BERLIN (dpa-AFX) - Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat davor gewarnt, die geplante Legalisierung von Cannabis zum 1. April im Bundesrat zu verzögern. "Jedes von SPD und Grünen mitregierte Land muss wissen, dass das Cannabis-Gesetz am nächsten Freitag stirbt, wenn man den Vermittlungsausschuss anruft", schrieb der SPD-Politiker am Samstag auf der Plattform X (früher Twitter). "Die Unionsländer würden sich bedanken und mit allen Verfahrenstricks das Gesetz im Vermittlungsausschuss beerdigen."
Er verwies auf eine Äußerung von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU): Dieser schrieb ebenfalls auf X, sein Ziel sei, dass das Gesetz niemals wieder aus dem Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat herauskomme.
Der Bundestag hatte die umstrittene Legalisierung von Cannabis am 23. Februar beschlossen. Das Gesetz steht für den 22. März auf der Tagesordnung des Bundesrates. Zustimmungsbedürftig ist es nicht, die Länderkammer könnte jedoch den Vermittlungsausschuss mit dem Bundestag anrufen und damit das Verfahren bremsen.
Bedenken sind aus den Bundesländern unter anderem gegen eine geplante Amnestie für Altfälle laut geworden, die nach dem neuen Recht nicht mehr strafbar wären und einzeln geprüft werden müssten. Lauterbach hielt dagegen, durch die Cannabis-Legalisierung fielen jährlich Zehntausende Konsumdelikte weg, die Gerichte würden entlastet. "Bei Einführung ist Amnestie zwar eine Belastung. Aber Verschieben bringt da nichts, die Arbeit bleibt gleich."
Nach Angaben der "Deutschen Richterzeitung" müssen bundesweit mehr als 210 000 Strafakten überprüft werden. Die Zeitung stützt sich auf Angaben der Justizministerien der Länder beziehungsweise in Sachsen-Anhalt der Generalstaatsanwaltschaft. Richterbund-Geschäftsführer Sven Rebehn sagte der dpa: "Für die Staatsanwaltschaften bedeuten die Amnestiepläne konkret, dass sie alle Strafakten mit Bezug zum Betäubungsmittelgesetz nochmals händisch daraufhin auswerten müssen, ob die betroffenen Sachverhalte nach der neuen Rechtslage straflos wären." Es müsse ermittelt werden, ob es bei dem Betäubungsmittelverstoß um Cannabis ging und um welche Menge es sich dabei handelte.
Nach den Plänen der Ampel-Koalition soll grundsätzlich der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum erlaubt sein. In der eigenen Wohnung sollen drei lebende Cannabispflanzen legal werden und bis zu 50 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum. Kiffen im öffentlichen Raum soll unter anderem in Schulen, Sportstätten und in Sichtweite davon verboten werden - in 100 Metern Luftlinie um den Eingangsbereich.
Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hofft, dass der Bundesrat die Pläne verhindern wird. "Wir bedauern insbesondere, dass das Gesetz keinerlei Übergangsfristen vorsieht, die ermöglichen würden, dass sich Polizei, Zoll, Justizbehörden und Jugendämter hierzulande auf die neue Gesetzeslage vorbereiten können", heißt es in einem Brief des stellvertretenden GdP-Bundeschefs, Alexander Poitz, an die Bundesratspräsidentin, Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD). Sie solle sich dafür einsetzen, dass der Vermittlungsausschuss angerufen werde, um wichtige offene Fragen zu klären.
Andernfalls droht laut GdP Rechts- und Handlungsunsicherheit. Die Gewerkschaft befürchtet außerdem, dass sich kriminelle Banden, sollte das Gesetz unverändert in Kraft treten, schnell auf die neue Rechtslage einstellen, ihr Gewinnmodell anpassen und womöglich neue Zielmärkte erschließen könnten. Nicht abschließend geklärt sei auch, wie sich der Cannabiskonsum auf den Straßenverkehr auswirken werde. Neben einem abgestimmten Grenzwert fehle geeignete Ausstattung zum Nachweis von Cannabis bei Fahrzeugführern.