(Neu: Details)
BERLIN (dpa-AFX) - Nach Einschätzung von Bundesklimaschutzminister Robert Habeck ist das deutsche Klimaschutzziel für das Jahr 2030 zu schaffen. "Wenn wir Kurs halten, erreichen wir unsere Klimaziele 2030", erklärte der Grünen-Politiker in einer am Freitag in Berlin veröffentlichten Mitteilung mit Bezug auf neue Daten des Umweltbundesamts. Bis dahin soll laut Klimaschutzgesetz der deutsche Ausstoß an Treibhausgasen um 65 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 sinken.
Manche würden Anstrengungen zum Klimaschutz verbinden mit einer "Erzählung des Niedergangs des Landes", sagte Habeck mit einem Seitenhieb auf die AfD. "Heute zeigen wir, dass das falsch ist, dass Klimaschutz gelingen kann, dass sich die politischen Anstrengungen lohnen und gelohnt haben." Dirk Messner, der Präsident des Umweltbundesamts, das die Berechnungen durchgeführt hat, sprach von einer starken Perspektive, betonte aber: "Jetzt müssen wir weiter hart arbeiten." Auch Umweltverbände warnten davor, sich zurückzulehnen.
Das Umweltbundesamt geht in seinem neuen Projektionsbericht von einer Minderung um knapp 64 Prozent aus. Das Ziel wird damit laut Ministerium greifbar. Im vergangenen Jahr erwartete man nur eine Minderung um 63 Prozent, im Jahr davor sogar nur um 49 Prozent.
"Klimaschutzlücke" in Projektion geschlossen
Die eigentliche Verbesserung gibt es aber beim jährlich erwarteten Ausstoß an Treibhausgasen bis zum Jahr 2030. Auch dafür gibt es Zielwerte im Bundesklimaschutzgesetz. Hier kam es laut den bisherigen Berechnungen zu einer Überschreitung von insgesamt 1100 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten. Man arbeitet mit dieser Größe, um verschiedene Treibhausgase vergleichbar zu machen. Nun erwartet das Umweltbundesamt, dass Deutschland bis 2030 insgesamt 47 Millionen Tonnen CO2 weniger verbraucht als gesetzlich vorgesehen. "Es war zu Beginn dieser Regierungszeit mehr als unklar, ob wir es schaffen, auf Zielkurs zu kommen", erklärte Habeck. "Und jetzt können wir die Lücke schließen, wenn wir weiter intensiv daran arbeiten, die notwendigen Maßnahmen umzusetzen." Der klimapolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Olaf in der Beek, sieht die Ampel "politisch auf Kurs".
Umweltverbände warnen indes vor unangebrachtem Optimismus. Die Daten lieferten keinen "Freibrief für die Bundesregierung in Sachen Klimaschutz", betonte der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland.
Warum die neue Berechnung besser ausfällt
Das Klimaschutzministerium begründet den erfreulicheren Ausblick mit Fortschritten beim Klimaschutz und dem Ausbau der erneuerbaren Energien. Messner sagte, durch die Maßnahmen zum Ausbau erneuerbarer Energien werde es immer wahrscheinlicher, dass Deutschland sein Ziel schaffen werde, im Jahr 2030 insgesamt 80 Prozent des Stromverbrauchs etwa aus Wind und Sonne abzudecken. Zudem werde Kohle wieder stärker durch das weniger klimaschädliche Gas ersetzt - hier sei man im vergangenen Jahr nach der "Preisexplosion" infolge des Russlandkriegs noch skeptischer gewesen.
Der Knackpunkt: Teils überholte Annahmen
Allerdings beruhen die Berechnungen auf teils inzwischen überholten Annahmen. So konnten nur Daten bis zum Oktober berücksichtigt werden, wie Messner sagte. Die später von der Ampel-Koalition unter Spardruck vereinbarten Kürzungen beim für den Klimaschutz wichtigen Geldtopf Klima- und Transformationsfonds (KTF) sind damit noch nicht berücksichtigt. Darauf wies auch der Obmann der CDU/CSU im Ausschuss für Klimaschutz und Energie, Thomas Gebhart (CDU) hin, der die Projektionsdaten "unrealistisch" nannte. Habeck sagte zu den Kürzungen im KTF, diese beträfen in erster Linie andere Bereiche wie Bahn und Bau.
Zum Teil beruhen die Berechnungen aber auch auf - zumindest für den Klimaschutz - ungünstigeren Annahmen über die Zukunft. So gingen die Experten für das laufende Jahr noch von einem Wirtschaftswachstum von 1,4 Prozent aus. Inzwischen geht die Bundesregierung nur noch von 0,2 Prozent aus.
Das umstrittene Heizungsgesetz und seine Wirkung
Das nach langer und kontroverser Diskussion verabschiedete Heizungsgesetz wird nach Einschätzung Messners seine Klimaschutz-Wirkung nicht verfehlen. So seien zwar nicht nur deutlich mehr Wärmepumpen verkauft worden, sondern auch mehr Öl- und Gasheizungen. Aber das Signal sei gesetzt, zumal der steigende CO2-Preis das Heizen mit fossilen Brennstoffen immer teurer machen werde. "Und insofern bin ich ziemlich sicher, dass in den kommenden Jahren die verkauften Gasanlagen und Ölanlagen rückläufig sein werden, und die Wärmepumpen nach vorne kommen werden."
Habeck: Gute Klimabilanz 2023 kein Grund zum Stolz
"Wir haben 2023 insgesamt eine Reduzierung von 10,1 % der Treibhausgasemissionen erreicht", sagte Messner. Deutschland hat den Berechnungen zufolge im Vorjahr 674 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente ausgestoßen. Die Daten sind vorläufig. Im nächsten Schritt werden sie nun vom Sachverständigenrat für Klimafragen geprüft. Endgültige Zahlen zu 2023 wird es erst im kommenden Jahr geben.
Die gute Klimabilanz des Vorjahres ist der schwächelnden Wirtschaft geschuldet. "Wir haben im Jahr 23 durch die hohen Energiepreise und die Energiekrise nicht ausreichendes Wachstum gehabt", sagte Habeck. "Deswegen ist das nichts, worauf man wirklich stolz sein kann." Insbesondere in der Energiewirtschaft entstanden deutlich weniger Treibhausgase als in den Vorjahren.
Das Umweltbundesamt führt dies auf eine geringere Nutzung fossiler Brennstoffe wie Braun- und Steinkohle sowie Erdgas zurück. Zudem wurden die erneuerbaren Energien weiter ausgebaut und weniger Energie verbraucht. Auch höhere Verbraucherpreise und ein milder Winter spielten eine Rolle.
Allerdings hinkten die Bereiche Verkehr und Bau trotz Fortschritten weiter hinterher. Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge mahnte hier "dringend weitere Klimaschutzmaßnahmen" an. Die Klima-Allianz Deutschland warf Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) "Verweigerungspolitik" vor. Bauministerin Klara Geywitz (SPD) wies darauf hin, dass die Daten für 2023 noch vorläufig sind, aber auch zeigten, dass die Richtung stimme und die Energiewende im Gebäudesektor "deutlich an Fahrt aufgenommen" habe.
Die Freude über den deutlichen Emissionsrückgang und wirkende Klimamaßnahmen bleibe schnell im Halse stecken, befand hingegen Viviane Raddatz vom WWF Deutschland. "Denn der Blick auf die Ursachen offenbart: Hier schlagen sich politische und wirtschaftliche Krisen nieder, statt Wille zur Transformation und strukturelle Klimaschutzmaßnahmen in allen Sektoren.