Der Optimismus unter den Anlegern ist aktuell kaum zu übersehen. In einem kürzlich veröffentlichten Bericht haben wir uns die Renditeerwartungen für das kommende Jahr genauer angesehen, die auf dem Sentiment-Index des Conference Board basieren. Dabei zeigt sich:
"Das Vertrauen der Verbraucher in höhere Aktienkurse im nächsten Jahr bleibt nach den Steuersenkungen von Trump im Jahr 2017 auf dem höchsten Stand seit 2018." (Wichtig: Diese Umfrage wurde noch vor der Präsidentschaftswahl durchgeführt.)
Wir haben uns zudem die Aktieninvestitionen privater Haushalte angesehen, die laut Daten der Federal Reserve aktuell auf einem Rekordniveau liegen.
In diesem Bericht haben wir auch auf das Risiko hingewiesen, das mit einem hohen Maß an Überschwang der Anleger verbunden ist.
"Risiko ist nicht immer das, was es auf den ersten Blick scheint. Oft ist der Markt gerade dann am riskantesten, wenn er den Anschein von Sicherheit vermittelt. Überlegen Sie einmal: Wenn die Märkte stabil erscheinen und das Vertrauen der Anleger hoch ist, neigen viele dazu, größere Risiken einzugehen. Dies kann zu überhitzten Märkten und letztlich zu Blasen und scharfen Einbrüchen führen."
Es ist jedoch wichtig, "Überschwang" als natürlichen Teil des Marktgeschehens zu verstehen – er ist oft der Motor, der Vermögenspreise in die Höhe treibt. Wir haben dazu bereits festgestellt: "Verkäufer leben oben, Käufer leben unten." An jedem Markt wird der Preis von Angebot und Nachfrage bestimmt. Übersteigt die Nachfrage das Angebot, steigen die Preise, und umgekehrt. Auch wenn wirtschaftliche, geopolitische oder finanzielle Faktoren kurzfristig das Gleichgewicht verschieben können, bleiben die tatsächlichen Vermögensströme letztlich ausschlaggebend für den Preis.
Aktuell stützt ein starker Liquiditätsfluss die Anlegerstimmung, was sich in euphorischen Käufen und einer steigenden Risikobereitschaft zeigt. Diese Entwicklungen gingen in der Vergangenheit oft größeren Marktkorrekturen voraus.
Optimismus kann zwar kurzfristig Gewinne fördern, aber die Geschichte zeigt, dass übermäßiger Enthusiasmus die Märkte anfällig macht – besonders, wenn die Bewertungen sich von den Fundamentaldaten entfernen.
Die Psychologie der Markteuphorie
Der Wirtschaftsnobelpreisträger Robert Shiller prägte den Begriff "irrationaler Überschwang", um Momente zu beschreiben, in denen spekulatives Verhalten die Preise von Vermögenswerten in schwindelerregende Höhen treibt – oft weit über ihren eigentlichen Wert hinaus. Shillers Forschung zeigt, dass Emotionen und Herdenverhalten in Bullenmärkten oft das Ruder übernehmen, was zu Kursanstiegen führt, die irgendwann unter dem Druck der Realität zusammenbrechen. Er erinnert dabei an die altbewährte Anlegerweisheit: „Die Märkte können sich länger irrational verhalten, als man selbst zahlungsfähig bleibt“ – eine eindringliche Warnung vor den Risiken und der Unberechenbarkeit übermäßigen Optimismus.
Auch Jeremy Grantham, ein erfahrener Investor und Blasenkenner, sieht Anzeichen solcher Übertreibungen. Er bezeichnete den Bullenmarkt nach 2009 als "epische Blase", die durch spekulatives Verhalten und extreme Überbewertungen angeheizt wurde. Es überrascht kaum, dass mit steigenden Kursen auch der Überschwang der Anleger zunimmt. Überbewertungen werden dann oft mit dem Gedanken verteidigt, dass "dieses Mal alles anders ist."
Wie wir jedoch in unserem Artikel "Niedrige künftige Renditen" näher erläutert haben, sind Bewertungen ein eher schlechter Indikator für das Timing des Marktes. Sie zeigen lediglich, ob die Kurse schneller oder langsamer als die zugrunde liegenden Erträge wachsen. Mit anderen Worten: Bewertungen messen die kurzfristige Marktpsychologie.
Bewertungskennzahlen sind genau das – eine Momentaufnahme der aktuellen Marktstimmung. Hohe Bewertungskennzahlen spiegeln in Wahrheit die "Anlegerpsychologie" wider und verkörpern das Phänomen, das man als "Bigger Fool Theory" kennt. Dabei zeigt sich eine enge Verbindung zwischen unserem zusammengesetzten Verbrauchervertrauensindex und den Einjahresbewertungen des S&P 500.
Anleger neigen oft dazu, kurzfristige Daten zu ignorieren, weil sie glauben, dass diese keinen unmittelbaren Einfluss auf die Kursgewinne haben. Doch wie bereits angesprochen: Zwar sind Bewertungen keine verlässlichen Indikatoren für die Renditen der nächsten 12 Monate, aber sie zeigen häufig eine Phase von "Überschwang" an, die die Märkte kurzfristig beeinflussen kann.
Wenn wir also davon ausgehen, dass die aktuellen Bewertungen eine Phase psychologischen Überschwangs widerspiegeln, was können wir dann von den Märkten in den kommenden 12 Monaten erwarten?
Volatilitätsschub möglich
Sentiment Trader kommentierte kürzlich die Stimmung am Markt und stellte fest:
"Ganz gleich, welche Messlatte man anlegt – die meisten Anzeichen sprechen dafür, dass die Anleger die Perspektiven für Aktien in den kommenden Monaten optimistisch sehen. Am Anleihemarkt sieht das allerdings anders aus. Nach einer kurzen Phase ohne Pessimismus sind die Anleiheinvestoren wieder skeptisch eingestellt."
"Diese gegenläufigen Stimmungen führen dazu, dass die Differenz zwischen Aktien- und Anleihenoptimismus auf einen der höchsten Werte der letzten Jahrzehnte geklettert ist. In den letzten 25 Jahren gab es nur wenige Momente, in denen der mittelfristige Optimismus-Index für Aktien mehr als 50 % über dem für Anleihen lag."
"Ob diese große Diskrepanz entscheidend ist, zeigt ein Blick auf die bisherigen Renditen des S&P 500, wenn der Abstand zwischen beiden Optimismus-Indizes über 50 % liegt," erklärt Sentiment Trader. "Für den S&P bedeutete das oft einen kurzfristigen Gegenwind. Im Folgemonat fielen die Renditen in solchen Phasen meist schwach aus, mit nur zwei Gewinnern und fünf Verlierern. Nur während der Dotcom-Blase folgte auf diese Diskrepanz ein längerer Kursrückgang."
Ein weiteres Warnsignal für den Überschwang am Aktienmarkt zeigt der Vergleich zwischen dem SPDR S&P 500 Index ETF (SPY) und dem iShares 20+ Year Treasury Bond ETF. In der Grafik wird die 52-Tage-Veränderung der beiden Indizes und deren Relative Strength Index (RSI) gegenübergestellt. Die vertikalen Linien markieren hohe Ausschläge, die oft auf bevorstehende Rücksetzer oder größere Korrekturen hindeuten. Hohe Optimismuswerte bei Aktien verglichen mit Anleihen waren häufig ein Vorläufer für solche Korrekturen.
Hoher Überschwang am Aktienmarkt bringt die Gefahr von Korrekturen mit sich, da der Markt in solchen Phasen besonders anfällig ist. Wenn die Bewertungen vor allem durch Stimmungen statt durch Fundamentaldaten getrieben sind, kann ein kleineres negatives Ereignis – etwa enttäuschende Quartalszahlen, geopolitische Spannungen oder schwache Wirtschaftsdaten – schnell eine Abwärtsdynamik auslösen, bei der Verkäufer das Ruder übernehmen.
Ein Markt, der durch spekulativen Enthusiasmus gestützt wird, erlebt meist heftigere Rücksetzer. Der kürzliche Zusammenbruch des "Yen Carry Trade" zeigt, wie ein plötzlicher, externer Schock die Preise abrupt zum Sinken bringen kann. Ein überschwänglicher Markt neigt dazu, in eine Art Rückkopplungsschleife zu geraten, bei der Kursverluste den Verkaufsdruck verstärken. Historische Daten zeigen dieses Muster immer wieder: Ein Überschwang, getrieben von Liquidität und spekulativen Erwartungen, endet oft in schnellen und schmerzhaften Korrekturen.
Unbedingt beachten: Das Timing ist unberechenbar
Zwar schafft die derzeitige Euphorie der Anleger durchaus Raum für mögliche Korrekturen, doch den genauen Zeitpunkt vorherzusagen, ist wie immer eine Herausforderung. Alan Greenspans bekannte Rede über "irrationalen Überschwang" im Jahr 1996 kam zum Beispiel drei Jahre vor dem Dotcom-Gipfel – ein Zeichen dafür, dass Märkte länger in Hochphasen verharren können, als man denkt. Korrekturen sind jedoch unvermeidlich, da die Bewertungen letztlich wieder ein nachhaltigeres Niveau erreichen müssen, wie die nachfolgende Abbildung zeigt.
Wie gesagt: Das richtige Timing ist entscheidend. Anleger neigen oft zu zwei klassischen Fehlern in einem Markt voller Optimismus. Der erste besteht darin, auf jedes Signal überzureagieren, aus Angst, eine größere Korrektur könnte unmittelbar bevorstehen. Der zweite ist vorschnelles Handeln. Es bleibt daher wichtig, den Markt im aktuellen Aufwärtstrend mit Bedacht zu beobachten und weiterhin mit Vorsicht vorzugehen.
Sentiment Trader kam zu dem Schluss:
"Stimmung und Momentum stehen oft in direktem Gegensatz zueinander. Gerade dann, wenn es für Trendfolger am besten aussieht, ist es für konträr eingestellte Anleger am gefährlichsten. Wir befinden uns gerade in einer solchen Phase, denn das Momentum ist beeindruckend. Es gibt wenig bis gar keine Anzeichen dafür, dass der Tank schon leer ist, denn die Breite ist nach wie vor robust, und die Performance der Sektoren ist außerordentlich gut. Extreme Stimmungsschwankungen sind in der Regel wirksamer, wenn den Indizes ein geringeres Kaufinteresse zugrunde liegt. Würden wir mehr Divergenzen bei den Breath-Indikatoren sehen, hätte die extreme Diskrepanz bei der Stimmung zwischen Aktien und Anleihen mehr Bedeutung. Aus heutiger Sicht ist es wahrscheinlich am zweckmäßigsten, sich frühzeitig darauf einzustellen, dass die Voraussetzungen für Enttäuschungen gegeben sind, und wir sollten in den kommenden Wochen auf Anzeichen eines Kaufstreiks achten."
Praktische Tipps für Investoren
Angesichts der aktuellen Anzeichen für Marktüberschwang sollten Anleger überlegen, wie sie ihr Risiko im Portfolio gezielt steuern können. Einige praktische Ansätze sind:
- Portfolio neu gewichten: Eine Umschichtung in defensivere Sektoren oder Barmittel kann helfen, den Fokus auf spekulative Anlagen zu verringern und so Stabilität in Zeiten erhöhter Volatilität zu schaffen.
- Hebel begrenzen: Vorsicht beim Einsatz von Margin! Übermäßige Hebelwirkung kann zu riskanten Zwangsverkäufen führen, daher ist es ratsam, den Einsatz gezielt zu begrenzen.
- Wichtige Indikatoren im Auge behalten: Technische Signale, Positionsänderungen und Kapitalflüsse bieten oft wertvolle Hinweise auf mögliche Wendepunkte im Markt. Ein regelmäßiger Blick auf diese Indikatoren kann frühzeitige Warnzeichen liefern.
- Anleihen als Sicherheitsnetz: Wenn die Nachfrage nach Aktien dominiert, geraten Anleihen oft in den Hintergrund. Doch in Zeiten zunehmender Unsicherheit kann eine Umschichtung in sicherere Werte wie Anleihen eine wertvolle Absicherung bieten.
Zusammengefasst gilt: Auch wenn steigende Märkte Optimismus wecken, kann unkontrollierte Euphorie oft zu abrupten Korrekturen führen, wenn die Märkte wieder in die Realität zurückfinden. Wer diese Anzeichen von Überhitzung frühzeitig erkennt und Risiken gezielt managt, kann sein Portfolio in unruhigen Zeiten besser schützen und möglichen Verlusten vorbeugen.