschaft wirkungsvoll gegensteuern zu können. Es ist daher not­wendig, dass sie die gute Konjunktur nutzen, um wieder 'Munition' für eine aktive Geldpolitik anzusammeln. Dies muss bald geschehen, denn die Geldpolitik ist so weit vom Gleichgewicht entfernt, dass es eine geraume Zeit dauert, bis sie wieder auf einen Normalzustand kommt. Von Zinsniveaus, die die wirtschaftliche Aktivität brem­sen könnten, ist sie noch Meilen entfernt. Wenn die EZB jetzt über höhere Sätze reden würde, wäre das keine Restriktion, sondern eine Normalisierung.

Was die Preisentwicklung angeht, so ist diese nichts, was die Notenbank bekämpfen könnte und sollte. Die niedri­ge Geldentwertung beruht nicht auf einer schwa­chen Wirtschaftsentwicklung. Ihre Gründe sind - zu­mindest in Europa - vielmehr die Konsolidierungs- und Reform­maßnahmen in den großen Schuldnerländern. Diese sollen aber bewusst nicht gebremst oder gemil­dert wer­den, um den Gesundungsprozess der Volkswirt­schaften nicht zu gefährden. Ein anderer Grund für die niedrige Preissteigerung sind die sinkenden Energie­preise. Auch das hat nichts mit Geldpolitik zu tun.

Bei den Preisen gilt wie bei der Konjunktur, dass das Herauszögern einer Zinserhöhung die Situation nicht verbessert, sondern eher verschlechtert. Wenn die Kon­junktur in den Industrieländern so weiter läuft, wird es früher oder später zu Kapazitätsengpässen in einigen Ländern kommen, die dann die Zeit niedriger Geldent­wertung beendet. Wo freilich ein Risiko liegt: Wenn die Europäische Zentralbank erste Anzeichen erkennen lässt, dass die Zinsen nach oben gehen könnten, käme es zu einer weiteren Aufwertung des Eurokurses, der dann die Preisentwicklung noch stärker dämpft. Das ist negativ.

Aus meiner Sicht ist es an der Zeit, dass die Notenban­ken die Diskussion über höhere Zinsen anstoßen. Ich weiß, dass das nicht dem Konsens der Ökonomen ent­spricht. Aber so etwas muss man auch einmal sagen. Ich plädiere nicht für eine sofortige Erhöhung der Leitzin­sen. Das würde Unternehmen und Finanzakteure ver­schrecken. Nötig ist aber, die Märkte vorsichtig darauf vorzubereiten, dass sie nicht ewig mit so niedrigen Sät­zen rechnen können.

Für den Anleger

Glauben Sie den Notenbanken nicht, wenn sie Ihnen jetzt versprechen, dass die Zinsen auf absehbare Zeit niedrig bleiben werden. Diese Politik werden sie nicht durchhalten können. Sie passt nicht zu dem fundamen­talen Umfeld einer beginnenden konjunkturellen Erho­lung. Nur wenn die wirtschaftliche Erholung aus einem jetzt nicht absehbaren Grund abbrechen sollte, wird es keine Zinserhöhung geben.

Anmerkungen oder Anregungen? Martin Hüfner freut sich auf den Dialog mit Ihnen: redaktion@deutsche-boerse.com.

von Martin Hüfner, Assenagon

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© 19. März 2014

Dr. Martin W. Hüfner ist Chief Economist bei Assenagon. Viele Jahre war er Chefvolkswirt der Bayerischen Hypo- und Vereinsbank AG und Senior Economist der Deutschen Bank AG. Er leitete fünf Jahre den renommierten Wirtschafts- und Währungsausschuss der Chefvolkswirte der Europäischen Bankenvereinigung in Brüssel. Zudem war er über zehn Jahre stellvertretender Vorsitzender beziehungsweise Vorsitzender des Wirtschafts- und Währungsausschusses des Bundesverbandes Deutscher Banken und Mitglied des Schattenrates der Europäischen Zentralbank, den das Handelsblatt und das Wallstreet Journal Europe organisieren. Dr. Martin W. Hüfner ist Autor mehrerer Bücher, unter anderem 'Europa - Die Macht von Morgen' (2006), 'Comeback für Deutschland' (2007), 'Achtung: Geld in Gefahr' (2008) und 'Rettet den Euro!' (2011)

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)

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