FRANKFURT (dpa-AFX) - Für die europäischen Banken ist das Votum der Briten für einen Brexit ein heftiger Schlag vor den Bug - entsprechend fielen die Papiere der Branche am Freitag nach der Handelseröffnung erst einmal ins Bodenlose. Der Banken-Subindex (DJX:SX7P) rutschte in der Spitze um nahezu 15 Prozent ab. Noch schlimmer traf es die Aktien der Deutsche Bank (XETRA:DBKGn) und der Commerzbank (XETRA:CBKG): Beide Titel brachen zeitweise um mehr als 18 Prozent ein. Zuletzt konnten sich die Kurse aber bereits wieder etwas erholen, so betrugen die Abschläge noch 12,91 Prozent beziehungsweise 10,62 Prozent.
Auch die Aktien des im MDax (ETR:MDXP) notierten Immobilienfinanzierers Aareal Bank (XETRA:ARLG) gehörten zu den Leidtragenden mit teils mehr als 17 Prozent Abschlag, sie erholten sich aber am schnellsten und standen zuletzt noch mit knapp 7 Prozent im Minus. Auch im übrigen Europa ging es für die Branchen-Titel rasant abwärts, Papiere britischer Banken waren die größten Opfer und büßten teils mehr als ein Viertel ihres Wertes ein.
Nachdem in der vergangenen Woche die Brexit-Angst kräftig auf die Kurse der deutschen aber auch internationalen Geldinstitute gedrückt hatte, hatten sich die Notierungen mit der zunehmenden Zuversicht der Anleger zuletzt wieder deutlich erholt. An diesem Freitagmorgen wurden diese jüngsten Gewinne mit einem Mal wieder ausradiert.
John Cryan, Chef des größten deutschen Finanzinstituts Deutsche Bank, versuchte zu beruhigen: Die Bank sei für mögliche Turbulenzen infolge des britischen Austritts gut gerüstet, betonte er. Die neuen Turbulenzen treffen sein Haus zur Unzeit. Die Bank hat sich bis heute nicht von den Folgen der Finanzkrise erholt und steckt noch mitten in einem Sanierungsprogramm.
Die Folgen des Brexit für die Banken sind derzeit kaum absehbar. Experten rechnen nun mit heftigen Verwerfungen im Sektor, unter denen vor allem aber die britischen Institute zu leiden haben dürften.
"Die Institute können derzeit grenzüberschreitend frei agieren und durch einen Brexit würden sich echte Handelsbarrieren auftürmen", hatte bereits in dieser Woche LBBW-Marktstratege Markus Herrmann in einem Gespräch mit dpa-AFX gewarnt. Die Institute verfügten über ein kompliziertes Netz aus Geschäfts- und Kreditverflechtung, dies zu entwirren, wird teuer. Als Belastung hinzu kommen die Wechselkursschwankungen. Das britische Pfund verlor zuletzt zum Euro deutlich an Wert.
Die hohe Volatilität an den Kapitalmärkten dürfte den Banken als klassische Stillhalter bei vielen Optionsgeschäften nun zusätzliche Risiken in ihre Handelsdepots bringen, erläuterte Händler Andreas Lipkow von Kliegel & Hafner. Ähnlich wie bei dem Fall, als die Schweizerische Notenbank unerwartet den Schweizer Franken vom Euro abkoppelte, könnten nun einige Banken auf dem falschen Fuß erwischt werden, warnte er.
Nach Einschätzung von Analyst Torsten Windes von der NordLB wird vor allem die Finanzbranche in London, dem wichtigsten Kreditmarkt in Europa, empfindliche Rückschläge hinnehmen müssen. Der Experte geht von einer deutlichen Eintrübung der britischen Wirtschaft bereits im zweiten Halbjahr aus, 2017 dürfe Großbritannien dann in die Rezession schlittern.
Der Präsident der deutschen Bankenverbandes BdB, Hans-Walter Peters, bemühte sich, die Wogen zu glätten. "Die Lage an den Finanzmärkten dürfte sich nach dem ersten Schock rasch beruhigen", sagte er. Die Notenbanken hätten alle erforderlichen Vorkehrungen getroffen, um stabilisierend eingreifen zu können."
Peters geht nun davon aus, das die Finanzplätze Kontinentaleuropas mittelfristig bei einem Austritt des Vereinigten Königreichs an Bedeutung gewinnen werden. Der Chefökonom der Berenberg Bank, Holger Schmieding, erläuterte: London werde zwar weiterhin ein wichtiges Finanzzentrum. Ein Teil der Geschäfte dürfte nun jedoch abwandern. Damit werde London nun von einem "Onshore" zu einem "Offshore"-Finanzzentrum in Europa.