Von Robert Zach
Investing.com - Von der Baisse in die Hausse? Angesichts der brutalen Volatilität an den Aktienmärkten, wächst unter Anlegern und Händlern der Konsens darüber, dass der Aktienmarkt sein Tief im seit 11. März etablierten Bärenmarkt bereits gesehen haben könnte. Grund für den neuen Optimismus ist Tatsache, dass die Wachstumsrate der Neuinfektionen mit dem weltweit grassierenden Coronavirus abnimmt. Aber auch die Annahme, dass die von den Regierungen und Zentralbanken auf der ganzen Welt aufgefahrenen schweren Geschütze in Form von geld- und fiskalpolitischen Rettungspaketen ausreichen werden, um eine dynamische Erholung der Unternehmensgewinne im späteren Jahresverlauf herbeizuführen, sorgen für neue Euphorie an den Weltbörsen.
Mit anderen Worten, das Schlimmste der Coronavirus-Auswirkungen auf den Aktienmarkt läge bereits hinter uns, so dass jetzt der Zeitpunkt zum Kaufen gekommen wäre.
Am Montag schlossen der Dow-Jones-Index und der S&P-500-Index mit einem Plus von über 7%, während der DAX fast 6% zulegte. Seit dem Tief am 19. März ist das deutsche Aktienbarometer bereits über 23% gestiegen.
Die gestrige Rallye an den Aktienmärkten gibt den Optimisten also tendenziell Recht, aber es mehren sich auch die kritischen Stimmen, die davor warnen, dass dies letztlich eine Bärenfalle sein könnte.
So etwa Mislav Matejka, Aktienstratege bei JP Morgan in London, der die Anleger in einer gestern herausgegebenen Kundennotiz davor warnte, dass die Weltwirtschaft "eine für Rezessionen typische Teufelsspirale zwischen schwacher Endnachfrage, schwächelnden Arbeitsmärkten, rückläufigen Gewinnen, kränkelnden Kreditmärkten und niedrigen Ölpreisen" durchlaufen werde.
Besonders beunruhigend ist für Matejka, dass die gegenwärtige Rezession durch einen Schock beim Konsum - der in den westlichen Volkswirtschaften 70 Prozent des BIP ausmacht - ausgelöst wurde, da die Arbeitnehmer weltweit durch die Stilllegung von nicht lebensnotwendigen Unternehmen daran gehindert werden, ihren Lebensunterhalt zu verdienen.
Aufgrund dessen erwarten die Ökonomen von JP Morgan, dass die Wirtschaftstätigkeit nur allmählich ihren Tiefpunkt erreichen wird, wie nach der großen Finanzkrise, statt einer V-förmigen Erholung, die normalerweise auf Einmalereignisse wie Naturkatastrophen folgt.
Die Bank schätzt, dass die Arbeitslosenquote in der zweiten Jahreshälfte mit 8,5 Prozent weiterhin hoch bleiben wird, während sich der Rückgang des realen US-Bruttoinlandsprodukts in der Spitze auf 10 Prozent belaufen werde, nach 4% während der Finanzkrise. "Und all dies unter der Annahme, dass das Virus bis Juni Geschichte ist, was sich als sehr optimistische Einschätzungen erweisen könnte", schrieb Matejka.
Daher riet er seinen Kunden, technische Signale zu ignorieren: "Der Versuch, in den Markt einzusteigen, einfach weil er technisch überverkauft ist und dies immer stärker wird, geht am wesentlichen vorbei". Auch solle man die fiskal- und geldpolitischen Impulse nicht überschätzen, schließlich handle es sich um den "ersten Abwärtszyklus am Verbraucher- und Arbeitsmarkt seit 11 Jahren.“
"Obwohl der Konsens noch immer eine rasche Erholung zu sehen scheint, ziehen sich Rezessionen tendenziell in die Länge", fügte Matejka hinzu. Seiner Einschätzung nach hat der S&P 500 im Schnitt 18 Monate gebracht, um in den vergangenen Rezessionen ein finales Tief zu erreichen.
Um wieder in den Markt einzusteigen, will der Aktienstratege drei Dinge sehen: zum einen darf sich keine zweite Infektionswelle in China einstellen sowie keine Beschleunigung der Infektionen im Westen, sobald die Beschränkungen aufgehoben werden. "Wenn wir dabei einen wichtigen medizinischen Durchbruch in der Behandlung (gegen Covid-19) erzielen, bei der die Sterblichkeitsraten deutlich sinken, wäre das natürlich ein entscheidender positiver Aspekt“, sagte Matejka.
Als Kaufsignale sieht er ebenfalls größere Konjunkturpakete und Aktienbewertungen, die näher an das 10-fache des geschätzten Gewinns reichen. Derzeit wird der S&P 500 zu einem 15-fachen der Gewinne gehandelt.
In der aktuellen Situation empfiehlt der Aktienstratege, in den kurzfristigen Erholungsrallyes Gewinne vom Tisch zu nehmen und eine defensive Sektoren-Allokation beizubehalten, weil neue Tiefs an den Aktienmärkten nicht ausgeschlossen werden können.
Konkret meinte Matejka mit einer defensiven Sektoren-Allokation, dass Anleger eher auf Werte aus den Bereichen Gesundheit (NYSE:XLV) und Versorger (NYSE:XLU) setzen sollten und eine Untergewichtung bei zyklischen Konsumgütern (NYSE:XLY), Energie (NYSE:XLE) und Industriewerten (NYSE:XLI) in Betracht ziehen sollten.
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