Berlin, 11. Nov (Reuters) - In Deutschland gewinnt die Debatte über eine Abschaffung der Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge an Fahrt. Die Abgabe bedeutet faktisch einen Vorteil für einkommensstarke Steuerpflichtige. Wenn in Deutschland ab 2017 der automatische Informationsaustausch mit anderen Ländern in Steuersachen funktioniere, habe sich die Abgeltungssteuer erledigt, argumentierte am Mittwoch der SPD-Finanzexperte Andreas Schwarz. Ähnlich hatte sich kürzlich Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) geäußert. Auch unter den Finanzexperten der Union gab es Stimmen, die Bereitschaft zu einer solchen Debatte bekundeten.
Die Abgeltungssteuer von pauschal 25 Prozent auf Zinsen, Dividenden und anderen Kapitalerträge war 2009 unter Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) eingeführt worden. Damit sollte sichergestellt werden, dass solche Erträge auf alle Fälle besteuert werden. Sollte die Steuer abgeschafft werden, würden Kapitalerträge wieder mit dem Einkommenssteuersatz des Steuerpflichtigen belegt, also mit bis zu 45 Prozent.
Mit dem automatischen Informationsaustausch zwischen den Staaten in Steuersachen soll Steuerbetrug und -hinterziehung der Boden entzogen werden. Über ein entsprechendes Gesetz beriet am Mittwoch der Bundestags-Finanzausschuss abschließend. Der Austausch soll ab übernächstem Jahr beginnen. Vertreter der Koalitionsparteien bezeichneten das Gesetz als "Meilenstein".
"Wenn der Informationsaustausch funktioniert, können wir auch über die Zukunft der Abgeltungsteuer sprechen", sagte die finanzpolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Antje Tillmann. Ähnlich äußerte sich ihr Fraktionskollege Mathias Middelberg. Der Unionsobmann im Finanzausschuss, Hans Michelbach, warnte aber vor einer schnellen Abschaffung. Das wäre eine Steuererhöhung um rund 600 Millionen Euro, und solche Steuererhöhungen habe die Koalition für diese Legislaturperiode ausgeschlossen, sagte Michelbach.
Keinen Grund für einen Abschaffung der Abgeltungssteuer sieht derzeit der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. "Unserer Ansicht nach sollte man das unterlassen", sagte Ratsmitglied Lars Feld.