Von Geoffrey Smith
Investing.com -- Die Blockade des Suezkanals letzte Woche ließ einige monströse Zahlen über den Ticker laufen, die einen auf den ersten Blick schaudern ließen.
Durch den Suezkanal werden etwa 12% des Welthandels abgewickelt, darunter 1 Million Barrel Öl und raffinierte Produkte täglich, sowie etwa 8% der gesamten Handelsmenge an verflüssigtem Erdgas. Über 19.000 Schiffe fuhren 2019 durch den Kanal und transportierten 1,25 Milliarden Tonnen Fracht.
Llyods List, das Fachblatt für Schifffahrtsversicherungen, schätzt, dass jeden Tag Waren im Wert von 9,6 Milliarden Dollar durch den Kanal transportiert werden. Multipliziert man das mit den (effektiv) sieben Tagen, in denen die Durchfahrt unterbrochen war, kommt man auf ein Handelsvolumen von etwa 70 Milliarden Dollar, das unmittelbar davon betroffen war.
Und doch ist es unwahrscheinlich, dass die Verbraucher auf der Welt überhaupt wahrnehmen, dass etwas nicht stimmt. Die nächste Maschine braucht vielleicht eine weitere Woche, bis sie ankommt, die nächste Tankfüllung kostet vielleicht etwas mehr (vor allem in Europa), aber die meisten Waren, die sich auf dem Transportweg befinden, behalten den Großteil ihres Wertes für diese zusätzliche Woche, und die Verluste, so groß sie auch sind, verteilen sich leicht auf einen globalen Markt, der viel, viel größer ist als die Zahlen, die von enthusiastischen Schreiberlingen und Redakteuren aufgegriffen werden.
"Es existieren Bewältigungsmechanismen", so die Analysten von Euler Hermes, eine auf Handelsversicherungen spezialisierte Sparte der Allianz (DE:ALVG), in einem Blogbeitrag Ende letzter Woche. Sie schätzten, dass eine einwöchige Blockade das Wachstum des Welthandels in diesem Jahr um nicht mehr als 0,4% schmälern würde.
Das wirkliche Problem mit dem Suez-Zwischenfall ist, dass er "der Strohhalm ist, der den Rücken des Kamels bricht" und zu den unzähligen anderen Belastungen durch die Pandemie hinzukommt. Laut IHS Markit stiegen die durchschnittlichen Inputpreise in der Eurozone im März so stark wie seit einem Jahrzehnt nicht mehr. Die Lieferzeiten der Zulieferer verlängerten sich so stark wie nie zuvor in der 23-jährigen Umfragegeschichte des Forschungsunternehmens. In den USA erreichte der Subindex des Institute of Supply Management für die gezahlten Preise im März ein 13-Jahres-Hoch.
Diese trockenen Statistiken sind inzwischen in ein konkretes und für jeden Menschen sofort verständliches Bild gegossen worden. Die Befürchtung ist, dass solche Störungen in Kombination mit der ultralockeren Geldpolitik der globalen Zentralbanken eine schädliche Inflationsspirale in Gang setzen werden.
Solche Befürchtungen mögen übertrieben erscheinen, aber das Bild des kraftlosen Schaufelbaggers, der den Dreck des darüber aufragenden Schiffes wegschaufelt, dürfte die künftige politische Debatte über die Bedeutung der "Reshoring"-Produktion beeinflussen, nachdem diese drei Jahrzehnte lang nach China ausgelagert wurde. Dadurch erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass Gesetze zur Förderung der heimischen Produktion - ob Halbleiter in den USA oder Impfstoffe in Europa - verabschiedet werden, wo immer sie vorgeschlagen werden.
Handelsökonomen, die das Allgemeine über das Spezifische stellen, werden dies als eine schlechte Sache ansehen. Sie argumentieren, dass eine solche Lokalisierung ineffizient ist. Die Unternehmen werden mehr Betriebskapital benötigen, um ihr Geschäft aufrechtzuerhalten, was ihre Rentabilität verringert. Das ist schlecht für die Aktienkurse und auch schlecht für Anleihen, da die Unternehmen ihr Bestes tun werden, um die höheren Inputkosten auf die Verbraucher abzuwälzen.
Die Gegner der Globalisierung, vor allem in der wohlhabenden Welt, werden sagen, dass die Gewinne aus solchen Effizienzsteigerungen ohnehin nicht schützenswert sind. Sie seien nicht genug Menschen zugute gekommen, und die Einbußen würden nur die 1% spüren, die die Megaprofite aus der modernen Technologie abschöpfen, argumentieren sie.
Wer einen Blick auf alles um sich herum in seinem Haus wirft, erkennt schnell, dass letzteres nicht zutrifft. Wie viel mehr hätten Sie für all diese Waren bezahlen müssen, wenn sie in Deutschland, Großbritannien oder den USA hergestellt worden wären? Und doch sind die Handelsökonomen auch schuld daran, dass sie das Versagen westlicher Regierungen bei der Unterstützung und Umschulung derjenigen übersehen, die durch jahrzehntelanges Offshoring benachteiligt wurden, wie es die Wählertrends der letzten 10 Jahre gezeigt haben.
Es mag immer noch unmöglich sein, ein 400 Meter langes Schiff in einem Kanal zu wenden, der nur 300 Meter breit ist. Aber das Ungetüm Welthandel, obwohl extrem schwerfällig, stellt eine ganz andere Hausnummer dar.