WASHINGTON (dpa-AFX) - Die amerikanische Notenbank Fed steuert offenbar doch nicht ganz so zielstrebig auf ihre erste Zinsanhebung nach der Finanz- und Wirtschaftskrise zu. Diesen Schluss ziehen zahlreiche Beobachter aus dem am späten Mittwochabend veröffentlichten Protokoll zur jüngsten Zinssitzung von Mitte März. Äußerungen von Fed-Chefin Janet Yellen, die nach der Sitzung eine erste Zinsstraffung im Frühjahr 2015 angedeutet hatte, finden sich in der Mitschrift nicht. An den Börsen sorgte der vermeintliche Aufschub der Zinswende für Erleichterung. Der US-Dollar gab hingegen wie die Renditen amerikanischer Staatsanleihen deutlich nach.
Größte Beachtung findet eine Passage des Protokolls, in dem Bedenken laut werden, dass neue Zinsprognosen der Fed falsche Signale senden könnten. Nach der März-Sitzung hatte die Federal Reserve neue Projektionen ranghoher Notenbanker veröffentlicht. Demnach erwarten einige Mitglieder des geldpolitischen Ausschusses FOMC auf mittlere Sicht einen etwas rascheren Anstieg der Leitzinsen. Dies hatte an den Finanzmärkten großen Widerhall gefunden, weil Investoren von einer früheren Zinswende ausgegangen waren.
FED SPIELT ZINSPROGNOSEN HERUNTER
Darüber hinaus hatte sich die neue Fed-Chefin Janet Yellen zu einer folgenschweren Äußerung hinreißen lassen. Nach der FOMC-Sitzung sagte sie vor der Presse, dass mit einer ersten Zinsanhebung etwa ein halbes Jahr nach Einstellung der zur Konjunkturbelebung aufgelegten Anleihekäufe gerechnet werden könne. Analysten hatten schnell ausgerechnet: Da die Käufe vermutlich im Oktober beendet werden, könnte die erste Zinsstraffung schon im April 2015 kommen - deutlich früher als bis dato erwartet.
Die neue Mitschrift deckt derartige Erwartungen aber nicht. Dort heißt es, zahlreiche Notenbanker hätten Sorge, dass die Zinsprognosen fälschlicherweise als Hinweis auf eine lockere Haltung der Fed interpretiert werden könnten. Vielmehr jedoch seien die Prognosen Ausdruck einer zuversichtlicheren Einschätzung des FOMC für den Arbeitsmarkt. Zugleich sehen viele Notenbanker noch viel Leerlauf am Jobmarkt, was gegen rasche Zinsanhebungen spricht. Unter anderem wird auf die hohe Anzahl von Langzeitarbeitslosen und die ausgeprägte Teilzeitarbeit verwiesen.
LOHNDRUCK KÖNNTE ZUNEHMEN
Die Volkswirte von der Deutschen Bank kommentierten, das Protokoll spiele die Bedeutung der Zinsprognosen herunter. Ähnliches hatte Fed-Chefin Janet Yellen nach der Fed-Zinssitzung versucht - sie war damit aber nicht sonderlich erfolgreich gewesen. Beobachter Harm Bandholz von der Unicredit warnte jedoch davor, die Zinsprognosen vollends aus dem Blick zu verlieren. Er verwies insbesondere auf Sorgen im FOMC über gegenwärtige Entwicklungen an den Finanzmärkten. Unter anderem ist in dem Protokoll die Rede von einer verstärkten Kreditvergabe an Darlehensnehmer mit geringer Bonität.
Zudem scheint es im FOMC keine einheitliche Meinung über den Zustand des Arbeitsmarkts zu geben. Auf der einen Seite stehen zahlreiche Notenbanker, die noch viel Luft bei der Verringerung der Arbeitslosigkeit sehen. Es gibt der Mitschrift zufolge aber auch Stimmen, die den Spielraum als begrenzt ansehen.
Unicredit-Experte Bandholz sieht das ähnlich: Er geht davon aus, dass das Lohnwachstum deutlich früher als von der Fed erwartet anziehen dürfte. Als wichtigstes Argument nennt er die hohe Anzahl der Langzeitarbeitslosen, die dem Jobmarkt faktisch nicht mehr zur Verfügung stünden. Es zeichne sich also ein Mangel an qualifizierten Arbeitskräften ab. Die gegenwärtig geringe Inflation könnte deswegen schon bald beginnen zu steigen - und die Fed unter Zugzwang setzen, die Zinsen zu erhöhen.tb