Stellen wir uns vor, dass zwei Start-up-Unternehmen fast gleichzeitig ein neues Produkt auf den Markt bringen wollen: Einen Küchenhelfer in Form von zwei hochflexiblen Roboterarmen, der sich mit anderen Geräten vernetzen kann und die unterschiedlichsten Aufgaben auf Zuruf zuverlässig ausführt.
„Rühr mal hiermit den Grießbrei, bis er fest wird und schalte dann den Herd aus.“ — „Alles klar, mach ich, Chef!“ — „Nimm das Messer und schneide ein Kilo Paprika-Streifen.“ — „Kein Problem, dauert etwa 2,7 Minuten.“
Solch ein smartes Gerät würde sicherlich auf das Interesse vieler potenzieller Kunden stoßen. Aber noch gibt es bei beiden Unternehmen nur einige Prototypen und die Fertigung befindet sich im Aufbau. Die Ausgangsposition ist also nahezu identisch. Gleichzeitig laufen die Planungen zur Markteroberung auf Hochtouren.
Das erste Unternehmen erzählt dazu folgende Geschichte:
„Unser Testmarkt ist Deutschland. Wir wissen, dass der Roboterarm erklärungsintensiv ist, weshalb wir unser Produkt über ausgewählte Fachhandelspartner flächendeckend vertreiben wollen. Sobald das Absatzvolumen groß genug ist, um einen signifikanten Deckungsbeitrag zu leisten, expandieren wir nach Österreich und in die Schweiz. In den folgenden Jahren wollen wir jeweils in mindestens einen weiteren Markt eintreten. Außerdem investieren wir bereits jetzt in die Entwicklung der nächsten Produktgeneration, die noch leistungsfähiger sein wird und in spätestens drei Jahren auf den Markt kommt. Damit werden wir uns gegenüber dem Wettbewerb behaupten.“Hört sich für mich nach einem soliden Plan an.
Etwas anders klingt die Geschichte beim zweiten Unternehmen:
„Wir sind völlig überzeugt davon, dass unser Produkt sich weltweit großer Nachfrage erfreuen wird. Deshalb wollen wir kurzfristig massiv in unsere Vertriebsorganisation investieren, um bis zum Jahresende Vertriebspartner in mindestens fünfzig Ländern zu gewinnen. In unserer Entwicklungs-Pipeline haben wir auch bereits zwei Produktvarianten. Die erste wird besonders leicht zu bedienen sein, sodass wir sie auch über E-Commerce-Kanäle vertreiben können. Die zweite wird sich an professionelle Anwender richten und mit außergewöhnlichen Features ausgestattet sein.Welcher Ansatz gefällt dir besser, wo würdest du lieber investieren?Wir gehen davon aus, dass wir die ersten drei Jahre Verluste schreiben werden, aber dank des schnell wachsenden Absatzvolumens, das wir erwarten, rechnen wir mit stark sinkenden Stückkosten. Zudem arbeiten wir am Aufbau einer weltweiten Anwender-Community, über die wir zunehmend wiederkehrende Umsätze generieren werden. Dazu gehört auch der Aufbau eines Entwickler-Netzwerks. Unser Roboterarm wird sich nämlich mit Features von Drittanbietern ausstatten lassen, welche die Anwender über unseren Online-Store erwerben können.“
Vieles hängt natürlich davon ab, ob das Produkt tatsächlich Blockbuster-Potenzial hat. Doch um was es hier geht, ist, zu erkennen, wie wichtig das Management und seine Strategie für die Bewertung einer Aktie sind. Das Produkt kann noch so genial sein: Wenn es zu vorsichtig auf den Markt gebracht wird, dann wird daraus maximal ein solides Unternehmen, aber niemals ein großartiges.
In diesem kleinen Gedankenspiel sehen wir den Unterschied zwischen einem eher linear wachsenden produktfokussierten Millionenunternehmen auf der einen Seite — und einem plattformorientierten potenziellen Milliardenkonzern mit globaler Aufstellung, expandierenden Produktlinien und exponentiell wachsenden wiederkehrenden Umsätzen auf der anderen.
Und wenn wir uns fragen, warum die Aktien eines europäischen Unternehmens, das im Kern fast dasselbe macht wie sein amerikanisches Pendant, nur mit einem Bruchteil bewertet werden, dann hängt es oft genau damit zusammen.
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Der Artikel Darum ist die Wachstumsstrategie wichtiger als das Produkt, wenn wir Top-Aktien suchen ist zuerst erschienen auf The Motley Fool Deutschland.
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