FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Themen-ETFs locken oft mit hohem Rendite-Potenzial. Doch die Suche nach dem richtigen ETF ist fast so herausfordernd wie die Selektion eines aktiven Fonds. Tipps gibt das ETF Magazin.
24. Juli 2023. MÜNCHEN (ETF Magazin). Börsengehandelte Indexfonds (ETFs) gehören zu den größten und erfolgreichsten Innovationen der Finanzwelt. Seit 1993 in den USA der erste ETF auf den S&P-500-Index aufgelegt wurde, begann ein unaufhaltsamer Siegeszug dieser neuen Fondsgeneration: 30 Jahre später gibt es weltweit fast 10.000 ETFs, in denen aktuell ein beeindruckendes Vermögen von rund 9,7 Billionen US-Dollar steckt. Ein ganz wesentlicher Grund für die weiter zunehmende Beliebtheit der ETFs: Bei diesen Anlageprodukten ist ein langwieriger und aufwendiger Auswahlprozess, wie bei der Selektion aktiver Fonds, nicht aller Regel nicht notwendig. Doch inzwischen gibt es diese Einfachheit nicht mehr bei jeden ETF.
Smartes Konzept
Der wesentliche Performancetreiber eines klassischen ETFs ist der von ihm abgebildete Index. Aufgrund dieser Vorgabe sind der ETF-Anbieter oder die Ausgestaltung des ETFs (Dividendenhandhabung, Art der Replizierung usw.) für den Anlageerfolg bestenfalls von sekundärer Bedeutung. Nachdem der zu investierenden Markt definiert wurde, ist für Investoren meist der wesentliche Teil des Selektionsprozesses abgeschlossen.
Aktive Fonds hingegen erfordern neben der Festlegung des Investitionsschwerpunktes eine genaue Analyse des Anlagestils und vor allem des Fondsmanagements. Gerade dem Portfoliomanagement kommt hierbei eine zentrale Rolle zu. Das Geschick des Managements bei der Auswahl der Anlagen ist schließlich ein wesentliches Element, das über Erfolg oder Misserfolg entscheidet.
Überdies werden ETFs mittlerweile schon für wenige Basispunkte angeboten, während aktive Fonds oft Kostenquoten von 100 Basispunkten und höher aufweisen. Bedenkt man, dass es nur wenige aktive Fonds langfristig schaffen, ihre Benchmark zu schlagen, erhält der Kostenaspekt weiteres Gewicht. Lediglich 5,2 Prozent der aktiven Fonds für US-Standardaktien können über einen Zeitraum von 20 Jahren den S&P-500-Index übertreffen. Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass ETFs es Investoren ermöglichen, einfach und kostengünstig anzulegen, ohne dabei zwangsläufig Renditenachteile in Kauf nehmen zu müssen.
Fokussierten sich ETFs zunächst primär auf marktbreite Indizes wie DAX oder S&P-500, entwickelte sich das Spektrum der verfügbaren Investments im Laufe der Zeit kontinuierlich weiter. Neben neuen Assetklassen wie Anleihen oder Rohstoffen wurden ETFs auch zunehmend spezialisierter. Hierbei sind Investoren heute nicht mehr auf große Indizes oder Sektoren beschränkt, sondern können sektor- und länderübergreifend in ein spezielles Thema investieren.
Diese sogenannten thematischen ETFs bieten für Investoren Zugang zu einem breiten Feld an fokussierten Investitionen. Sie zielen dabei auch auf einen Wesenszug des Menschen ab: Wir mögen Geschichten und gerade thematische ETFs machen diese Geschichten investierbar. Thematische ETF haben dabei den Vorteil, dass man zwar einerseits sehr fokussiert investiert, dabei allerdings immer noch deutlich diversifizierter ist als beim Investment in eine einzelne Aktie.
Thematische Investments als solches sind nichts Neues, immerhin wurde mit dem "Television Fund" bereits im Jahr 1948 der erste thematische Fonds lanciert. Die Produktkategorie wurde jedoch erst durch ETFs ein wirklich bedeutendes Phänomen. ETFs profitierten dabei klar von ihren Kostenvorteilen: In der Auflegung beziehungsweise dem Produktmanagement sind ETFs deutlich günstiger als aktive Fonds, sodass sich auch Fonds mit geringen verwalteten Assets wirtschaftlich anbieten lassen.
Weiterhin erleben wir zurzeit bedeutende gesellschaftliche und technologische Umbrüche, aus denen sich interessante Investmentthesen ableiten lassen. In der Folge gab es bei thematischen ETFs in den vergangenen Jahren einen regelrechten Boom. Allein in den USA hat sich seit 2019 die Zahl thematischer ETFs von rund 90 auf über 270 mehr als verdreifacht, während das verwaltete Vermögen auf mehr als 115 Milliarden Dollar gestiegen ist.
Oft können Investoren heute beim gleichen Thema unter den ETFs mehrerer Anbieter wählen. Gerade bei populären Themen wie der Energiewende gibt es oft fünf oder mehr ETFs, die um die Gunst der Anleger wetteifern. Auf den ersten Blick besteht hier also kein Unterschied zur Welt der "klassischen" Index-ETFs, wo es ebenfalls eine Vielzahl von ETFs und Anbietern für den gleichen Index gibt.
Bedeutsame Unterschiede
Man könnte also annehmen, dass Investoren den Großteil des Selektionsaufwandes in die Auswahl des Anlagethemas als solches investieren sollten und weniger Energie für die Auswahl eines konkreten ETF benötigen. Denn was liegt näher als die Vermutung, dass der Unterschied zwischen einzelnen ETFs, die das gleiche Thema abbilden, ähnlich vernachlässigbar ist, wie beispielsweise bei zwei unterschiedlichen ETF, die den DAX tracken. Wie die Graphik jedoch am Beispiel des Themas Energiewende zeigt, ist dies ein Trugschluss.
Im Zeitraum Ende Juni 2021 bis Mitte Mai 2023 betrug der Performance-Unterschied zwischen dem Themen-ETF mit der besten und dem ETF mit der schlechtesten Kursentwicklung mehr als 20 Prozentpunkte. Der Clean-Energy-ETF mit den größten Verlusten im Beobachtungszeitraum hat also mehr als doppelt so viel verloren, wie der mit den geringsten Verlusten. Auch zeigt sich, dass weder der ETF mit der besten noch der mit der schlechtesten Entwicklung ein Ausreißer in die eine oder andere Richtung ist. Vielmehr ordnen sich die übrigen ETFs mit ihrer Kursentwicklung nahezu gleichmäßig verteilt zwischen Spitze und roter Laterne ein.
Offensichtlich ist also die Welt bei thematischen ETFs nicht so einfach wie bei "klassischen" Index-ETF. Doch woran liegt das? Die Antwort auf diese Fragen liegt in einer Besonderheit von thematischen ETFs begründet. Im Gegensatz zu "klassischen" ETFs, die die etablierten Indizes abbilden, existieren diese Benchmarks bei thematischen Investments nicht. Diese ETFs bilden Themen ab, welche in der Regel global und sektorübergreifend sind.
Dabei gibt es jedoch keine festen Regeln. Denn so wie jede Person die gleiche Geschichte mit unterschiedlichen Nuancen erzählt, so interpretieren auch die ETF-Anbieter jedes Thema individuell. Das hat zur Folge, dass die überwiegende Mehrzahl der thematischen ETFs einen exklusiv für diesen ETF kreierten Index abbilden. Zwischen diesen Indizes bestehen jedoch hinsichtlich der Auswahlkriterien oft gravierende Unterschiede, beispielsweise bei der Titel-Anzahl oder der Untergrenze der relevanten Umsätze einer im Index enthaltenen Firma. Einige ETFs setzen diese Schwelle recht niedrig an, etwa bei 10 Prozent, während andere 50 Prozent oder mehr Umsatzanteil de Unternehmens im entsprechenden Thema fordern. Daraus ergibt sich dann oft schon zwangsläufig ein Unterschied bei der Marktkapitalisierung der im Index enthaltenen Mitglieder. Denn je mehr Umsätze ein Unternehmen in einem speziellen Segment macht, desto geringer ist dann meist auch die Marktkapitalisierung.
All diese Faktoren wirken sich maßgeblich auf die Eigenschaften des Index, sein Verhalten in unterschiedlichen Marktphasen und die allgemeine Volatilität aus. Vor allem aber führt dies dazu, dass die Produkte - trotz nahezu identischer Namen - eigentlich kaum miteinander vergleichbar sind. So findet sich unter den Top-10-Holdings der betrachteten ETFs kein Unternehmen, das in allen ETFs enthalten ist. Lediglich ein Name taucht hier viermal auf, allerdings schwankt die Gewichtung dieses Titels zwischen 3,7 Prozent und 8,1 Prozent. Aufgrund dieser Diversität in der Konstruktion sollte man die Themen-ETFs daher nicht pauschal als gut oder schlecht einsortieren. Es ist wichtig, sich in Erinnerung zu rufen, dass Märkte in unterschiedlichen Phasen von unterschiedlichen Faktoren angetrieben bzw. ausgebremst werden. Daher ist es nur natürlich, dass sich diese Produkte im Zeitablauf abweichend voneinander entwickeln und über kurzfristige Zeiträume die "Performance-Leadership" variiert.
Die Selektion thematischer ETFs ist somit deutlich komplexer, als es auf den ersten Blick erscheint. Im Gegensatz zu klassischen ETF können sich Anleger bei diesen ETFs nicht darauf verlassen, dass ein ähnlicher Name bedeutet, dass man in ein ähnliches Portfolio investiert. In der Konsequenz erfordert deshalb die Auswahl thematischer ETFs einen Prüfaufwand, der mit dem Aufwand bei aktiv gemanagten Fonds vergleichbar ist: Was das Fondsmanagement bei aktiven Fonds, ist der Index bei thematischen ETFs.
Um wirklich zu verstehen, nach welchen Kriterien ein solcher ETF investiert, ist das ausführliche Studium der Indexregeln anhand des sogenannten "Index Rulebook" unerlässlich. Diese Beschreibungen sind jedoch meist nur nach längerer Recherche im Internet auffindbar und mitunter lediglich auf Englisch verfügbar. Überdies findet sich dort viel Fachjargon, was die Analyse insbesondere für Privatanleger erschwert. Eine weitere Herausforderung besteht darin, dass historische Peer-Group-Vergleiche ebenfalls kein verlässliches Kriterium sind. Aufgrund der individuellen und fixen Index-Charakteristika sollte nicht vermutet werden, dass sich ein Themen-ETF in allen Marktphasen ähnlich gut oder schlecht zu den anderen ETFs in seiner Gruppe verhält.
Basierend auf dieser Annahme muss man sogar die Frage aufwerfen, ob sich thematische ETFs selbst bei langfristigen Trends als "buy-and-hold" Investment eignen. Da sich die ETFs nicht grundsätzlich in Gut oder Schlecht eingruppieren lassen, wäre es für Anleger vermutlich vorteilhaft, auch innerhalb eines Themas aktiv einzugreifen, ETFs zu tauschen und den thematischen Ansatz somit kontinuierlich den aktuellen Marktgegebenheiten anzupassen.
Ernüchternde Erkenntnis
Als Fazit lässt sich festhalten, dass thematische ETFs es Investoren ermöglichen, diversifiziert in überregionale und sektorübergreifende Trends zu investieren. Sie ermöglichen es somit, gezielt gewisse Schwerpunkte im Depot zu setzen und können als Satellitenstrategie Mehrwert im Portfoliokontext generieren. Bei der Auswahl der geeigneten ETFs ist eine eingehende Prüfung des gewählten Investmentansatzes jedoch unerlässlich. Ebenso sollte der gewählte ETF kontinuierlich auch dahin gehend überwacht werden, ob seine Umsetzung des gewählten Themas zur aktuellen Marktsituation passt. Somit stellen thematische Ansätze für das Anlagevehikel der ETF nichts Geringeres dar, als die Abkehr vom Versprechen der Einfachheit.
von Stephan Kemper, Juli 2023, © ETF Magazin
Der Artikel stammt aus der aktuellen Ausgabe des ETF Magazins, dem Fachjournal für Profis und informierte Anleger*innen.
Sie können sich das Magazin als PDF herunterladen: boerse-frankfurt.de/etf-magazin.
(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse (ETR:DB1Gn) AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.