* Über 1000 Banken bieten für Tender
* Börsianer hoffen auf sinkende langfristige Zinsen
* Weber droht Banken härtere Gangart an
(neu: Händler- und Analysteneinschätzung, Weber und Steinbrück)
Frankfurt, 24. Jun (Reuters) - Im Kampf gegen die Finanz- und Wirtschaftskrise hat die Europäische Zentralbank (EZB) die Geldschleusen weit geöffnet. Ihr Angebot an die Banken und Sparkassen, sich erstmals für ein Jahr bei der Notenbank unbegrenzt Geld zu einem Prozent zu leihen, fand am Mittwoch reißenden Absatz: 1121 Banken aus der Euro-Zone nahmen das Angebot an. Die Notenbank teilte fast eine halbe Billion Euro zum Festzins von 1,0 Prozent zu. Bundesregierung, Wirtschaft und Gewerkschaften forderten, dass die Banken die Liquidität auch an Unternehmen und Verbraucher weitergeben. Börsianer zeigten sich eher skeptisch. Allerdings könnten nun auch die längerfristigen Zinsen deutlicher fallen, räumten sie ein.
"Das war ein extrem großzügiges Angebot von der EZB", erklärte Analyst Julian Callow von Barclays Capital. "Wir ersaufen im Geld", sagte ein Händler. Die EZB teilte den Instituten für 371 Tagen insgesamt 442,241 Milliarden Euro zu. Laut Goldman Sachs sind das etwa 1300 Euro je Euro-Zonen-Bürger. Das war deutlich mehr als von den meisten Analysten mit rund 300 Milliarden Euro erwartet wurde. Vor allem die hohe Zahl der Bieter - normalerweise beteiligen sich Händlern zufolge nur rund 700 Banken an einem Tender - zeige das hohe Interesse der Kreditwirtschaft an der Geldspritze, sagte ein Analyst.
Bundesbank-Präsident Axel Weber drohte den Banken am Dienstagabend mit einer härteren Gangart, sollten sie die Zinssenkungen nicht weitergeben. "Sollten die Maßnahmen der Notenbanken am Deleveraging der Banken scheitern, dann werden die Notenbanken die Banken umgehen müssen und die Wirtschaft direkt stützen, was ich derzeit noch nicht für nötig halte." Finanzminister Peer Steinbrück sagte: "In Deutschland gibt es keinen Grund, Kredite zu verweigern, weil angeblich nicht genügend Kapital vorhanden ist." Die Entscheidung der EZB begrüße er "ausdrücklich".
"GRUNDPROBLEM IST NICHT GELÖST"
Börsianer gehen davon aus, dass die Märkte es nun für einige Zeit mit einem hohen Überschuss an Liquidität zu tun haben werden. "Die EZB wird das in kurzer Zeit kaum geordnet über Schnelltender abschöpfen können", warnte ein Händler. Börsianer erwarten daher, dass viele Banken ihre Gelder künftig wieder in die Einlagefazilität der EZB parken müssen. Deren Volumen war während der Krise in den dreistelligen Milliardenbereich geklettert. Derzeit liegt er meist bei gut zehn Milliarden, vor der Krise hatte er häufig unter eine Milliarde betragen. Allerdings ist diese Übernacht-Fazilität der EZB für die Banken nicht sonderlich attraktiv, da sie dafür nur einen Zins von 0,25 Prozent bekommen. Insofern könnten die Banken nun eher dazu bereit sein, überschüssige Gelder anderen Banken zu leihen.
"Mit dem Tender könnte die EZB den Verteilungsmechanismus ankurbeln. Vielleicht wandert jetzt endlich Geld in die Termine. Denn die Banken müssen das Geld ja jetzt anlegen", fasste ein Händler zusammen. Schon vor dem Zusammenbruch von Lehman Brothers hatte der Handel mit den Sätzen für Termingeld gestockt. Seit dem Zusammenbruch ist er quasi zum Erliegen gekommen. Die EZB hatte vor der Lehman-Pleite den Banken für maximal drei Monate Geld zur Verfügung gestellt und seither den Zeitraum schrittweise ausgeweitet.
"Das Grundproblem kann diese Liquiditätszufuhr nicht lösen", warnte Commerzbank-Analyst Michael Schubert. "Man traut bestimmten Adressen nicht." Auch Händler zweifelten, dass die Banken nunmehr mit der Vergabe von Krediten an Unternehmen und Verbraucher großzügiger werden. "Wenn ein Kreditnehmer vertrauenswürdig ist, bekommt er ja Geld", sagte ein Händler. "Aber zu viele Unternehmen sind in der Insolvenz oder sonst wie angeschlagen. Die bekommen weiter nichts."
Am Geldmarkt zogen die Sätze für Tagesgeld aus technischen Gründen am Mittwoch auf über ein Prozent von 0,65 bis 0,80 Prozent am Vortag an. Die Sätze für den nächsten Tag kamen aber schon deutlich unter Druck.
(Reporter: Andrea Lentz; redigiert von Alexander Ratz)