ST. PETERSBURG (dpa-AFX) - Kremlchef Wladimir Putin hat beim zweiten russischen Afrika-Gipfel in St. Petersburg den Vertretern des Kontinents verlässliche Lebensmittellieferungen zugesichert. "Russland bleibt ein zuverlässiger Lieferant von Nahrung für Afrika", sagte Putin am Donnerstag. Zugleich wies er kategorisch Vorwürfe des Westens als "heuchlerisch" zurück, dass Russland mit seinem Krieg gegen die Ukraine und der Blockade von Getreidelieferungen des Landes über das Schwarze Meer nun "Hungerspiele" betreibe. Putin kündigte bei dem bis Freitag dauernden Treffen an, bedürftigen Staaten in den kommenden drei bis vier Monaten zwischen 25 000 und 50 000 Tonnen kostenlos liefern zu lassen.
Das Getreide sollen Simbabwe, Mali, Burkina Faso, Somalia, Eritrea und die Zentralafrikanische Republik erhalten. Putin sagte auch, dass mehr als 200 000 Tonnen Dünger aus Russland in europäischen Häfen gestrandet seien, die Moskau in einer humanitären Aktion ebenfalls abgeben könne. "Es entsteht ein paradoxes Bild: Auf der einen Seite schafft der Westen Hindernisse für die Lieferungen unseres Getreides und Düngers. Auf der anderen Seite, ich sage es klar, wird uns heuchlerisch die Schuld an der Krisensituation auf dem Weltmarkt gegeben", sagte Putin bei einer Rede vor den Gästen. Dabei liefere Russland etwa heute 20 Prozent des Weizens für den Weltmarkt.
Zuvor hatte sich Putin mit Vertretern der Afrikanischen Union (AU) zu Gesprächen auch über die Getreidelieferungen getroffen. Dabei beklagte der Vorsitzende der AU-Kommission, Moussa Faki Mahamat, dass der Krieg zwischen Russland und der Ukraine die Lebensmittelkrise teilweise verstärke. "Afrika leidet darunter", sagte er laut russischer Übersetzung.
Der Vorsitzende der Afrikanischen Union und Präsident der Komoren, Azali Assoumani, forderte Russland und die Ukraine zur Beendigung ihres Krieges auf. Afrika brauche das russische und das ukrainische Getreide, sagte er bei einer Plenarsitzung. Das Leben vieler Menschen hänge von den Lieferungen ab. "Es ist heute wichtig, um einen nachhaltigen Frieden zwischen Russland und der Ukraine zu ringen", sagte er.
Putin hatte in der vergangenen Woche das unter Vermittlung der Vereinten Nationen und der Türkei geschlossene Abkommen zur Verschiffung von ukrainischem Getreide über das Schwarze Meer aufgekündigt. Das rief neue Verunsicherung auf den globalen Lebensmittelmärkten hervor. Die Ukraine gilt als wichtiger Exporteur unter anderem von Mais und Weizen und wirft Russland auch Diebstahl ihres Getreides etwa in den besetzten Gebieten vor.
Putin lehnt eine Wiederaufnahme des Abkommens ab. Er verlangt vielmehr eine Lockerung der westlichen Sanktionen, weil er dadurch den Export von eigenem Getreide und Dünger behindert sieht. Zugleich sicherte er zu, dass Russland für die Lieferungen an Afrika Wege finden werde. Im ersten Halbjahr habe Russland bereits zehn Millionen Tonnen Getreide nach Afrika exportiert. Putin sagte auch, dass der russisch-afrikanische Handel trotz der Sanktionen im ersten Halbjahr um 35 Prozent gewachsen sei. Russland gilt zudem als wichtigster Waffenlieferant Afrikas.
Putin sprach sich für einen massiven Ausbau der Beziehungen zwischen Russland und Afrika aus und unterstützte auch die Aufnahme der Afrikanischen Union in die Gruppe der 20 großen und aufstrebenden Industrienationen. Beim G20-Gipel in Indien im September solle die Aufnahme beschlossen werden, sagte Putin. Der AU-Vorsitzende Assoumani lobte einen "brüderlichen Empfang" in Russland - wie beim ersten Gipfel vor vier Jahren in Sotschi am Schwarzen Meer. Russland habe immer an der Seite Afrikas gestanden, habe ungeachtet aller Schwierigkeiten den Unabhängigkeitskampf der Länder unterstützt und sei ein wichtiger Partner, sagte Assoumani.
Putin will bei den Treffen mit Staats- und Regierungschefs mehrerer afrikanischer Staaten zeigen, dass er trotz seines Angriffskrieges international nicht isoliert ist. Seine Hauptrede wird an diesem Freitag erwartet. Vertreten sind laut Kreml 49 der 54 Länder des Kontinents. Nur aus 17 kommen demnach Staats- und Regierungschefs. Das sind weniger Teilnehmer als bei der Gipfelpremiere 2019.