FRANKFURT (dpa-AFX) - Die Börsengewinne eines ganzen Jahres sind futsch: Sorgen um die Konjunktur und früher steigende US-Zinsen haben den Dax F:DAX am Freitagmittag tief in negatives Terrain befördert. Zeitweise fiel der Leitindex unter die Marke von 8800 Punkten - das letzte Mal hatte er vor zwölf Monaten derart niedrig gestanden. Zuletzt verlor der Dax 2,25 Prozent auf 8802,72 Punkte.
Damit deutet sich für die abgelaufene Woche ein Verlust von mehr als 4 Prozent an. Dies entspräche dem größten Wochenminus in diesem Jahr. Der MDax F:MDAX fiel am Freitag um 2,60 Prozent auf 14 806,61 Punkte. Der TecDax F:TDXP sackte um 3,65 Prozent auf 1140,97 Punkte ab. Beim Eurozone-Leitindex EuroStoxx 50 F:SX5E stand ein Minus von 1,64 Prozent.
ENTTÄUSCHENDE KONJUNKTURDATEN
Das Dax-Fiasko in dieser Woche fing am Dienstag mit enttäuschenden deutschen Konjunkturdaten an. Die deutsche Industrie hatte im August den stärksten Rückschlag seit der schweren Wirtschaftskrise vor fünf Jahren erlitten. In den Betrieben brach die Produktion um 4 Prozent ein. Am Mittwoch setzte sich die steile Abwärtsbewegung fort und ließ den Dax unter die stark beachtete 9000-Punkte-Marke abrutschen. Auslöser dafür war die Warnung des Internationalen Währungsfonds (IWF) vor einem Abflauen der Weltwirtschaft. Zudem schraubte der IWF seine Wachstumsprognose für 2014 erneut deutlich nach unten.
Der aus neuen Zinshoffnungen resultierende stabile Schlussstand des Dax am Donnerstag erwies sich im Nachhinein nur als Strohfeuer. Denn am Freitag zogen sehr schwache Vorgaben von der Wall Street und aus Asien das deutsche Börsenbarometer schon wieder abwärts. Grund dafür waren ernüchternde Aussagen von US-Notenbankern. So erwartet der Chef der regionalen Notenbank von St. Louis, James Bullard, eine erste US-Leitzinserhöhung weiterhin im ersten Quartal 2015. "Die Märkte machen einen Fehler, wenn sie die Zinsprojektionen der Fed ignorieren", hatte Bullard am Donnerstag gesagt. Dies könne schlecht enden. Die Märkte hatten nach dem jüngsten Fed-Protokoll erst Mitte 2015 mit einer Leitzinsanhebung gerechnet.
TECHNISCHE MARKEN GERISSEN
Händler begründeten den tiefen Fall vor dem Wochenende auch damit, dass der Index wichtige technische Marken gerissen habe. Diese psychologisch wichtigen Marken können beim Erreichen neue Verkaufsaufträge auslösen und Indizes somit noch weiter in die Tiefe reißen. Mit 8900 Punkten sei eine solche Marke am Vormittag durchstoßen worden, sagte Händler Ludwig Donnert von Orca Capital. Sollte die Schwäche im Tagesverlauf anhalten, könnte die Negativserie durchaus noch deutlich weitergehen, befürchtete Händler Andreas Lipkow vom Vermögensverwalter Kliegel & Hafner.
Laut Daniel Saurenz, Marktexperte bei Feingold Research, waren die Aktienkurse für das gegebene Umfeld lange Zeit zu hoch und passten sich nun der Lage an. Offenbar hätten Anleger das Vertrauen verloren, dass die Notenbanken alles richten werden. Zudem geistere in Europa das Deflationsgespenst durch die Lande und verstärke die Probleme. "Wurde jahrelang jeder Dax-Rücksetzer zum Neueinstieg genutzt, hat sich das Blatt gewendet. Die Dax-Ampel steht erstmals seit Jahren auf rot, sagte Saurenz.
INFINEON AM DAX-ENDE - BRANCHENSCHWÄCHE BEFÜRCHTET
Unter den Einzelwerten im Dax ragten die Aktien von Infineon F:IFX mit einem Verlust von 5,64 Prozent heraus. Händler verwiesen auf die Warnung des US-Chipherstellers Microchip Technologies vom Vorabend, der für das laufende und kommende Quartal eine breite Nachfrageschwäche in der Branche voraussagte. Dies sorgte auch bei den Titeln anderer Halbleiter-Konzerne und Technologiefirmen für größere Abgaben.
Die Titel von LEG Immobilien verbilligten sich nach einer angekündigten Kapitalerhöhung um 2,23 Prozent. Das MDax-Unternehmen stockt seine Aktienzahl um 6,5 Millionen auf und will mit dem Erlös von 205 Millionen Euro unter anderem weitere Zukäufe finanzieren. Dass LEG rund 9600 Wohneinheiten vom Wettbewerber Deutsche Annington F:ANN erwarb und vor diesem Hintergrund seinen Ergebnisausblick für 2015 anhob, konnte die Laune der Aktionäre kaum bessern. Mit dem Erlös von 484 Millionen Euro will die Annington ihre Schulden verringern. Annington-Titel büßten 1,70 Prozent ein.
XING AUF JAHRESTIEF
Die Papiere von Xing (ETR:O1BC) brachen um mehr als 8 Prozent ein und fielen kurzzeitig bis auf 72 Euro, den niedrigsten Stand seit Dezember 2013. Händler verwiesen zur Begründung der Schwäche auf das Anlegermagazin "Der Aktionär", das die Aktien des Karriere-Netzwerks seinem Musterdepot auf "Verkaufen" gesetzt hatte. Volkswagen-Papiere F:VOW3 verloren mehr als 3 Prozent, obwohl der Autobauer mitgeteilt hatte, im September weltweit 3 Prozent mehr Autos verkauft zu haben.
--- Von Eduard Holetic, dpa-AFX ---