Am 19. November erschien ein Beitrag mit dem Titel „Yardeni And The Long History of Stock Market Prediction Problems“, verfasst von Lance Roberts, dem Chief Investment Strategist bei RIA Advisors. Darin bezeichnete er mich, Ed Yardeni, als einen „Permabullen“. Der gesamte Artikel war klar kritisch gegenüber meiner positiven Prognose für die „Roaring 2020s“ und auch gegenüber meinen häufig optimistischen Einschätzungen zur Wirtschaftslage und zum Börsengeschehen:
„Zusammenfassend verlockt Yardenis optimistischer Ausblick zwar, doch es bestehen verschiedene Risiken, die dieses bullische Bild ins Wanken bringen könnten. Erstens zeigen uns historische Ereignisse, dass unerwartete Konjunktureinbrüche auch während scheinbar unaufhaltsamer Boomphasen schnell den Markt drehen können. Wie erwähnt, war Yardeni in der Vergangenheit mehrfach bullish, bis die wirtschaftliche Realität diesen Annahmen entgegenstand.“
Jetzt stellt sich natürlich die Frage: Bin ich wirklich ein „Permabulle“? Um es gleich zu beantworten: Ja, in gewisser Weise trifft das zu, und ich kann damit leben! Es gibt nämlich sehr viele angesehene Analysten und Investoren, die ständig ein ungutes Gefühl haben – die „Permabären“. Sie verweisen oft auf mögliche Gefahren und Szenarien, in denen eine Rezession oder ein Markteinbruch nur wenige Wimpernschläge entfernt scheint. Und weil ich deren Argumente gut kenne und gelegentlich dagegenhalte, wirke ich in den Augen vieler wie ein permanenter Optimist. Ich versuche halt, zu schauen, was gut laufen könnte, statt mich nur darauf zu konzentrieren, was schieflaufen könnte.
Gerade weil die Bären in ihren Analysen häufig sämtliche potenziellen Risiken durchkauen, haben sie in dem Bereich eine nahezu lückenlose Argumentation. Mich persönlich fasziniert ihr Pessimismus, aber er führt dazu, dass ich die andere Seite hervorheben möchte: Oft schlummern Chancen und positive Aspekte im Hintergrund, die die Bären entweder zu klein reden oder völlig übersehen. Mir ist bewusst, dass negative Nachrichten mehr Aufmerksamkeit bekommen. Doch als Gegenpol rücke ich eben gern die Lichtblicke in den Vordergrund.
Ob ich also den „Titel“ eines Permabullen verdiene? Mit Freude! Ich sehe das fast als Auszeichnung. Wenn ich irgendwann einmal wirklich für immer meine Augen schließe, fände ich es charmant, wenn auf meinem Grabstein stünde: „Ed Yardeni, 1950–2050. Meist bullisch – und meistens richtig!“ Natürlich kann man mich für meinen Optimismus kritisieren, aber ich stehe dazu. Die US-Wirtschaft ist schon oft resilienter gewesen, als die Leute dachten, und der Aktienmarkt tendiert über lange Strecken nach oben – das ist meine Erfahrung aus Jahrzehnten intensiver Marktbeobachtung.
Um zu verstehen, woher mein Optimismus rührt, lohnt sich ein Blick auf einige grundlegende Fakten:
1. Die vergangenen fünf Jahrzehnte verzeichneten nur sechs Bärenmärkte
Als ich im Januar 1978 meinen ersten Job an der Wall Street bei EF Hutton antrat, stand der S&P 500 ungefähr bei 90 Punkten. Schaut man sich den Index heute an, so notiert er bei rund 6000 Punkten. Das ist ein gewaltiger Anstieg: Das 66,6-Fache innerhalb von 47 Jahren! Hätte ich damals das Kapital gehabt, um direkt zu investieren, und wäre ich durchgehend zuversichtlich geblieben, hätte ich eine der unglaublichsten Rallys der Börsengeschichte voll mitgenommen.
In dieser gesamten Periode gab es lediglich sechs echte Bärenmärkte. Jede dieser Phasen dauerte im Schnitt kaum länger als ein Jahr. Man könnte also sagen: Wer vorschnell ausgestiegen ist, hat viel vom langfristigen Aufwärtstrend verpasst. Und wer zu lange gezögert hat, ist den Kursen hinterhergehechelt. Das ist einer der Gründe, warum ich so optimistisch auf lange Sicht bleibe: Wenn der Markt sich so selten und so kurz in einem Bärenzustand befindet, sollte man aufpassen, sich nicht durch kurzfristige Risiken dauerhaft von diesem Wachstum abzuschneiden.
2. Rezessionen sind selten und halten nicht ewig an
In den USA legt das National Bureau of Economic Research (NBER) genau fest, wann eine Rezession beginnt und wann sie endet. Historisch gesehen dauerte eine US-Rezession zwischen 1854 und 2020 rund 17 Monate. Schaut man aber allein auf die Phase seit dem Zweiten Weltkrieg, also von 1945 bis 2023, liegt die durchschnittliche Rezessionsdauer sogar nur bei ungefähr 10 Monaten. Und im selben Zeitraum sind Rezessionen insgesamt nur 13 % der Zeit überhaupt vorgekommen (genauer gesagt gab es 12 Rezessionen, die zusammen 13 % des Zeitraums ausmachen). Wer also langfristig dabei ist, wird nur relativ selten und kurz von Rezessionen erwischt. Danach kommt meist wieder eine Phase, in der die Wirtschaft wächst und Aktienkurse anziehen.
3. Ein Grund dafür, dass Bärenmärkte selten sind und relativ kurz bleiben, ist die Verbindung zu Rezessionen
Schaut man auf die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, haben wir zehn Bärenmärkte im S&P 500 gezählt, und acht davon liefen zeitgleich mit einer Rezession. Sobald sich die Konjunktur erholt, ist meist auch der Bärenmarkt schnell vorbei. Das ist einer der Hauptgründe, warum viele Abwärtsphasen gar nicht so lange andauern.
4. Bärenmärkte halten den säkularen Bullenmarkt am Leben – und das schon fast ein Jahrhundert lang
Nach Angaben der Plattform Seeking Alpha gab es seit 1928 ganze 28 Bärenmärkte im S&P 500, durchschnittlich mit einem Minus von 35,6 % – das klingt erst mal dramatisch. Aber selbst diese Abwärtsbewegungen dauerten in der Regel nur 289 Tage (rund 9,5 Monate). Eine ergänzende Statistik von ABC News fokussiert sich auf die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg und zeigt, dass ein Bärenmarkt im Schnitt 13 Monate vom Höchststand bis zum Tief braucht. Anschließend dauert es oft rund 27 Monate, bis der Index die Verluste wieder aufgeholt hat. Kurzum: Der durchschnittliche Kursrückgang in so einer Phase liegt bei rund 33 % – doch nach einiger Zeit ist der Markt meist wieder auf dem gleichen Niveau oder sogar noch höher.
Betrachtet man die gesamte Zeit seit dem großen Crash der frühen 1930er Jahre, dann sehen wir eine dominante, langjährige Hausse, also einen säkularen Bullenmarkt. Bärenmärkte hatten dabei immer ihre Funktion: Sie haben spekulative Übertreibungen und zu hohe Bewertungen wieder auf ein gesundes Fundament gebracht, woraufhin es weiter nach oben gehen konnte.
An der Kritik von Herrn Roberts stört mich vor allem sein unbewiesener Vorwurf, meine grundsätzlich bullischen Vorhersagen würden immer wieder von „harten Fakten“ konterkariert. Ich glaube, er hat meine Prognosehistorie nicht wirklich im Blick. Der Titel seines Artikels klingt da eher nach „Clickbait“, also nach einer Überschrift, die primär für Klicks sorgen soll. Zudem scheint er zu übersehen, dass ich meine Sicht der Dinge durchaus mit Risikofaktoren ergänze und dabei sogar subjektive Eintrittswahrscheinlichkeiten für alternative Szenarien mitgebe.
Um klarzustellen, wie meine Prognosen über die Jahre wirklich aussahen, gebe ich hier eine knappe Übersicht. Damit möchte ich veranschaulichen, dass ich zwar häufig, aber nicht blindlings optimistisch bin – und dass ich in der Vergangenheit tatsächlich mehrheitlich richtig gelegen habe:
Die Anfänge meiner Karriere
In der frühen Baisse der 1980er Jahre war ich klar auf der bärischen Seite. Im August 1982 wechselte ich jedoch ins Bullenlager – gerade rechtzeitig zum Tiefpunkt. Beim kurzen, aber heftigen Abschwung von 1987 habe ich das Top nicht exakt getroffen, dafür aber den Boden im Dezember jenes Jahres richtig erkannt.
Darüber hinaus gehörte ich in den 1980er Jahren zu den ersten Analysten, die stark darauf setzten, dass die Inflation sinken würde und sich so die Anleiherenditen von über 10 % in Richtung einstelliger Werte bewegen würden. Ich war fest davon überzeugt, dass das den Aktienmarkt ankurbeln würde. Zu Beginn der 1990er Jahre vertrat ich eine eher unübliche Meinung: Das Ende des Kalten Krieges wirkte für mich stark bullish. Außerdem identifizierte ich früh das Potenzial der High-Tech-Revolution und riet im S&P 500 dazu, den Technologiesektor höher zu gewichten, was damals noch manche Stirnrunzel bei den Konservativeren auslöste.
Meilensteine beim Dow Jones
Am 9. Mai 1990 machte ich das erste Mal öffentlich die Prognose, der Dow Jones könne bis 1993 die Marke von 5000 Punkten erreichen. Ganz so schnell klappte es nicht, aber 1995 war es dann so weit, was immer noch eine beachtliche Steigerung war. Danach sagte ich vorher, dass der Dow bis zum Jahr 2000 auf 10.000 Punkte steigen könnte – und siehe da, am 29. März 1999 wurde diese Marke sogar vorzeitig überschritten.
Ich gebe zu, meine Timings waren nicht millimetergenau. Mal lag ich ein wenig daneben, mal war ich sogar zu vorsichtig. Aber insgesamt stimmte die Richtung, was mir ein gewisses Vertrauen in langfristige Markttrends gibt.
Wende zur Tech-Blase
Ende der 1990er Jahre drehte ich auf bärisch. Zwei Gründe spielten dabei eine Rolle: Zum einen wirkten mir die Bewertungsniveaus gerade im Technologiesektor extrem überhitzt. Zum anderen ging ich davon aus, dass das Y2K-Problem (also das Jahr-2000-Problem bei Computern) zu einer Rezession führen könnte. Rückblickend hatte ich im Kern Recht, wobei sich die Rezession dann hauptsächlich dadurch entwickelte, dass riesige IT-Investitionen vorgezogen wurden und die Nachfrage anschließend abrupt abflaute.
Nach Chinas WTO-Beitritt am 11. Dezember 2001 war ich besonders optimistisch, was den globalen Aufschwung und die Nachfrage in den Sektoren Materialien, Energie und Industrials betraf. Im Juni 2007 sah ich eine klare Überhitzung im Bereich der Finanzwerte, allerdings unterschätzte ich die Fallhöhe, weil ich nicht damit rechnete, dass die US-Notenbank (Fed) eine Pleite der Investmentbank Lehman Brothers zulassen würde. In der Finanzkrise von 2008 gab es dann einen dramatischen Einbruch. Immerhin erkannte ich aber im März 2009 sehr zügig, dass der Tiefpunkt erreicht war.
Bullisch in der Post-Krisen-Ära
Nach dem Crash 2008/09 erholte sich der Markt über Jahre hinweg – bis die COVID-19-Pandemie Anfang 2020 wie ein Keulenschlag zuschlug. Zwischen 2009 und 2020 erlebten wir eine lange Rally, die nur von diversen „Panik-Momenten“ unterbrochen wurde. So habe ich damals aufgelistet, dass es in diesem Bullenmarkt ganze 66 Korrekturen oder „Panik-Momente“ gab, wobei ich mich niemals dauerhaft vom Markt abgewandt habe.
Die „Permabären“ warnten in dieser Zeit ständig vor einer baldigen erneuten Krise, doch letztlich fuhr man mit einer bullischen Grundhaltung sehr gut. Einige dieser Rücksetzer kamen zwar heftig, waren aber genauso schnell vorbei. Das lehrt mich persönlich, dass man zwar immer vorsichtig sein sollte, aber nicht übervorsichtig.
Pandemie-Schock und jüngste Entwicklungen
Selbstverständlich kam der Höchststand vom 19. Februar 2020 ohne eine „Achtung, jetzt toppen wir“-Durchsage. Ich habe den Höhepunkt nicht minutiös prognostiziert. Doch als es dann ab dem 23. März 2020 einen Boden zu geben schien, habe ich die Situation fast sofort als Chance betrachtet. Auch bei der Korrektur Anfang 2022 rechnete ich mit einem Abwärtsimpuls, der zwar kürzer als befürchtet ausfiel, sich aber als eigenständiger Bärenmarkt klassifizieren lässt. Seit dem 12. Oktober 2022 bin ich wieder bullisch, weil ich davon ausgehe, dass sich der Markt erst einmal weiter stabilisiert. Meine aktuelle Projektion verweist auf eine mögliche, zeitlich begrenzte Korrektur Anfang 2025 – aber nichts, was den Markt nachhaltig in die Tiefe reißen sollte.
Führend bei S&P-500-Prognosen
Sowohl im Jahr 2023 als auch für 2024 lag Yardeni Research gemeinsam mit Fundstrat an der Spitze, was die Kursziele für den S&P 500 angeht. Wir haben uns da also ziemlich weit aus dem Fenster gelehnt, während andere Häuser deutlich niedrigere Zahlen nannten. Ich sehe das als Ausdruck von Zuversicht. Klar, man kann sich immer irren, aber langfristig war meine Philosophie: Wenn ich zwischen einer begründeten Zuversicht und einer eher panischen Grundstimmung wählen muss, fällt die Entscheidung meist auf die Zuversicht – auf die Gefahr hin, dafür ein wenig Kritik einzustecken.
Meine Sicht auf die Rezessionsgefahr
In den vergangenen drei Jahren haben viele Analysten unentwegt postuliert, dass die Zinserhöhungen der US-Notenbank fast unweigerlich zu einer klassischen, breit angelegten Rezession führen müssten. Ich habe mich dem entgegengestellt und argumentiert, dass wir stattdessen „rollierende Rezessionen“ sehen – also zeitlich versetzte und branchenbezogene Schwächephasen, ohne dass die Gesamtwirtschaft kollabiert.
Außerdem widerprach ich der verbreiteten Auffassung, wonach die US-Konsumenten ihr Kaufverhalten massiv zurückfahren würden, sobald die zwei Billionen Dollar an „Überschuss-Ersparnissen“ aus der Pandemie aufgebraucht sind. Stattdessen verwies ich darauf, dass eine ganze Generation von Babyboomern nun in Rente geht und im Schnitt riesige Vermögenswerte besitzt, von denen sie ebenfalls lebt. Zusätzlich prophezeite manch ein Experte eine Kreditklemme nach den Zinserhöhungen, die aber weitgehend ausblieb, was meiner Meinung nach ein weiterer Grund ist, wieso es nicht zur großen Rezession kam.
Die „dunkle Seite“
Keine Sorge, ich habe nichts gegen Permabären. Einige sind meine Freunde, und sie sind oft richtig brillant. Ich lese ihre Analysen gerne, denn sie zeigen detailliert, was schiefgehen könnte. Zudem haben sie ein Talent dafür, in der medialen Öffentlichkeit Gehör zu finden. Laut Microsoft (NASDAQ:MSFT) CoPilot zählen zu dieser Bärengarde Leute wie Jeremy Grantham, Marc Faber, Harry Dent, David Tice, Albert Edwards, John Hussman, Peter Schiff, Nouriel Roubini und David Rosenberg – allesamt Köpfe, die man auf keinen Fall unterschätzen sollte.
Neu hinzugekommen ist kürzlich das Ökonomen-Team von Goldman Sachs (NYSE:GS), das sich momentan eher auf der skeptischen Seite sieht und für die nächsten zehn Jahre lediglich eine annualisierte Rendite von 3 % für den S&P 500 (vor Inflation) prognostiziert. Das steht im öffentlichen „Briefing“ von Goldman Sachs vom 25. Oktober. Dort argumentieren sie, die aktuelle Bewertung des Marktes sei ein entscheidender Grund, weshalb die künftigen Renditen so niedrig ausfallen könnten: „Hohe Einstiegspreise deuten rein theoretisch auf tiefere Erträge hin“, schreibt David Kostin, Chief US Equity Strategist bei Goldman Sachs Research.
Damit steht im Raum, dass das Kurs-Gewinn-Verhältnis in zehn Jahren niedriger ist als heute. Das kann man sich vorstellen, ist aber keineswegs sicher. Es könnte genauso hoch oder sogar höher ausfallen. Wir haben es hier mit einem klassischen „known unknown“ zu tun: Wir wissen, dass wir es nicht sicher wissen!
Zwar wirken die momentanen Bewertungsniveaus historisch betrachtet tatsächlich ambitioniert. Dennoch kann es passieren, dass wir in zehn Jahren immer noch ähnliche, wenn nicht sogar höhere Bewertungen sehen – selbst wenn es zwischendurch Turbulenzen geben sollte. In diesem Fall dürften Gewinne und Kurse gleichzeitig wachsen. Nach meiner Einschätzung käme man dann auf eine Jahresperformance, die eher doppelt so hoch läge wie die von Goldman Sachs genannten 3 % – und wenn man Dividenden mit einrechnet, könnte das aufs Jahr gesehen nahe 11 % liegen.
Und wer weiß, vielleicht erleben wir in den 2020ern und 2030ern echte Boomjahre, die das Kurs-Gewinn-Verhältnis noch weiter in die Höhe treiben. Natürlich sind das optimistische Annahmen. Aber es unterstreicht, dass man nicht automatisch davon ausgehen kann, künftige Bewertungen wären günstiger als heute.
Am Ende ist es fast wie bei „Star Wars“: Man kann sich entscheiden, zur dunklen Seite (den Permabären) oder zur hellen Seite (den Permabullen) zu gehören. Einige Bären haben tatsächlich mal einen Markthöhepunkt korrekt erraten, doch sie liegen häufig daneben, wenn es darum geht, tiefere Einstiegszeitpunkte zu identifizieren. Sie neigen dazu, bereits vor dem Top zu verkaufen und sich weiter zu ängstigen, während der Markt dann oft irgendwann wieder dreht.
Die Permabullen, zu denen ich mich dazuzähle, folgen der Überzeugung: „Time in the market beats timing the market.“ Zu diesem Lager gehören auch Warren Buffett, Jeremy Siegel, Tom Lee, Jim Paulsen und Brian Belski. Ein weiterer Börsenspruch trifft es gut: „Die Bären klingen oft sehr klug, aber die Bullen verdienen das Geld.“
Heißt das nun, dass Pessimisten immer falschliegen? Natürlich nicht. Manchmal haben sie auch gute Punkte, gerade was zyklische Risiken angeht. Allerdings ist es meine Überzeugung, dass der US-Aktienmarkt historisch bewiesen hat, wie robust er ist. Das heißt nicht, dass es nicht auch richtige Crashs gab oder dass es nicht wieder passieren kann. Doch wer permanent auf den Untergang setzt, verpasst womöglich 80 % der Zeit, in der der Markt eben nicht untergeht, sondern kontinuierlich neue Chancen liefert.
Wenn Sie mehr über meine langjährige Erfahrung, die verschiedenen Vorhersagen und die Hintergründe meiner Analysen erfahren möchten, ist vielleicht mein Buch „Predicting the Markets: A Professional Autobiography“ (2018) interessant für Sie. Wer ungefähr in meinem Alter ist, den erwartet eine Art Spaziergang durch viele bekannte (und teils vergessene) Marktentwicklungen. Die Jüngeren könnten darin einen Schnellkurs bekommen, wie die Finanzwelt sich in den letzten 40 Jahren gewandelt hat – inklusive der Fehler, die wir alle dabei gemacht haben, und der Erkenntnisse, die wir daraus ziehen können.
Was bleibt nun als Fazit? Mr. Roberts hat mich einen „Permabullen“ genannt, und ich nehme das durchaus als Schulterklopfen. In meiner Erfahrung zeigt sich immer wieder: Wer eine konstant bärische Haltung einnimmt, mag gelegentlich recht spektakuläre Tops voraussagen, aber ihm entgeht meist das enorme Potenzial des Marktes, der sich in den letzten Jahrzehnten immer wieder als innovationsfreudig, verbraucherstark und insgesamt dynamisch bewährt hat. Natürlich gibt es Risiken, und natürlich kann die Börse gehörig schwanken. Doch in der Summe bleibe ich bei der Auffassung, dass der langfristige Trend weiterhin aufwärts gerichtet ist.
Gerne darf man mich belächeln und als „zu bullisch“ abtun – ich werde damit leben. Denn bei genauer Betrachtung hat die Vergangenheit oft gezeigt, dass Optimismus kein Hirngespinst ist, sondern von den Fakten durchaus bestätigt wurde. Wenn es sich irgendwann ändert, werde ich es sicher nicht verschweigen, doch im Moment habe ich keinen Anlass, meinen Blick auf den US-Aktienmarkt grundlegend zu revidieren. Daher: Ja, ich bin ein Permabulle, und damit fahre ich bislang ganz ordentlich.