Die IAA findet erstmals in München statt und BMW (DE:BMWG) (WKN: 519000) hat sich eine Menge vorgenommen, um sich vor dem Heimpublikum in Szene zu setzen. Das von vielen erwartete Gran Coupé i4 wird es genauso zu sehen geben wie die neue Version des iX3, ein cooles elektrisches Motorrad und ein wegweisendes Nachhaltigkeitskonzept. Bei BMW läuft es gut und die Elektrooffensive gewinnt sichtbar an Kraft. Dennoch glaubt das Start-up Rivian, dass es mehr wert ist. Kann das sein?
BMW legt gut vor Zum ersten Halbjahr meldete BMW ein Plus von 148,5 % bei der Auslieferung von elektrifizierten Fahrzeugen auf 153.267. Dabei soll es nicht bleiben: Das Management ist zuversichtlich, bis in 10 Jahren rund 10 Millionen Elektroautos auf die Straßen bringen zu können.
Gleichzeitig erwirtschaftete der Konzern einen mächtigen operativen Gewinn von über 6 Mrd. Euro. Im Gesamtjahr könnten es 12 Mrd. Euro werden, in einer komplexen Situation zwischen Post-Corona-Sonderkonjunktur und Chipmangel. Analysten erwarten jedenfalls im Schnitt, dass auch in den Folgejahren unterm Strich ein Nettogewinn von 8 bis 10 Mrd. Euro stehen wird.
Das erscheint realistisch, wenn man bedenkt, dass BMW in den letzten Jahren massiv in seine Technologie und neue Geschäftsmodelle investiert hat. In Verbindung mit seiner langjährigen Erfahrung in der Elektromobilität hat BMW bessere Voraussetzungen als viele Konkurrenten, um im Wettbewerb erfolgreich zu bestehen.
Die Börse ist allerdings längst nicht so optimistisch. Sie kalkuliert offenbar damit, dass die Gewinne schon bald wieder erheblich kleiner ausfallen. Anders ist das Kurs-Gewinn-Verhältnis von unter 5 nicht zu erklären.
Wie Rivian an BMW vorbeiziehen möchte Ein Grund dafür ist sicherlich das weiterhin gefährliche Wettbewerbsumfeld. BMW steht – neben den klassischen Rivalen – von zwei Seiten unter Druck: asiatische Preisbrecher, die technologisch schnell aufholen und ins Premiumsegment drängen, sowie einer großen Zahl ambitionierter Start-ups, die Tesla (NASDAQ:TSLA) (WKN: A1CX3T) nacheifern.
Eines davon ist Rivian, das vor wenigen Tagen die ersten Unterlagen für seinen Börsengang bei der Aufsicht eingereicht hat. Leider zunächst vertraulich, sodass noch nicht alle Details zu den Plänen bekannt sind. US-Medien berichten allerdings, dass das Management eine Bewertung von 80 Mrd. US-Dollar anstrebt. Das wäre deutlich mehr als die 52 Mrd. Euro von BMW.
Auf der anderen Seite ist es nur wenig mehr als ein Zehntel der Bewertung von Tesla. Und offenbar trauen viele Beobachter und Investoren dem Management um Gründer und CEO Robert „RJ“ Scaringe zu, Ähnliches aufzubauen wie Elon Musk. Der Mann gilt als herausragendes Talent, wie Bloomberg schreibt, der wissenschaftlich versiert, technisch begabt und beim Präsentieren hochüberzeugend ist.
Er gilt als genauso detailversessen wie visionär und hat ein Starensemble für die Rivian-Führung gewonnen. Das hat auf dem bisherigen Weg des noch jungen Unternehmens viele dermaßen überzeugt, dass sie ihm Milliarden hinterhergeworfen haben, um einen Bruchteil von Rivian besitzen zu dürfen. All das, bevor Rivian auch nur ein Auto verkauft hat.
Doch nun soll es schnell gehen. In Illinois startet die Produktion und in Texas und Europa sollen weitere Werke entstehen. Mit Amazon (NASDAQ:AMZN) (WKN: 906866) und Ford (NYSE:F) als strategische Partner und Investoren im Rücken könnte das Unternehmen recht schnell auf größere Stückzahlen kommen.
Und wenn Rivian noch schneller wachsen will, dann kann es jederzeit den Kapitalmarkt anzapfen. Bei einer Bewertung von 80 Mrd. US-Dollar genügt schon eine Verwässerung von lediglich 10 %, um weitere 8 Mrd. US-Dollar Wachstumskapital einzusammeln. Auf diese Weise wird Rivian die gleiche Feuerkraft wie BMW haben, muss sich dabei allerdings nicht um den Wandel von der Verbrenner- zur Elektrowelt kümmern.
Kaufen wir die Rivian-Story? Dass Rivian mehr als 10 % von Tesla wert sein könnte, finde ich absolut realistisch. Teslas Produktpalette ist noch schmal. In wenigen Jahren könnte Rivian ebenfalls eine Handvoll verschiedener Modelle produzieren.
Aber mehr als 100 % von BMW? Jetzt schon? Das erscheint mir dann doch zu hoch gegriffen. Zwar gibt es, wie oben dargestellt, ein Szenario, in dem Rivian ohne große Verwässerung langfristig an BMW vorbeizieht. Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg, auf dem viel passieren kann. Es dürfte schon schwer genug werden, an einem etablierten Konzern wie Renault (PA:RENA)(WKN: 893113) vorbeizukommen, der aktuell kaum 9 Mrd. Euro auf die Waage bringt.
Dennoch könnte es sich lohnen, das Vorankommen von Rivian im Auge zu behalten. Das Management hat sich eine Menge vorgenommen, sodass ich mit einem Feuerwerk an Wachstumsinitiativen rechnen würde. Neben neuen Modellen und Investitionen in Ladeinfrastruktur und digital getriebene Geschäftsmodelle sehe ich auch Fusionen mit komplementären Unternehmen.
Auf diese Weise kann aus einem Start-up sehr schnell ein Gigant werden. Hauptsache, die Anleger verlieren nie das Vertrauen in CEO RJ Scaringe. Dann ist alles möglich.
Ralf Anders besitzt keine der erwähnten Aktien. The Motley Fool besitzt und empfiehlt Aktien von Tesla.
Motley Fool Deutschland 2021