Investing.com - Während der Optimismus über die US-Wirtschaft zunimmt, halten die Anleger den Atem an und warten gespannt auf die Kommentare einiger wichtiger Zentralbanker. Doch nicht nur das belastet die US-Futures, auch der Ölpreis zeigt ungeahnte Auftriebe. Doch was für gewisse Branchen ein Segen ist, könnte für andere ein Fluch sein. Insbesondere der jüngste Bericht über mögliche Einschränkungen des Chip-Exports für künstliche Intelligenz nach China durch die US-Regierung schlägt hohe Wellen und lässt die Aktien von Nvidia an der Spitze der heutigen Verlierer marschieren.
1. Futures rutschen ab
Für die US-Futures geht es im heutigen Handel auf breiter Front nach unten. Überraschend gute US-Konjunkturdaten schüren die Furcht vor weiteren Zinserhöhungen durch die Fed. Gespannt blicken die Anleger daher auf den Auftritt von Fed-Chef Jerome Powell im Laufe des Tages.
Unterdessen erwägt die US-Regierung neue Beschränkungen für den Export von Chips für künstliche Intelligenz nach China, berichtet das Wall Street Journal. Auch das wirkte sich negativ auf die Stimmung an den Börsen aus.
Aktuell steht der Dow Jones-Future mit 17 Punkten im Minus, der S&P 500 verliert 0,2 % und der Nasdaq 100 wird 0,5 % tiefer notiert.
Die drei wichtigsten Börsenindizes konnten sich gestern kurzzeitig erholen. Der technologielastige Nasdaq Composite rückte um 1,6 % vor. Der Standardwerteindex Dow Jones Industrial konnte eine sechstägige Verlustserie beenden, während der S&P 500 ebenfalls nach fünf Minustagen die Kurve ins Plus bekommen hatte.
Trotz der jüngsten Schwächen auf dem Markt sind die wichtigsten Indizes dank einer Rallye bei den Wachstumswerten, einer positiven Berichtssaison und Wetten darauf, dass die Fed ihre geldpolitische Straffung bald beenden wird, auf dem besten Weg zu soliden Quartalszugewinnen.
Kurz vor Börsenöffnung in den USA stellt der Lebensmittelgigant General Mills (NYSE:GIS) seine Quartalszahlen vor, während Micron Technology (NASDAQ:MU) seine Zahlen nach Börsenschluss vorlegen wird.
2. Optimistischer Wirtschaftsausblick
Wirtschaftsdaten von gestern deuten darauf hin, dass sich die US-Wirtschaft trotz der Rezessionsängste weiterhin auf einem soliden Fundament befindet. Sie deuten aber auch darauf hin, dass die US-Notenbank Fed die Zinssätze wahrscheinlich weiter anheben wird.
Mehrere Berichte legen nahe, dass die Auftragseingänge für wichtige in den USA hergestellte Investitionsgüter im Mai unerwartet gestiegen sind. Und auch der Verkauf von neuen Einfamilienhäusern hat im letzten Monat stark zugenommen, während das Verbrauchervertrauen in den USA im Juni auf ein 1,5-Jahres-Hoch gestiegen ist.
Die Fed hatte Anfang des Monats eine Pause bei den Zinserhöhungen eingelegt, jedoch angedeutet, dass in diesem Jahr zwei weitere Zinserhöhungen gerechtfertigt seien.
Die positiven Daten veranlassten viele Anleger dazu, die Wetten auf eine Zinsanhebung im Juli zu verstärken. Derzeit liegt die Wahrscheinlichkeit einer Zinsanhebung um 25 Basispunkte bei der Juli-Sitzung der Fed bei etwa 77 %. Gestern lag die Wahrscheinlichkeit noch bei 74,4 %.
3. Notenbanker im Fokus
Da viele Zentralbanken an ihren hawkishen Kommentaren zu den Zinsaussichten festhalten, warten die Anleger gespannt auf eine Podiumsdiskussion auf dem Jahresforum der Europäischen Zentralbank in portugiesischen Sintra, an der neben Powell auch EZB-Präsidentin Christine Lagarde und der Gouverneur der Bank of Japan, Kazuo Ueda, teilnehmen.
Die hawkishen Bemerkungen Powells in der Vorwoche hatten eine Rallye an der Wall Street gestoppt, die den S&P 500 und den Nasdaq auf ein über 1-Jahres-Hoch und den Dow Jones auf ein 6-Monats-Hoch getrieben hatte.
Lagarde ließ gestern verlauten, dass die anhaltend hohe Inflationsrate die Euro-Notenbanker dazu zwingen wird, keine baldige Beendigung der Zinserhöhungen anzukündigen. In einer Pressekonferenz betonte sie die ernsthafte Sorge der EZB angesichts der hartnäckig hohen Inflation. Die aktuellen Entwicklungen auf dem Preisniveau erfordern nach ihrer Einschätzung eine fortgesetzte geldpolitische Straffung, um Preisstabilität wiederherzustellen.
Derweil hat die divergierende Geldpolitik den japanischen Yen gegenüber dem Euro auf ein 15-Jahres-Tief und gegenüber dem US-Dollar auf ein 8-Monats-Tief gedrückt, was zu Erwartungen führte, dass Japan auf den Devisenmärkten intervenieren könnte.
Als Japan im vergangenen Oktober intervenierte, fiel der US-Dollar innerhalb weniger Stunden von einem Höchststand von 151,94 auf 144,50.
4. Ölpreis zieht an
Der Ölpreis hat im bisherigen Handelsverlauf heute kräftig angezogen, nachdem Daten über Nacht einen unerwartet starken Rückgang der US-Rohöllagerbestände aufgezeigt haben. Das deutet darauf hin, dass die Nachfrageaussichten weiterhin solide sind.
Die Rohöllagerbestände sanken um etwa 2,4 Millionen Barrel, wie aus einem Bericht des American Petroleum Institute (API) hervorgeht.
Der offizielle Bericht der Energy Information Administration wird heute gegen 15:30 Uhr MEZ erwartet.
Aktuell hat sich der Preis für ein Barrel der Nordseesorte Brent um 58 Cents bzw. 0,8 % auf 73,09 USD pro Barrel erhöht, während sich West Texas Intermediate (WTI) um 61 Cents bzw. 0,9 % auf 68,28 USD pro Barrel verteuert.
Der Preis für das begehrte Brent-Öl ist in diesem Jahr um satte 15 % eingebrochen. Doch was steckt hinter diesem dramatischen Einbruch? Der Grund liegt in den steigenden Zinssätzen, die den Appetit der Anleger merklich gedämpft haben. Gleichzeitig musste China nach einer Reihe unerwartet schwacher Verbraucher- und Wirtschaftsdaten einen herben Rückschlag hinnehmen, wodurch die wirtschaftliche Erholung des Landes ins Stocken geriet.
Einige Analysten gehen jedoch davon aus, dass sich der Markt in der zweiten Jahreshälfte aufgrund der laufenden OPEC+-Lieferkürzungen und der freiwilligen Kürzung durch Saudi-Arabien im Juli beruhigen wird.
5. Nvidia von Berichten über chinesische Exportbeschränkungen betroffen
NVIDIA-Aktien (NASDAQ:NVDA) gaben heute um bis zu 4 % nach, nachdem das Wall Street Journal enthüllte, dass die US-Regierung die Möglichkeit neuer Beschränkungen für den Export von KI-Chips nach China in Betracht zieht.
Auch die Aktien der Wettbewerber Advanced Micro Devices (NASDAQ:AMD) und Micron (NASDAQ:MU) verzeichneten im vorbörslichen Handel einen Rückgang von 3,5 % bzw. 1,6 %.
Dem Bericht zufolge plant das Handelsministerium bereits im Juli, die Auslieferung von Chips von Nvidia und anderen führenden Chipherstellern an chinesische Kunden einzustellen. Für Nvidia bedeutet dies einen Rückschlag, da etwa ein Fünftel seines Umsatzes aus China stammt.
Die US-Chiphersteller finden sich im Konflikt zwischen China und der Biden-Regierung wieder, da Washington bestrebt ist, den technologischen Fortschritt Pekings einzudämmen.