MOSKAU (dpa-AFX) - Gegen den inhaftierten Kremlgegner Alexej Nawalny beginnt an diesem Dienstag ein weiteres Strafverfahren der russischen Justiz. Diesmal geht es um Vorwürfe des Extremismus. Das Moskauer Stadtgericht tagt nach Angaben von Nawalnys Anwältin in einem Straflager - 260 Kilometer im Nordosten der Hauptstadt, unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Dem prominentesten Gegner von Präsident Wladimir Putin drohen weitere 30 Jahre Lagerhaft.
Nawalny verbüßt bereits eine neunjährige Strafe. Mehr als zwei Jahre davon hat der 47-Jährige bereits abgesessen. Insgesamt hat die Justiz sieben neue Anklagepunkte formuliert, darunter Gründung und Finanzierung einer extremistischen Organisation und Verharmlosung des Nazismus. Der Kremlgegner weist die Vorwürfe zurück.
Nawalny wurde im Sommer 2020 bei einer Reise in Sibirien mit dem Nervenkampfstoff Nowitschok vergiftet. Der Oppositionelle wirft dem russischen Inlandsgeheimdienst FSB vor, hinter der Vergiftung zu stecken. Nach einer Behandlung in Deutschland kehrte er trotz der drohenden Haftstrafe nach Russland zurück.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg wiederum entscheidet am Dienstag in Straßburg über eine Klage Nawalnys. Er beklagt, dass die russischen Behörden keine Ermittlungen wegen der Vergiftung angestrengt hätten. Dadurch sieht er sein Recht auf Leben und einen wirksamen Rechtsbehelf verletzt. Russland erkennt die Urteile des Gerichtshofs für Menschenrechte nicht mehr an.
Das Land wurde wegen des Angriffskrieges gegen die Ukraine aus dem Europarat ausgeschlossen. Damit ist es auch kein Mitglied der Europäischen Menschenrechtskonvention mehr, für deren Einhaltung der Gerichtshof sorgt. In Straßburg sind aber noch mehrere Tausend Klagen gegen Russland anhängig. Europarat, Menschenrechtskonvention und Gerichtshof sind unabhängig von der EU.