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Konjunkturpaket mit Hintergedanken - Wahl 2021 im Blick

Veröffentlicht am 08.06.2020, 09:28
© Reuters.
AMZN
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Berlin (Reuters) - Das 130-Milliarden-Euro-Programm zur Ankurbelung der deutschen Wirtschaft in der Corona-Krise hat die große Koalition “Konjunktur-, Krisenbewältigungs- und Zukunftspaket” genannt.

Mit Zukunft ist nach Ansicht der Kritiker aber nicht nur die Zukunft Deutschlands gemeint, sondern auch die von CDU, CSU und SPD. “Das ist schon ein Wahlkampfpaket für 2021”, kritisiert etwa der stellvertretende FDP-Fraktionschef Christian Dürr im Deutschlandfunk. Auch in der großen Koalition wird eingeräumt, dass man bei aller Ernsthaftigkeit des Ringens um nötige Maßnahmen gegen die “Corona-Starre” (CSU-Chef Markus Söder) nicht den Blick auf die Bundestagswahl vergessen hätte. Das zeigt sich an dem, was beschlossen wurde - und was nicht.

“Wir wären etwa in große Schwierigkeiten geraten, wenn wir die Autoprämie für Verbrennungsmotoren und im Gegenzug die Altschuldenregelung für Kommunen verabschiedet hätten”, sagt ein Teilnehmer der Koalitionsverhandlungen. Laut Umfragen war die große Mehrheit der Deutschen gegen eine solche Prämie. Und die Union und SPD hätten beide kein Interesse daran gehabt, den in der Corona-Krise abgesackten Grünen wieder Munition in die Hand zu geben, heißt es in der Union. Dafür wurde - wenig beachtet - sogar ein Investitionsförderprogramm für den Stallumbau in der Tierhaltung in den 57-Punkte-Plan aufgenommen.

Jede Partei setzte in dem Paket Elemente für die eigene Profilschärfung durch - die CDU etwa ein Mittelstandsprogramm. Nach Angaben von Teilnehmern pochte vor allem SPD-Chefin Saskia Esken auf ein umfangreiches Familienpaket - mit Unterstützung der CSU, die den Sozialdemokraten mit Blick auf ihre Wähler bei Sozialleistungen schon in früheren Debatten näher stand als vielen CDU-Granden. Dass die Union die Übernahme der Altschulden der Kommunen ablehnte, könnte zum nun Wahlkampfthema der SPD werden. Dennoch glaubt Forsa-Chef Manfred Güllner, dass wie bei den Rettungspaketen zunächst einmal die Union von den Beschlüssen profitiert - schon weil vor allem Kanzlerin Angela Merkel wahrgenommen werde. “Das ist das Schicksal des Juniorpartners”, sagt er zu Reuters.

SPRENGSATZ MEHRWERTSTEUERABSENKUNG

Die befristete Mehrwertsteuer-Senkung sahen CDU, CSU und SPD zunächst eher als taktisches Kunststück, um den Streit um die Autokaufprämie zu lösen. Denn nun profitieren alle - und eben auch die Käufer von Autos mit Verbrennungsmotoren. Doch SPD und CDU verbuchen sie beide auch als strategischen Erfolg: SPD-Chef Norbert Walter-Borjans betont mit Blick auf die eigene Klientel, dass von der Absenkung vor allem kleine und mittlere Einkommen profitierten. Strategen in der Union jubilieren, dass der Beschluss ein wichtiges Thema der Konservativen im Wahljahr setzt - Steuersenkungen. Statt wie noch vor wenigen Monaten über Steuererhöhungen zu diskutieren, habe die große Koalition nun de facto den “wichtigen Pfad der Steuersenkungen” eingeschlagen, sagte CSU-Chef Markus Söder. Erst sei die Mehrwertsteuer für die Gastronomie gesenkt worden, jetzt folge die Mehrwertsteuer für alle - und am 1. Januar münde dies in die weitgehende Soli-Abschaffung.

Bereits am Donnerstag stieß Söder die Debatte an, ob die Mehrwertsteuersenkung nicht sogar verlängert werden sollte. “Es ist ohnehin nicht vorstellbar, dass die Koalition ausgerechnet das Wahljahr damit beginnt, die Preise auf breiter Front wieder zu erhöhen”, meint der Politologe Gero Neugebauer zu Reuters. Die Linkspartei kritisiert zwar die Zielungenauigkeit der Maßnahme, von der auch Amazon (NASDAQ:AMZN) profitiere. “Umgekehrt wird eine erneute Erhöhung der Mehrwertsteuer aber die Preise treiben, eine dicke Bremsspur ziehen und ist daher vor den Bundestagswahlen unrealistisch”, sagte der Fraktionsvize Fabio De Masi zu Reuters. Der FDP-Politiker Dürr warnt vor einer erneuten Konjunkturbremse Anfang 2021 durch steigende Preise.

In der SPD wird darauf verwiesen, dass dann doch für die meisten Bürger die Entlastung durch die Soli-Streichung greife. “Aber die SPD wird sich schon mit Blick auf die Linkspartei nicht gegen eine Verlängerung sperren”, ist sich ein führender Unionspolitiker sicher. Zwar gibt es auch in der CDU Vorbehalte: Kanzlerin Angela Merkel etwa verwies auf die hohen finanziellen Ausfälle, die man sich kaum leisten könne. Doch die Unionspolitiker, die ohnehin auf Steuersenkungen als bestes Mittel der Wirtschaftsankurbelung setzen, glauben wie Neugebauer, dass die Absenkung zumindest 2021 noch gelten wird.

Die SPD klopft sich ebenfalls auf die Schulter: Schließlich habe sie die Union im heraufziehenden Wahlkampf überhaupt dazu gebracht, Geld in die Hand zu nehmen, um die Nachfrage zu stärken - ein ureigenes sozialdemokratisches Konzept der Wirtschaftspolitik.

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