KIEW/MOSKAU (dpa-AFX) - Russland hat im Angriffskrieg in der Ukraine nach eigenen Angaben eine große Gegenoffensive Kiews abgewehrt und dabei sehr viele feindliche Kämpfer getötet. Mehr als 900 Ukrainer seien an allen Frontabschnitten binnen 24 Stunden gefallen, teilte Armeesprecher Igor Konaschenkow am Montag in Moskau mit. Allerdings wecken Berichte von russischen Offizieren an der Front Zweifel an diesen Zahlen. Kiew bestätigte die Verluste zunächst nicht und sprach von einer Desinformationskampagne, um die Ukrainer zu demoralisieren. Unabhängig lassen sich derartige Angaben zumeist nicht überprüfen.
Moskau meldet mehr als 900 Tote auf ukrainischer Seite
"Der Feind hat seine gesteckten Ziele nicht erreicht", sagte Sprecher Konaschenkow. Allein an zwei Orten an der Front habe das ukrainische Militär 300 Soldaten verloren, behauptete er und sprach von insgesamt mehr als 900 toten Ukrainern. Kiew kündigt seit Monaten eine Gegenoffensive an, um die von Russen besetzten Gebiete im Osten des Landes zu befreien. Diese Aktion - mehr als 15 Monate nach dem russischen Angriff auf das Nachbarland - habe am Sonntagmorgen begonnen, sei aber erfolglos geblieben, behauptete Moskau.
Berichte von russischen Frontoffizieren nähren aber den Verdacht, dass Moskau mit seinen Angaben nicht die Realität darstellt. Feldkommandeur Alexander Chodakowski schrieb von einer "schweren Lage" zwischen den Ortschaften Nowodonezke und Welyka Nowosilka. Die Ukraine versuche, die Schwachpunkte der Verteidigung zu erfassen. "Erstmals haben wir in unserem taktischen Raum Leoparden gesehen", schrieb er auf Telegram. Die aus Deutschland stammenden Kampfpanzer Leopard sind Teil der westlichen Waffenlieferungen an Kiew. Am Morgen hatte Chodakowski, ein Kommandeur der prorussischen Separatisten, mitgeilt, die Aktionen der Ukrainer werden "von Erfolg begleitet". Russland hatte das Nachbarland am 24. Februar 2022 überfallen und hält aktuell rund 20 Prozent des ukrainischen Staatsgebiets besetzt.
Britischer Geheimdienst: Russische Drohnen-Offensive eher erfolglos
Im Mai flog Russland nach Einschätzung britischer Geheimdienste mehr als 300 Angriffe mit sogenannten Kamikaze-Drohnen gegen Ziele in der Ukraine. Das sei die bisher "intensivste Nutzung dieser Waffe" gewesen, teilte das Verteidigungsministerium in London mit. Russland versuche vermutlich, die Ukraine zum Einsatz wertvoller, moderner Flugabwehrraketen zu bringen. Doch betonte das Ministerium: "Es ist unwahrscheinlich, dass Russland besonders erfolgreich war: Die Ukraine hat mindestens 90 Prozent der ankommenden Drohnen neutralisiert, hauptsächlich mit ihren älteren und billigeren Flugabwehrwaffen und mit elektronischen Störsendern."
Das gelte auch für ein weiteres wahrscheinliches russisches Ziel: Angriffe auf die ukrainischen Streitkräfte weit hinter der Front. "Aufgrund seiner mangelhaften Zielerfassungsprozesse ist Russland jedoch nach wie vor sehr ineffizient, wenn es darum geht, solche dynamischen Ziele aus der Distanz zu treffen", hieß es weiter.
Kiew: Fast jeder zweite überprüfte Luftschutzbunker unbrauchbar
Eine ukrainische Untersuchungskommission erklärte fast die Hälfte der von ihr überprüften Luftschutzkeller in Kiew für nicht einsatzbereit. "Die Situation bleibt kritisch", schrieb der Minister für strategische Industrien, Olexander Kamyschin, bei Telegram. Von den rund 1850 überprüften Schutzbunkern waren seinen Angaben nach rund 45 Prozent entweder nicht einsatzbereit oder für Prüfer unzugänglich. Landesweit sehe die Lage geringfügig besser aus: Das ukrainische Innenministerium teilte mit, dass von den über 50 000 landesweit überprüften Schutzräumen (etwa 79 Prozent aller ukrainischer Luftschutzbunker) rund 16 000 nicht einsatzbereit oder nicht zugänglich waren. Das entspricht etwa einem Drittel.
Russland startet neues Marinemanöver in der Ostsee
Das russische Militär begann mit einem neuen Flottenmanöver in der Ostsee. An der Übung nehmen 40 Schiffe, 25 Kampfflugzeuge und mehr als 3500 Soldaten teil, teilte der Pressedienst der russischen Ostseeflotte mit. "Im Rahmen des Manövers werden Aufgaben der Verteidigung der Seekommunikation und Flottenbasen geschult", heißt es. Die Marineübung soll bis zum 15. Juni dauern. Seit dem Angriff auf die Ukraine hat Moskau mehrfach in der Ostsee den Kriegsfall geprobt. Immer wieder kommt es auch zu Zwischenfällen zwischen russischen und Nato-Flugzeugen im Ostseeraum. Beide Seiten werfen sich gegenseitig die Verletzung des eigenen Luftraums vor.
Papst schickt vatikanischen Sonderbeauftragten in die Ukraine
Der von Papst Franziskus ernannte Sonderbeauftragte des Vatikans für den Ukraine-Krieg, Kardinal Matteo Zuppi, brach nach Kiew auf. Er sei am Montag und Dienstag als Gesandter des Oberhauptes der katholischen Kirche in der ukrainischen Hauptstadt, wie der Heilige Stuhl mitteilte. Hauptziel dieser Initiative sei es, der Ukraine "gründlich zuzuhören, welche Möglichkeiten es gibt, einen gerechten Frieden zu erreichen". Man wolle zudem "Gesten der Menschlichkeit" unterstützen, die zum Abbau der Spannungen beitragen sollen.